Trauer um ehemaligen KU-Vizepräsidenten<br> Prof. Dr. Helmut Witetschek

Die KU trauert um Prof. Dr. Helmut Witetschek, der am 27. Oktober 2015 völlig überraschend im Alter von 82 Jahren verstorben ist. Er war der erste Inhaber eines Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Eichstätter Hochschule und wirkte von 1979 bis 1982 als Vizepräsident der Universität. Von 1969 bis 2001, also mehr als 32 Jahre lang, lehrte Helmut Witetschek an der Pädagogischen Hochschule Eichstätt, dann an der Gesamthochschule, schließlich an der Katholischen Universität. Von 1972 bis 1975 hielt er zusätzlich auch Vorlesungen am Fachhochschulstudiengang Sozialwesen. Auch in der akademischen Selbstverwaltung war Helmut Witetschek engagiert: Von 1972 bis 1975 war er Dekan seiner Fakultät.

„Rei Publicae et Ecclesiae“ lautete der Titel der Festschrift, die Helmut Witetschek im Jahr 2001 zu seiner Emeritierung gewidmet wurde. Mit dieser Überschrift waren nicht nur seine Arbeitsschwerpunkte gut umschrieben, sondern auch die Grundlinien seiner persönlichen Lebensführung: für Staat und Kirche.Der freiheitliche Verfassungsstaat war sowohl wissenschaftlich als auch biographisch das eine wesentliche Thema Helmut Witetscheks. Geboren 1933 im Sudetenland, kam nach der Vertreibung 1946 die harte Erfahrung des Vertriebenenschicksals. Witetschek wuchs in die Gründungs- und frühe Entwicklungsphase der Bundesrepublik Deutschland hinein, deren Verfassungsprinzipien vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus der Vergangenheit und des Kommunismus der Gegenwart entwickelt worden waren. In  diesem  Kontext verbrachte Helmut Witetschek seine Kindheit und Jugend, studierte und begann seine wissenschaftliche Tätigkeit. Mit der freiheitlichen Demokratie und der Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Kommunismus sind zugleich auch drei Schwerpunkte seiner Tätigkeit als Wissenschaftler und Hochschullehrer umschrieben. Schon eine seiner frühen Schriften von 1961 trägt den Titel „Der Weg zu unserer Staats- und Gesellschaftsordnung“.

Die Kirche blieb über viele Jahre hinweg das zweite prägende Thema für ihn. Schon in seiner Dissertation befasste er sich mit einem kirchlichen Forschungsgegenstand, und dies blieb so bis in die Zeit nach seiner Emeritierung. Hinzu kam eine tiefe Verwurzelung im katholischen Glauben. Dass Helmut Witetschek auch im persönlichen Leben eine christliche Haltung bezeugte, was sich nicht nur in seiner bescheidenen Art, sondern vor allem auch in einem stets liebenswürdigen Umgang mit Studierenden und Kollegen äußerte, zeichnete ihn als Professor einer katholischen Universität besonders aus.

Er war Herausgeber von insgesamt vier Quellenbänden unter dem Titel: „Die kirchliche Lage in Bayern nach den  Regierungspräsidentenberichten  1933-1943",  und  zwar  für  die Regierungsbezirke Oberbayern, Ober- und Mittelfranken sowie Schwaben, erschienen 1966. Ein Ergänzungsband folgte im Jahr 1981 für den Zeitraum 1943 bis 1945. Damit war eine vorzügliche Quelle erschlossen für die Erforschung der nationalsozialistischen Kirchenpolitik und des Kirchenkampfes. Die Edition ist bis heute eine fundierte Quelle zur Erfassung der Stimmungen in der bayerischen Bevölkerung in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur geblieben. Helmut Witetschek hat sich in einer Reihe von Aufsätzen zu diesem und zu vergleichbaren Themen mehrfach geäußert. In diesem Zusammenhang darf gerade in Eichstätt nicht unerwähnt bleiben, dass er im Jahr 1985 das schöne Lebensbild „Pater Ingbert Naab. Ein Prophet wider den Zeitgeist" vorlegte. Mehrere Lebensbilder deutscher Widerständler und Opfer des Nationalsozialismus trug er 1999 zum deutschen Martyrologium des 20. Jahrhunderts bei.

Es war Witetscheks Hauptintention, den Studierenden den freiheitlichen Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland verstehbar zu machen. Die Gründung der Bundesrepublik im zeitgeschichtlichen Kontext, ihre grundrechtlichen Fundamente, ihre Verfassung und die sie tragenden politischen sowie gesellschaftlichen Kräfte waren über drei Jahrzehnte hinweg Themen seiner akademischen Veranstaltungen. Generationen von Studierenden lernten bei ihm auch die Grundzüge des politischen Systems der damaligen DDR kennen. Seine Vorlesungen, kenntnisreich vorgetragen aus den obligatorischen Manuskripten im DIN A 5-Format, waren geradezu legendär. Ebenso obligatorisch war die Halbzeitpause während der Vorlesungen, in der geduldig Fragen beantwortet wurden. Dieses für ihn selbstverständliche Engagement in der Lehre hatte Konsequenzen, die Helmut Witetschek mit großem Pflichtgefühl trug: die Betreuung des größten Teiles der Lehramtskandidaten im Fach und eine entsprechend große Zahl an Seminararbeiten, Klausuren sowie schriftlichen und mündlichen Prüfungen.

Über sein wissenschaftliches und akademisches Wirken im engeren Sinn hinaus war es für Helmut Witetschek selbstverständlich, sich für ehrenamtliche Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen, vor allem im Bereich der kirchlichen und politischen Erwachsenenbildung, sowohl  als Referent  wie  auch  als Mitglied  in verschiedenen Leitungsgremien. Zu erwähnen sind hier beispielsweise seine leitende Tätigkeit im Katholischen Kreisbildungswerk seiner Heimatstadt Schrobenhausen, im Vorstand der Katholischen Landesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung in Bayern und vor allem seine Mitgliedschaft im Bildungsausschuss und in der Leitung der Katholischen Akademie in Bayern.

Auch nach seiner Emeritierung blieb Helmut Witetschek seiner Universität treu verbunden. Er fehlte bei keinem Dies Academicus und bei keiner Antrittsvorlesung in seiner Fakultät. Die Semesteranfangs- und Schlussgottesdienste in der Schutzengelkirche waren für ihn Pflichttermine. Requiescat in pace.

Prof. Dr. Klaus Stüwe
Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft