Vorkonferenz zu studentischen Initiativen in der Flüchtlingsarbeit und praxisnahe Workshops

Dass das Thema „Flucht und Migration“ nicht nur Herausforderungen für unsere Gesellschaft bereithält, sondern auch vielfältige Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigt, beweisen zahlreiche Studenteninitiativen, die sich speziell mit dieser Thematik auseinandersetzen. Engagierte Studenten stellten auf der Pre-Conference der Tagung zum Thema „Flucht und Migration“ an der KU ihre Ideen und Initiativen im Umgang mit Flüchtlingen und Migranten vor. Außerdem fanden im Hauptprogramm der Tagung zahlreiche Workshops statt, die wir hier kurz zusammenfassen wollen.

Die Studierendenkonferenz zeigte, dass mit Kreativität, Ideenreichtum und dem Wunsch zu Helfen einiges im Bereich der Flüchtlingshilfe erreicht werden kann – und bereits wurde. Nach einleitenden Grußworten von Universitätspräsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien und Vizepräsiden Prof. Dr. Markus Eham bekamen die verschiedenen Initiativen die Möglichkeit, ihre Ideen und Konzepte in jeweils fünf Minuten kurz und prägnant vorzustellen. „Das Besondere aller Initiativen ist das Schaffen eines Denk-, Forschungs- und Dialograums, in denen Menschen lernen sich als Gäste und Gastgeber zu begegnen“, so Eham.

Folgende Initiativen waren Thema der Vorkonferenz:

tun.starthilfe e.V.

Bereits seit 2012 engagieren sich Studenten der KU und ehrenamtliche Helfer bei tun.starthilfe e.V. für Flüchtlinge im Landkreis Eichstätt. Der Verein ist sowohl Arbeitskreis als auch studentisches Freimodul für Studierende aller Fachrichtungen an der KU. Die Initiative ermöglicht Flüchtlingen im Landkreis den Zugang zur deutschen Sprache durch individuellen Unterricht und Begleitung vor Ort. „Wir sind sehr froh zu sehen, wie viele Menschen sich für das Thema Flüchtlingsarbeit interessieren und aktiv werden“, freut sich Stefan Arndt, Student an der KU und seit 2013 Mitglied bei tun.starthilfe.

Campusasyl

Campusasyl aus Regensburg sieht sich als Netzwerk für neue Ideen, Initiativen und eigene Projekte im Bereich Flüchtlingsarbeit. Im Mittelpunkt steht der Deutschunterricht in Erstaufnahmeeinrichtungen, aber auch Sport, Musik und gemeinsames Kochen mit Flüchtlingen helfen dabei, den interkulturellen Kontakt herzustellen. „Wichtig ist, dass sich die Flüchtlinge bei allen Aktivitäten einbringen können und sich gleichberechtigt fühlen“, erzählt Lisa Singer, Vorstandsmitglied bei Campusasyl. Mittlerweile engagieren sich in der Initiative circa 400 Ehrenamtliche und mit Hilfe von Spenden konnten sogar zwei volle Stellen geschaffen werden.

Integreat

Das Projekt Integreat der TU München stellt lokale Informationen für Flüchtlinge in einer kostenlosen App zur Verfügung und ist somit ein ganzheitliches Serviceökosystem für Städte, Landkreise und Initiativen zur Integration von Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund. Wo ist die nächste Kleiderkammer und wann hat eine bestimmte Behörde geöffnet? Mit der Integreat-App lassen sich diese Fragen leicht, schnell und kostenlos beantworten.

Hochschule ohne Grenzen e.V.

Das Projekt der Universität Oldenburg unterstützt Studenten, die aus ihren Heimatländern flüchten mussten und ihr Studium nun in Deutschland wiederaufnehmen wollen. Unter anderem organisiert Hochschule ohne Grenzen e.V. Sprachunterricht an der Universität in Form von Sprachtutorien und Fachbegleitungen -- für Studenten durch Studenten. Außerdem hilft die Initiative bei Fragen rund ums Studium, wie Finanzierung und Wohnsituation.

InteGREAT Wien

Bei InteGREAT Wien haben sich Studentinnen und Studenten zusammengefunden, die sich in Volksschul- und Integrationsklassen engagieren, um Kinder mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Die Initiative sieht ich als Unterstützung für Schulen mit hohem Migrationsanteil, welcher besonders in Wien rasant zugenommen hat.

Vielfalt Boden bereiten

Das Projekt der Eichstätter Masterstudentin Alice Wichtmann bringt bei einem wöchentlichen Termin im Kapuzinergarten sowohl Eichstätter Bürger und Studierende als auch geflüchtete Menschen beim gemeinsamen Gärtnern zusammen. Ziel der Initiative ist es, den Geflüchteten die Möglichkeit zu eröffnen, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen und sie in der Fremde wieder im wörtlichen Sinn Boden unter den Füßen spüren zu lassen. Darüber hinaus stellen auch der Kontakt zu den Eichstättern und der Anbau eigenen Gemüses wichtige Bausteine des Projektes dar.

Hochschulgruppe Amnesty International Eichstätt

Auch Amnesty International engagiert sich mit seiner Hochschulgruppe in der Flüchtlingshilfe. So fanden bereits gemeinsame Projekte und Vorträge mit tun.starthilfe sowie anderen politischen Hochschulgruppen der KU statt.

 

Workshops "Praxisgeleitete Handlungs- und Forschungsfelder an der KU"

Weiterbildungsformate für Lehrkräfte und Lehramtsstudierende

Mit der steigenden Zahl an Geflüchteten wächst auch die Zahl an nicht-deutschsprachigen Kindern und Jugendlichen an deutschen Schulen, die besondere pädagogische und sprachdidaktische Zuwendung brauchen. Dies stellt vor allem die Lehrkräfte vor völlig neue Herausforderungen: Wie gehe ich mit Kindern um, die über wenig bis gar keine Deutschkenntnisse verfügen und auf Grund ihrer teils traumatisierenden Fluchterfahrungen besondere Zuwendung benötigen?

„Im Workshop wollen wir mit Lehrkräften, aber auch angehenden Lehrern klären, wo die Probleme beim Umgang mit Kindern mit Migrationshintergrund in der Praxis liegen“, so Prof. Dr. Stefan Seitz, Leiter des Praktikumsamts für Grund- und Mittelschulen an der KU und Dozent am Lehrstuhl für Schulpädagogik. „Das Unterrichten dieser Kinder setzt Kompetenzen voraus, deren Erwerb in der regulären Lehramtsausbildung bislang noch nicht obligatorisch ist.“ Deshalb sei es besonders wichtig, durch das Sammeln von Erfahrungen auch das Lehramtsstudium sukzessive zu erweitern und praktizierende Lehrer insbesondere bei der Sprachförderung zu unterstützen.

An der Diskussion beteiligten sich Lehrkräfte aus den unterschiedlichsten Fach- und Schulrichtungen, wie beispielsweise Grund-, Mittel-, Berufs- und Waldorfschule. Es erfolgte ein reger Austausch über Probleme in der Schulpraxis und mögliche Lösungen. Im Zuge dessen stellten Prof. Dr. Johanna Meixner, Professur für Didaktik des Deutschen als Zweitsprache und Christine Heimerer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur ihr Pilotprojekt zur Förderung nicht-deutschsprachiger Schüler vor. Lehramtsstudenten können sich seit dem Wintersemester 2015/ 2016 über das Modul „EduCulture“ für das Projekt anmelden. Dieses wurde extra breit gefächert angelegt, damit die Studenten optimal auf ihre spätere Lehrtätigkeit – auch im Umgang mit Kindern ohne deutsche Sprachkenntnis – vorbereitet werden.
Stefanie Dürr

 

PTBS bei unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen

In Deutschland angekommen sind die Flüchtlinge am Ziel. Sie haben alles, was bis zum Zeitpunkt ihrer Flucht zu ihrem Alltag gehört hat, hinter sich gelassen: Den Krieg, die Verfolgung, ihre Heimat und oft sogar ihre Familie. Vom gefährlichen Weg aus den Kriegsgebieten bis nach Europa, in die Sicherheit, wird viel berichtet. Von den Schleppern, Schlauchbooten und Flüchtlingslagern. Doch was in den Köpfen der Geflüchteten passiert, das wird oftmals gänzlich außer Acht gelassen. Denn ganz so einfach ist es nicht, den Krieg und die Zerstörung hinter sich zu lassen und neu anzufangen.

Viele Asylsuchende leiden unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, kurz PTBS. Prof. Dr. Rita Rosner und Dr. Johanna Unterhitzenberger helfen in der Hochschulambulanz in Ingolstadt den jugendlichen - und oftmals unbegleiteten - Flüchtlingen im Alter von drei bis 18 Jahren diese psychische Erkrankung hinter sich zu lassen. In ihrem Vortrag im Rahmen der Tagung „Flucht und Migration“ haben sie den Anwesenden aus verschiedensten Fachbereichen erklärt, wie ihre Psychotherapie, die TF-KVT Methode, funktioniert.

Laut Studien ist ein Fünftel der unbegleiteten Flüchtlingskinder von PTBS betroffen. Viele andere haben nur teilweise Symptome der Erkrankung, wie zum Beispiel Schlafstörungen oder Angst bei Lärm. Diese Kinder können sich manchmal, in einem sicheren Umfeld mit guter Betreuung, ohne Psychotherapie erholen. Bei PTBS brauchen die Kinder und Jugendlichen aber dringend professionelle Hilfe.

Diese bekommen sie in der Hochschulambulanz bei Professor Rosner und Dr. Unterhitzenberger. Dort werden die Symptome der Kinder beobachtet und unter strengen Kriterien eingeordnet. Zudem muss gewährleistet sein, dass den Jugendlichen keine Abschiebung droht, sie müssen für mindestens vier Monate sicher in Deutschland bleiben dürfen. Dann erst kann eine Therapie begonnen werden.

Die Psychologinnen arbeiten ohne Medikamente, dafür braucht aber jeder Patient eine Bezugsperson, die auch etwas über die Therapie lernt. Dadurch sollen die unbegleiteten Flüchtlinge Unterstützung erfahren. Die Therapie ist in drei Phasen gegliedert: Stabilisierung, Konfrontation und Integration. Um den Kindern zu helfen, das schlimmste Erlebnis ihres Lebens zu verarbeiten, schreiben sie gemeinsam mit den Therapeuten ein Buch darüber oder malen einen Comic. Dadurch soll die Intensität der Gefühle abnehmen und die Flüchtlinge gewinnen die Kontrolle über ihre eigenen Erinnerungen zurück.

Bisher hat diese Methode der Therapie bei 70 bis 80 Prozent der behandelten unbegleiteten Flüchtlinge geholfen. Die Symptome haben sich verringert. Trotzdem warnen die beiden Therapeutinnen vor dem Wunsch nach sofortiger Verbesserung und verwenden dafür eine Metapher: „Es ist wie bei einem gebrochenen Bein. Man muss eine Schiene tragen und warten. Genauso muss man auch bei der Psychotherapie Geduld haben, bis alles wieder gut verheilt ist“.
Selina Clases

 

Flucht und Migration in der Medienberichterstattung

Seit vielen Monaten wird fast täglich über Flucht und die „Flüchtlingsproblematik“ in den Medien berichtet. Zusammen mit Workshop-Teilnehmern analysierten Susanne Wegner, Stefan Arndt und Sebastian Zahn ausgewählte Beispiele aus der Medienberichterstattung. Am Anfang des Workshops wurden die Funktionen der Massenmedien und Nachrichtenfakoren sowie die Arbeit der Journalisten deutlich gemacht, um eine Grundlage der Analyse zu schaffen.

Der Rückblick auf die Flüchtlings-Berichterstattung des Jahres 2015 zeigte, dass eine sogenannte „Wellenbewegung“ stattfand, die mit der Stereotypisierung von armen oder auch „kriminellen“ Flüchtlingen begann. Im Laufe des Jahres konnte beobachtet werden, wie die Empathie der Medien gegenüber Flüchtlingen wuchs. Die Berichterstattung konzentrierte sich mehr auf Einzelschicksale und Porträts von Flüchtlingen. Die Protagonisten tauchen immer wieder in verschiedenen Medien auf, erst in der Presse, dann in Talkshows. Vor allem Kinder wurden dabei in den Fokus der Berichte gestellt und immer wieder Fotos von trauernden und leidenden Kinder gezeigt.

Von August bis September 2015 war die Flüchtlingskrise das bestimmende Thema in der Medienberichterstattung. Diskussionen über die Obergrenze, Angriffe auf Flüchtlingsheime und Bilder von Toten auf dem Weg nach Europa. Der Höhepunkt dieser zweiten Welle war der Tod des syrischen Flüchtlingsjungen Aylan, der ertrunken an einem türkischen Strand angespült wurde. Dieser Vorfall löste die „deutsche Willkommenskultur“ aus. Jubelnde Bürger standen an Bahnhöfen, begrüßten die erleichterten Flüchtlinge. Die nächste Welle der Berichterstattung folgte mit einer Veränderung ins andere Extrem.

Erneut wurden mehrere Flüchtlingsheime angegriffen. Diskussionen entstanden, wie lange die Hilfswelle noch standhalten kann, Grenzkontrollen folgten. Nach großer Empathie berichteten die Medien Ende des Jahres 2015 objektiv, wollten sich auf keine Seite mehr stellen. Es schien so, als wäre das Schwarz-Weiß-Denken aufgebrochen. Sie versuchten zu erklären, warum sie vorher mit großer Empathie berichtet hatten, versuchten, Flüchtlingen die deutschen Werte und Regeln zu vermitteln.
Luisa Lamm

 

Integration durch ästhetische Bildung

„Musik und Kunst haben die Fähigkeit ein integratives Handwerk zu sein.“ Davon sind Daniel Mark Eberhard (Musikpädagogik) und Rainer Wenrich (Kunstpädagogik) überzeugt. Beide lehren an der KU und hatten innerhalb der Tagung zu einem Workshop eingeladen, der sich mit der integrativen Kraft der Künste auseinandersetzte. Im Anschluss daran konnten die Teilnehmer mit den beiden Wissenschaftlern über die Perspektive und Chancen diskutieren. Für einen ersten groben Überblick sorgten die beiden Moderatoren anfangs mit einem kurzen Vortrag zu ihren jeweiligen Fachgebieten. Den Anfang macht hierbei Eberhard mit der musikpädagogischen Sichtweise.

Dabei kam er auf zahlreiche Beispiele zu sprechen, in denen Musik auch heute schon die Integration von Menschen fördere. Sehr beeindruckt habe ihn der beispielsweise der syrische Musiker Aeham Ahmad aus Jarmuk, welcher auf den zerbombten Straßen Klavier spiele und damit ein Stück weit Hoffnung in die zerstörten Nachbarschaften bringe. In Bezug auf Integration in Deutschland lobte Eberhard das Projekt „Willkommen mit Musik“ des Deutschen Musikinformationszentrums, das auch in Eichstätt zahlreiche Projekte veranstaltet. „ Auch unsere Universität in Eichstätt ist ein gutes Beispiel für eine Universität, die ihre Türen für musikalische Integration öffnet“, so Eberhard.

Rainer Weinrich, der den zweiten Teil des Vortrags übernahm, wies darauf hin, dass auch die Kunst in vielen Fällen ein gutes Beispiel sei, um eine Begegnung verschiedener Kulturen darzustellen. Das betrifft natürlich nicht nur Pablo Picassos Werk „Les Demoiselles d’Avignon“, anhand dessen er die Überschreitung kultureller Grenzen erklärte. Bilder würden darüber hinaus helfen, andere Kulturen besser zu verstehen. Deshalb können sowohl Kunst als auch die Musik ein Mittel sein, um ein besseres Miteinander der Kulturen zu schaffen.

Benjamin Aifa