Vater unser-Debatte: „Übersetzung ist richtig, muss aber erklärt werden“

Papst Franziskus hat vorgeschlagen, die im „Vater unser“ enthaltene Bitte „Und führe uns nicht in Versuchung“ neu zu übersetzen, da ein Vater so etwas nicht tue. „Das Anliegen des Heiligen Vaters ist vollkommen zu verstehen, weil dieser Satz tatsächlich missverständlich ist. Allerdings ist dies die wörtliche Übersetzung und entspricht dem Text, den der Vatikan selbst als Norm promulgiert hat, der ,Nova Vulgata'“, erklärt Prof. Dr. Manfred Gerwing, Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik und Dogmengeschichte sowie Dekan der Theologischen Fakultät an der KU. Der Satz müsse aber heute so erklärt werden, dass er nicht gegen die Gesamtbotschaft des Neuen Testamentes stehe, denn Gott sei die Liebe und wolle uns nicht in Versuchung führen (Jak 1,13).

„Die Formulierung ist offensichtlich auch provakant gewählt worden. Die ersten Christen, die diesen Satz beteten, hatten sicherlich auch die Versuchung Jesu im Hinterkopf. Der Heilige Geist führte Jesus in die Wüste, wo er von Satan verführt wird“, schildert Gerwing. Zwar hätten sich die ersten Christen in der Nachfolge Jesu gesehen, aber wollten nicht in diese Versuchung geraten, weil sie sich nicht so stark wie Jesus sahen.

„Wir bekennen uns als Christen zur Allmächtigkeit Gottes, der Urgrund von allem ist. Auch der Satan, auch die Versuchung wären nicht ohne Gott“, so Gerwing weiter. Denke man an das alttestamentliche Buch Hiob, woran die ersten Christen sicher auch bei diesem Gebet dachten, so gebe es zwar Situationen, in denen Gott die Menschen prüfe. Diese Prüfung sei aber nicht das letzte Wort des barmherzigen Vaters. „Ich bin der Meinung, man sollte an der Übersetzung nichts ändern, weil sie dem Original sehr nah kommt. Zudem entspricht sie einer 500-jährigen Tradition, die wir zudem mit den evangelischen Christen sowie den Orthodoxen gemeinsam haben“, resümiert der Dogmatik-Professor.