Viel mehr als bloß „Stadt-Land-Fluss“: Bayerische Schulgeographen tagten in Eichstätt

Mit dem Bayerischen Schulgeographentag war die traditionsreichste und größte bayerische Fortbildungsveranstaltung für Geographielehrkräfte zu Gast in Eichstätt – zum zweiten Mal seit 1993. Mehr als 150 Fachwissenschaftler, Fachdidaktiker und Fachlehrkräfte nutzen das reichhaltige Programm mit mehr als 25 Vorträgen, Seminaren und Workshops, das der Verband der Bayerischen Schulgeographen, die Professur für Didaktik der Geographie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie das Willibald-Gymnasium Eichstätt gemeinsam auf die Beine gestellt hatten. Übergeordnetes Ziel der Veranstaltung unter dem Motto „Geographie unterrichten 2016 – kreativ, innovativ, nachhaltig“ war es, eine Austauschplattform zu bieten, um so den Geographieunterricht in Bayern kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dazu dienten auch Arbeitstreffen zwischen Seminarlehrern, Fachdidaktikern und Vertretern des Kultusministeriums sowie des Instituts für Schulentwicklung und Bildungsforschung, in denen die gesamte Bandbreite der bayerischen Geographielehrerbildung intensiv erörtert wurde. Eine große Poster- und Verlagsausstellung sowie zahlreiche Exkursionen nach Eichstätt und Umgebung rundeten die Veranstaltung ab.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen diejenigen, die von einem solchen Austausch am meisten profitieren sollten: Die Schüler des Willibald-Gymnasiums und der Grundschule am Graben, für die sich die Veranstalter ein eigenes Schülerprogramm ausgedacht hatten, das von Geocaching über die Arbeit mit Geographischen Informationssystemen bis hin zu einer intensiven Diskussion der Probleme einer Nachhaltigen Entwicklung in Südamerika reichte und das damit einmal mehr auch verdeutlichte, wie ungemein vielfältig, interessant und bedeutsam der Geographieunterricht in Bayern für alle Generationen ist.

Doch neben dem detaillierten Austausch zu Fachinhalten ging es auch um den grundsätzlichen Stellenwert von Geographie – sowohl als wissenschaftliche Disziplin als auch als Schulfach. So betonte der ehemalige Leiter des Eichstätter Gabrieli-Gymnasiums und jetzige Ministerialrat im Kultusministerium, Adolf Präbst, dass die Geographie vor dem Hintergrund von Klimawandel und Migration als Kernwissenschaft der Globalisierung betrachtet werde. Der Vorsitzende der Bayerischen Schulgeographen, Privatdozent Dr. Michael Streifinger unterstrich in seinem Grußwort, dass man mit der Veranstaltung auch die Aktualität und Relevanz des Faches hervorheben wolle.

Die generelle Bedeutung von Geographie im Fächerkanon stand somit im Zentrum der abschließenden Diskussionsrunde im Willibalds-Gymnasium, zu deren Beginn Prof. Dr. Ingrid Hemmer, Ko-Organisatorin der Veranstaltung und Geographiedidaktikerin an der Katholischen Universität, eine repräsentative Imagestudie vorstellte. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Geographie waren 800 Personen zum Bild befragt worden, das sie von diesem Schulfach haben. „Unsere Erwartung war, dass Geographie als ,Stadt-Land-Fluss‘-Fach gesehen wird, im Sinne von klassischer Erdkunde“, erläuterte Hemmer. Die Befragten schrieben der Geographie in der Schule aber eine mindestens ebenso große Bedeutung zu wie der Geschichte, Sozialkunde oder Biologie und erwarten sich insbesondere die Thematisierung von globalen Mensch-Umwelt-Beziehungen. „In welchen Fach sonst sollen Fragen von Mensch und Umwelt behandelt werden, wenn nicht in Geographie? Sie trägt nicht nur zur Vermittlung von Fachwissen, sondern auch zur politischen Bildung bei“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Kultus im Bayerischen Landtag, Martin Güll. Auch die Bildungsredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Anna Günther, sah im Hinblick auf aktuelle Themen eine Orientierungsfunktion durch das Schulfach Geographie: „Viele Fragen der Gegenwart lassen sich damit gut aufbereiten und kritisch hinterfragen. Wenn man ein kritischer Mensch werden will, muss man hinter die reinen Fakten blicken können.“ Daran anknüpfend beschrieb der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geographie, Prof. Dr. Werner Gamerith, dass sich das Fach sowohl wissenschaftlich als auch im Schulbetrieb durch die Kombination von vernetztem und räumlichem Denken auszeichne. „Eine solche umfassende Sicht- und Herangehensweise ist auch im Interesse künftiger Arbeitgeber“, erklärte Dr. Markus Pillmayer, der als ehemalige Geographie-Absolvent der KU nun Referent bei der IHK München/Oberbayern ist.

Nach so vielen Plädoyers für das Fach stellte sich – auch aus dem Publikum der Diskussionsrunde – die Frage, welchen Bedeutung Geographie künftig im Unterricht einnehmen solle? Als Landespolitiker plädierte Martin Güll dafür, die Gesamtzahl der Schulstunden nicht auszuweiten, zumal es ohnehin Begehrlichkeiten zur Schaffung weiterer Fächer gebe, die z.B. Orientierung im Medienbereich bieten sollen. Vielmehr müsse der Bildungsauftrag im Hinblick auf vernetztes Denken hinterfragt werden, ohne dass dabei ein Fach im Vordergrund stehe. „Geographie könnte hierbei jedoch eine gute Klammer bilden“, so Güll. Auch Dr. Jörg Steinwagner, Vorstandsmitglied   in der Landeselternvereinigung, plädierte dafür, die Lehrpläne über Fachgrenzen hinweg durchlässiger zu gestalten.