Wenn Religion und Politik verschmelzen – Dahlke über Trump und die USA

Religion spielt in der US-amerikanischen Politik traditionell eine große Rolle. Wie stark sie rund um die Amtseinführung des neuen Präsidents Donald Trump in den Fokus rückte, ist dennoch ungewöhnlich. Prof. Dr. Benjamin Dahlke, Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik und Dogmengeschichte an der KU, stellt aktuell eine besonders starke Verschmelzung der Bereiche fest.

Direkt in seiner Rede zur Amtseinführung am Montag machte US-Präsident Donald Trump sein Selbstverständnis deutlich: „I was saved by God so I can make America great again.“ Das Attentat auf Trump im Juli 2024 griffen auch zwei Geistliche in ihren Gebete vor dem Amtseid auf. Sowohl der katholische New Yorker Kardinal Timothy Dolan als auch der Baptistenprediger Franklin Graham betonten, Gott selbst habe Trumps Tod verhindert. Ein schwieriges Narrativ, findet Dahlke: „Ich frage mich, wie man auf eine solche Weise vom Handeln Gottes in der Geschichte sprechen kann.“ Es werde suggeriert, Gott habe einen konkreten Plan und verwende dafür bestimmte Menschen. Stelle man sich gegen diese Auserwählten – in diesem Fall Trump –, stelle man sich letztlich gegen Gott. Eine solche Auffassung sei gefährlich in einer liberalen Demokratie, die von wechselnden Mehrheiten und Meinungsvielfalt lebe. „Diese Dimension der Demokratie darf nicht durch autoritäre Denkfiguren aufgehoben werden.“

Dass die ursprünglich evangelikale Sichtweise sich verbreitet, liegt auch an Trump selbst, der bereits im Wahlkampf darauf verwies, Gott habe ihn gerettet. Warum, sei von außen schwer zu sagen, meint Benjamin Dahlke: „Ich bin mir nicht sicher, ob Trump die Aussagen über Gott ernst meint oder ob das vor allem politische Inszenierung ist – vielleicht ist es beides.“ Als besonders religiös sei Trump, der immerhin zwei Jahre an der jesuitischen Fordham-Universität studierte, in der Vergangenheit nicht hervorgetreten. Gleichzeitig zählten auffallend viele Evangelikale und Katholiken zu den Gästen der Amtseinführung. „Das sind tragende Wählergruppen, die den Sieg der Republikaner mit bewirkt haben“, erklärt Dahlke. Bei der Wahl der Gäste habe sich allgemein eine stärkere Repräsentanz der Wählergruppen als der gesamten Nation gezeigt.

Prof. Dr. Benjamin Dahlke
Prof. Dr. Benjamin Dahlke

Doch nicht in allen christlichen Kreisen stößt Trump auf Begeisterung. Die episkopale Bischöfin von Washington DC, Mariann Edgar Budde, appellierte im Dankgottesdienst am Tag nach der Amtseinführung öffentlich an Trump, sich barmherzig insbesondere gegenüber Migranten und LGBTQI+-Menschen zu zeigen: „In the name of our god, I ask you to have mercy upon the people in our country, who are scared now.“ Trump reagierte distanziert, bezeichnete sie später als radikal linke Trump-Hasserin und forderte eine Entschuldigung. Dahlke weist auf die beidseitige Vermischung der Sphären hin: „Die Trennung von Religion und Politik wird auch hier nicht aufrechterhalten. Ist es wirklich Sache der Politik, Erbarmen zu zeigen? Oder ist es nicht vor allem deren Aufgabe, gemäß Verfassung und geltendem Recht vorzugehen?“ Eine Verquickung von Religion und Politik sei in den USA seit Martin Luther King zu erkennen und vielleicht nicht bis ins letzte vermeidbar, aber: „Ich sehe es als Aufgabe der Theologie und der Politikwissenschaft, diese Verquickung kritisch zu reflektieren und zu diskutieren, inwiefern man Religion und Politik verbinden sollte oder eben auch nicht.“

Der Papst gratulierte – als Staatsoberhaupt des Vatikans, nicht als Kirchenoberhaupt – Trump zur Amtseinführung, verband das aber mit einem Wunsch: „Ich hoffe, dass das amerikanische Volk unter ihrer Führung gedeihen und sich stets für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft einsetzen wird, in der es keinen Platz für Hass, Diskriminierung oder Ausgrenzung gibt.“ Eine große Wirkung dürfe man sich davon allerdings nicht erhoffen, sagt Theologie-Professor Dahlke: „Manche konservativen Katholiken in den USA geben nicht mehr viel auf päpstliche Äußerungen – ich sehe hier aktuell eine Form des Katholizismus, die ganz gut ohne Hierarchie auskommt.“ Dass Katholiken tatsächlich eine sehr wichtige Wählergruppe für Trump waren, führt Dahlke auch darauf zurück, dass bei der Wahlentscheidung dessen moralisches Profil nur ein Aspekt von vielen war: „Das Zweiparteiensystem ist eine Herausforderung – hier gibt es nur das vereinfachende Entweder-Oder. Beispielsweise haben wohl viele den Kandidaten Trump billigend in Kauf genommen, um nicht die Wirtschaftspolitik der Demokraten wählen zu müssen.“ Allerdings gebe es auch Katholiken, die Trump aus Überzeugung wählten. Hier fiel unter anderem die Frage der Abtreibung ins Gewicht.