Wie lange darf man um einen verstorbenen Menschen trauern?
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, dann brauchen Angehörige Zeit, um diesen Verlust zu verarbeiten. Manche tun sich schwer darin. Wie lange ist ein Trauern über eine verstorbene Person normal? Wann wird aus dem Zustand des Trauerns eine psychische Erkrankung. Die Hochschulambulanz der KU forscht über die so genannte Anhaltende Trauerstörung. Psychologin Prof. Dr. Rita Rosner wurde jetzt vom Magazin „Der Spiegel“ dazu interviewt.
Vor kurzem sind die Klassifikationssysteme für psychische Erkrankungen überarbeitet worden – dabei wurde die Diagnose „anhaltende Trauerstörung“ als Krankheitsbild aufgenommen. Eine solche liege vor, wenn jemand den Tod eines geliebten Menschen nicht akzeptieren könne, verbittert und wütend sei und aufgrund der fortdauernden Trauer derart eingeschränkt sei, dass der Alltag kaum oder nicht mehr bewältigt werden kann, erläutert Rosner im Gespräch mit dem „Spiegel“ (Ausgabe 15/2022). Rosner zeigt sich froh darüber, dass diese psychische Störung nun als Krankheitsbild mit klaren Kriterien klassifiziert sei. „Nun erst wird ausreichend erforscht, wie wir die Patienten richtig behandeln können. Viele wurden bislang mit Antidepressiva therapiert, doch die wirken bei Trauer nicht“, so Rosner.
Die Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische und Biologische Psychologie an der KU führt weiter aus, dass Studien zufolge etwa vier Prozent der Hinterbliebenen unter einer anhaltenden Trauerstörung litten. Jedoch gehe sie davon aus, dass die Zahlen coronabedingt gestiegen seien, weil zuletzt viele Menschen einen Angehörigen plötzlich verloren haben. Ein plötzlicher Tod stelle nämlich einen bedeutenden Risikofaktor für eine Trauerstörung dar – ebenso wie der Verwandtschaftsgrad, mangelnde Unterstützung aus dem sozialen Umfeld oder finanzielle Sorgen der trauernden Person.
Das so genannte Trauerjahr hält Rosner für einen guten Maßstab für eine normale Phase der Trauer. Manche Menschen verarbeiteten den Verlust eines Mitmenschen bereits nach sechs Monaten, bei Kindern hingegen dauere der Prozess in der Regel länger, weil gerade jüngere Kinder den Tod erst einmal verstehen müssen. „Sie müssen erst mal begreifen, dass sich jemand nicht nur versteckt oder im Urlaub ist, sondern wirklich nicht wiederkommt. Das verzögert den Trauerbeginn“, so Rosner. Allgemein müsse man bei Trauernden Geduld aufbringen. „Trauern ist ein langsamer Prozess.“ Rosner rät im Umgang mit Trauernden, die Betroffenen zu fragen, was diese brauchen – ihre Ruhe oder ein regelmäßiges Sprechen über den Verlust.
Die Hochschulambulanz der KU forscht zum Thema Trauerstörung – und bietet Betroffenen eine Therapie an. Die anhaltende Trauer als psychische Erkrankung ist dabei nicht auf ältere Menschen beschränkt, daher steht das Angebot für alle Personen ab 18 Jahren offen ist. Vor der eigentlichen Therapie finden mehrere Vorgespräche statt, um genau zu diagnostizieren, ob eine Anhaltende Trauerstörung vorliegt. Die eigentliche Behandlung dauert ca. ein halbes Jahr und umfasst rund 25 Sitzungen, die – wie erste Zwischenergebnisse zeigen – zu einer deutlichen Besserung der Symptome führt. Anlaufpunkt zur Teilnahme an der PROGRID-Studie sind Behandlungszentren in Ingolstadt, München, Frankfurt, Marburg und Leipzig.
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