Transfer neu denken: Zur aktuellen Relevanz von Geisteswissenschaften für die Gesellschaft

Eva Geulen
© Uwe Dettmar / Goethe Uni Frankfurt

Am Donnerstag, 25. März, geht die Vortragsreihe „Transfer neu denken“ der KU in die dritte Runde: Nach Prof. Dr. Claus Leggewie und Prof. Dr. Armin Grunwald spricht dann die Berliner Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Eva Geulen zur gesellschaftlichen Relevanz von Geisteswissenschaften. Organisiert und durchgeführt wird die Vortragsreihe durch das Projekt „Mensch in Bewegung“ im Rahmen der Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“. In sieben Vorträgen diskutieren international renommierte Forschende tradierte Rollenverständnisse, gesellschaftliche Erwartungen sowie neue Ansätze und Perspektiven für den Austausch von Wissenschaft und Gesellschaft.

Zuletzt hatte Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) über die Rolle der Geisteswissenschaften in der Gesellschaft gesprochen. Ausgangspunkt seines Vortrags waren große Herausforderungen wie der Klimawandel, Migration oder die Digitalisierung. Dass die Wissenschaft bei ihrer Gestaltung gefragt sei, stehe außer Frage, so der Karlsruher Physiker und Philosoph. Um sie bewältigen zu können, brauche es allerdings nicht nur System-, Orientierungs- oder Handlungswissen: „Diese Dreiteilung ist nicht erschöpfend. Der Schwachpunkt liegt im Begriff des Orientierungswissens.“ Zwar diene dieses als Kompass, um die Richtung der künftigen Entwicklung festzulegen. Vielfach sei jedoch unklar, was mit Begriffen wie „Nachhaltigkeit“ gemeint sei. Hier fehle es an „Bedeutungswissen“.

Obwohl der Nachhaltigkeitsbegriff seit mehr als 30 Jahren in der Welt sei, bemängeln Kritiker etwa weiterhin, dass der Begriff inhaltsleer sei. Die Herausforderung bestehe darin, so Grunwald, dass eine Definition von Nachhaltigkeit, wie sie die Brundtland-Kommission bereits 1987 gegeben habe, zu weitläufig sei. Es sei nicht klar, was eine so weitreichende Definition für eine Kommune bedeute: „Wie aber kann diese riesige Distanz zur Praxis überbrückt werden?“ Hier komme die „Arbeit an der Bedeutung“ zum Tragen. Wer Nachhaltigkeit umsetzen will, müsse konkretisieren, was damit gemeint sei: „Man muss die Bedeutung finden, die auf eine Region passt.“

Der Leiter des europaweit größten Instituts für Technikfolgenabschätzung (ITAS) stellte auch dar, wie sich die Bedeutung praktisch im Austausch von Wissenschaft, Kommunen, Unternehmen und Zivilgesellschaft konkretisieren lässt: „An dieser Arbeit können sich alle beteiligen, niemand ist ausgeschlossen, denn nachhaltige Entwicklung als Gegenwarts- und Zukunftsprinzip geht uns alle an.“ Kritisch merkte er allerdings auch an: „Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Herausforderung an das Management von Transformationsprozessen, sondern immer auch Bedeutungsarbeit – philosophisch, politisch, partizipativ. Hier brauchen wir Geisteswissenschaften. Das ist ein Punkt, der unterrepräsentiert ist.“ Interpretation und Bedeutungsarbeit seien aber ein wesentliches Medium der Veränderung.

Am 25. März schließt die Literaturwissenschaftlerin Eva Geulen nun daran an: Im ersten Teil ihres Vortrags wird es, eher theoretisch, um die Vorgeschichten der Erwartungshaltungen gehen, die bei der Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz der Geisteswissenschaften heute eine Rolle spielen. Im zweiten Teil wird es, eher praktisch, um Fallbeispiele geisteswissenschaftlicher Forschung gehen. Geulen gehört zu den renommiertesten Literaturwissenschaftlerinnen in Deutschland. Sie ist Professorin für europäische Kultur- und Wissensgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bevor sie nach Berlin kam, lehrte und forschte sie an den Universitäten in Bonn und Frankfurt sowie in den USA an der University of Rochester und an der New York University. Seit 2015 ist sie Direktorin des Leibniz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) und Vorstandsmitglied der Geisteswissenschaftlichen Zentren Berlin.

Anmeldung und Teilnahme
Die Veranstaltungsreihe findet online statt und wird über das Videokonferenz-Tool Zoom sowie über die YouTube- und Facebook-Kanäle der KU übertragen. Teilnehmende, die sich aktiv an der Diskussion beteiligen möchten, sind gebeten, sich vorab auf der Webseite der Veranstaltungsreihe anzumelden:
https://mensch-in-bewegung.info/event/tnd/

Zum Projekt „Mensch in Bewegung“:
"Mensch in Bewegung“ ist ein gemeinsames Projekt der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Technischen Hochschule Ingolstadt. Mit Partnern aus Wirtschaft, Politik, und Zivilgesellschaft bauen die Hochschulen ein regionales Netzwerk für den Wissensaustausch in den Themenfeldern innovative Mobilität, digitale Transformation, nachhaltige Entwicklung und bürgerschaftliches Engagement auf. Das Projekt wird im Rahmen der Förderinitiative „Innovative Hochschule“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Land Bayern mit rund 15 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert.