Wasserkraft und Gewässerökologie in Einklang bringen

Wie lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf Flüsse wie den Lech verringern und wie kann man die CO2-freie Stromerzeugung durch Wasserkraft mit den Belangen der Gewässerökologie besser in Einklang bringen? Diesen Fragestellungen geht das von der EU geförderte Projekt „Controlling Temperature and Oxygen in rivers with diversion power plants“ (CONTEMPO2) in den nächsten Jahren am Lech nach. Zu den wissenschaftlichen Partnern des Vorhabens gehört auch das Neuburger Aueninstitut der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), das Prof. Dr. Bernd Cyffka (Professur für Angewandte Physische Geographie) leitet. Dabei werden die Forschenden des Instituts ihre langjährige nationale und internationale Expertise im Hinblick auf die Renaturierung von Auen einbringen. Die Projektleitung liegt bei der LEW Wasserkraft GmbH.

Zur Stromerzeugung durch Wasserkraft wurde vor über 100 Jahren nördlich von Augsburg auf einer Länge von etwa 20 Kilometern ein Kanal geschaffen, der parallel zum Lech verläuft und sich aus dessen Wasser speist. Er zweigt bei Gersthofen ab, leitet das Wasser an drei Kraftwerken vorbei und mündet bei Meitingen wieder in den Lech. Aufgrund des Klimawandels ist in den nächsten Jahren in europäischen Flüssen mit niedrigeren Abflüssen und höheren Wassertemperaturen zu rechnen. Dies wirkt sich negativ sowohl auf die klimafreundliche Energieerzeugung aus Wasserkraft als auch und auf das Ökosystem Fluss aus. Denn viele heimische Fischarten sind auf kaltes und sauerstoffreiches Wasser angewiesen. Zugleich haben die absehbaren Veränderungen auch Auswirkungen auf Flussauen entlang des Lechs. „Auen stellt der Klimawandel generell vor massive Probleme. Sehr häufig ist die direkte Verbindung zum Gewässer bereits deutlich gestört. Regelmäßige und geplante Flutungen widersprechen jedoch häufig der intensiven Nutzung der Gewässer durch den Menschen – etwa durch Wasserkraft. Kleinere Gewässer, die noch Wasser in die Aue bringen, fallen immer häufiger trocken, wertvolle Habitate und seltene Arten gehen damit verloren“, erklärt Sebastian Blaß, Projektmitarbeiter des Aueninstituts bei CONTEMPO2.

Deshalb soll im Rahmen des Projektes an mehreren Stellen über spezielle Kanäle Wasser aus dem Lechkanal in die Auwälder geleitet werden. Das Wasser wird – wie Blaß betont – bewusst aus dem Lechkanal und nicht aus dem Lech selbst entnommen: „Hierdurch wird das sensible Ökosystem im Lech selbst nicht verändert, das Wasser kann aber solange wie möglich zur Energiegewinnung genutzt werden.“

Auwald bei Neuburg an der Donau
Auwald bei Neuburg an der Donau

Das Aueninstitut wird sowohl die Planung und Entwicklung der Gewässer unterstützen als auch deren Entwicklung wissenschaftlich begleiten. Zu Projektbeginn wird dabei auch eine umfangreiche Bürgerbeteiligung und Zusammenarbeit mit den Behörden stehen. „Viele der Flächen die im Projekt bearbeitet werden, liegen in zwei wertvollen ,Flora-Fauna-Habitat'-Schutzgebieten. Eine umfassende Kooperation mit allen Akteuren vor Ort ist daher von entscheidender Bedeutung“, erklärt Blaß. Neben der Bestandaufnahme und der Umsetzung konkreter Maßnahmen gehört insbesondere das Monitoring zu den Aufgaben des Aueninstituts. Sprich: Wie wirkt es sich auf die Tier- und Pflanzenwelt aus, wenn man einen Fluss wieder mit dem angrenzenden Auwald verbindet? Und welche Eigendynamik entwickeln Gewässer innerhalb des Auwaldes? Hierzu hat das Aueninstituts langjährige Expertise: Seit 15 Jahren untersuchen die Forschenden an der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt, welche langfristigen Auswirkungen Maßnahmen der Renaturierung haben. Dort wurde innerhalb des verbliebenen Auwalds ein acht Kilometer langes natürliches Umgehungsgewässer angelegt. Über neue Ausleitungsstellen im Uferdamm der Donau finden zusätzlich so genannte „ökologische Flutungen“ statt, die den Wald wieder zum naturähnlichen Auwald machen sollen. Deutlich gemacht haben die Untersuchungen des Aueninstituts an der Donau, die national und international große Aufmerksamkeit in der Fachwelt erfahren haben, dass es Zeit braucht, bis die Natur sich den Auwald zurückerobert. Vogel- und Fischarten seien schon bald nach den ersten Flutungen zurückgekehrt, Käfer und andere Insekten zeitverzögert. Doch je geringer die Mobilität der Arten ist, desto länger dauert es, bis sich positive Entwicklungen beobachten lassen. Bei Baumarten sei dies daher ein besonders langer Prozess.
    
CONTEMPO2 versteht sich als Leuchtturmprojekt, das durch gezielte Maßnahmen zwei zentrale Herausforderungen der EU angeht: Die Sicherstellung einer nachhaltigen Energiegewinnung und die Stärkung der Flussökologie. Neben der Gewässerökologie ist die Sozialfunktion des Lechs als Naherholungsgebiet und Ort der Umweltbildung ein erklärtes Ziel des Projektes. Dieses wird wird in den nächsten Jahren gemeinschaftlich mit Kommunen, Behörden, Verbänden und Bürgern am Lech entwickelt. Wissenschaftliche Partner sind neben dem Aueninstitut der KU auch die Universitäten Augsburg und die TU München. Die Erkenntnisse des Vorhabens sollen europaweit auf vergleichbare Flüsse mit Ausleitungsstrecken übertragen werden.