Wissenschaft unter der Diskokugel: Auftakt zur Kleinen-Fächer-Woche in der Wissensarena

Bühnennebel, Lichtshow – und mittendrin Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der KU, die in einer Disko aus ihren Fachgebieten berichten: Zum Auftakt der „Kleinen-Fächer-Woche“ am Dienstag hat das Organisationsteam der Reihe von KU.impact bewusst einen Ort für die Auftaktveranstaltung gewählt, der das Motto der Aktionswoche „Andere Zeiten – andere Räume“ aufgriff. Mit der Reihe stellt die KU derzeit für die breite Öffentlichkeit die Fächer Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Musikpädagogik, Kunstpädagogik, Europäische Ethnologie, Lateinamerikastudien sowie das Fach Christlicher Orient in den Mittelpunkt. Gefördert wird die Aktionswoche von der Hochschulrektorenkonferenz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die beteiligten Fächer sind in Deutschland pro Universitätsstandort mit nicht mehr als drei Professuren vertreten und zählen damit zu den Kleinen Fächern.

„Eine Wissensgesellschaft wie unsere tut gut daran, auch wenig populären Themen Raum zu geben und ungewöhnliche Fragestellungen zu ermöglichen“, sagte KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien bei der Eröffnung der „Wissensarena“, die Gelegenheit bot, direkt Fragen an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu stellen. Oft seien es die sogenannten „Kleinen Fächer“, die im Verbund mit anderen Disziplinen diese wichtige Aufgabe übernehmen. Sie dienen der Pluralität der Blickwinkel ebenso wie der Vielfalt des Wissens. „Der englische Rasen ist kein Idealbild für die Wissenschaft. Wir brauchen die Vielfalt, nicht die gleichlangen Halme eines pedantisch gepflegten Rasens“, so Gien. Die Kleine-Fächer-Woche greife zudem das Anliegen eines stärkeren Transfers von Wissenschaft in die Gesellschaft hinein auf.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betraten begleitet von individuell zugeschnittener Musik – etwa Filmmusik aus „Indiana Jones“ für die Klassische Archäologie – die Wissensarena, in der sie über die Entwicklung und Relevanz ihrer Fächer berichteten sowie auf Fragen aus dem Publikum eingingen. So schilderte Philipp Köhner (wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte), dass sich sein Fach mittlerweile nicht nur großen Persönlichkeiten und deren Wirken zuwende, sondern auch der zeitgenössischen Mentalitätsgeschichte – etwa anhand von Orten wie Pompeji, die Einblick in das Alltagsleben böten. „Generell realisiert man durch das Studium, welches Fundament die Griechen und Römer gelegt haben, das die europäische Kultur bis heute trägt“, so Köhner.

Für das Fach Christlicher Orient, das an der KU durch die gleichnamige Forschungsstelle vertreten ist, berichtete Joachim Braun über das breite Themenspektrum dieses Gebietes, das von historischen Fragestellungen zum Christentum im Orient bis zur aktuellen Situation von Christen im Nahen Osten reicht. Anhand eines aktuellen laufenden Projektes, bei dem Handschriften in ägyptischen Klöstern digital bewahrt werden, illustrierte er, wie sehr sich Forschende auf die Mentalität vor Ort einlassen müssen, um persönliches Vertrauen aufzubauen und so an Erkenntnisse zu gelangen: Über Tage hinweg wurden die Forscher zunächst durch eine weitläufige Klosteranlage geführt und nebenbei auf ihre Vertrauenswürdigkeit hin geprüft. Erst vor der Abreise erhielten sie dann einen Datenträger, auf dem sich bereits digitalisierte Handschriften befanden.

Gerhard Schönhofer (Mitarbeiter der Professur für Europäische Ethnologie) wiederum erläuterte die Unterscheidung seines Faches zur Ethnologie, die fremde Kulturen zum Thema hat. Europäische Ethnologie hingegen betreibe Forschung in der eigenen Kultur. „Wir wollen verstehen, was passiert, wenn Menschen Gemeinschaften bilden“, so Schönhofer. Dabei sei die teilnehmende Beobachtung eine gängige Methode, bei der die Forscherinnen und Forscher sich sichtbar in einem Setting bewegen. Wer zum Beispiel Weihnachtstraditionen in der Oberpfalz erforschen wolle, müsse dabei reflektieren, welchen Einfluss die eigene Anwesenheit auf die jeweilige Situation hat. „Doch auch im Labor muss man Faktoren berücksichtigen, die das Ergebnis beeinflussen.“ Europäische Ethnologie habe ihm dabei geholfen, seine eigene Weltsicht zu finden.

„Wir sind keine Schatzsucher“, betonte die Archäologin Jun. Prof. Dr. Nadin Burkhardt – auch wenn es natürlich ein besonderer Moment sei, bei einer Grabung beispielsweise Funde einer Kultur aus dem 8. Jahrhundert vor Christus in Händen zu halten. Zudem gehöre die Bibliotheksarbeit ebenso dazu wie die Arbeit im Feld, bei der vor Ort meist mit Experten anderer Disziplinen wie Anthropologen oder Restauratoren kooperiert werde. Während Archäologie früher sehr auf Kunstgeschichte bezogen gewesen sei, versuche man heute aktuelle Fragestellungen aufzugreifen, um Rückschlüsse zu ziehen, wie zu früheren Zeiten etwa mit Fragen von Migration umgegangen worden sei.

Welchen Einfluss hat Kunst auf die Persönlichkeitsentwicklung im Umfeld von Schule? Für Prof. Dr. Rainer Wenrich, Inhaber der Professur für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik, bildet diese Frage ein zentrales Forschungsinteresse seines Faches. In der Ausbildung von angehenden Lehrerinnen und Lehrern gehe es daher auch nicht um vorgegebene Muster, sondern um einen Anstoß zur persönlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. „Es geht nicht um das Ergebnis, sondern um die Prozesse, die mit den Personen geschehen“, so Wenrich. Zudem nehme das Fach beispielsweise auch in den Blick, welche Strategien Künstlerinnen und Künstler verfolgen, um gesellschaftliche Veränderungsprozesse anzustoßen.

Als Direktorin des Zentralinstituts für Lateinamerikastudien (ZILAS) betonte Prof. Dr. Miriam Lay Brander, dass man das Fach nur an wenigen Standorten in einer solchen Breite studieren könne wie an der KU. Das Themenspektrum reiche dabei von der Geschichte, Politik und Wirtschaft bis hin zu den verschiedenen Ethnien, Gesellschaften und Kulturen – auch vor dem Hintergrund der Kolonialzeit. „Wir in Europa können durch die Beobachtung dieser Entwicklungen selbst lernen“, so Lay Brander. Lateinamerika habe weit mehr zu bieten als Revolutionen und Diktaturen. Der Begriff Lateinamerika wurde übrigens erst Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt und nimmt Bezug auf die romanischen Sprachen – mit einem kleinen Sprung in der Systematik, denn die französischsprachige Karibik oder die kanadische Provinz Quebec werden nicht dazu gezählt.

„Musik wird häufig mit Hochkultur gleichgesetzt. Aber es gibt viele individuelle Zugänge für Musik für die breite Bevölkerung“, sagte Prof. Dr. Daniel Mark Eberhard, der als Inhaber der Professur für Musikpädagogik und Musikdidaktik an der KU Einblick in sein Fach gab. Gerade vermeintlich unmusikalische Menschen an Musik heranzuführen und dabei gleichzeitig soziale Prozesse anzustoßen sei ein Anliegen der sogenannten Community Music, die einen Schwerpunkt in Eichstätt bildet. Über Generationen und Gesellschaftsschichten hinweg bildet dabei Musik gewissermaßen einen Türöffner für Kommunikation, Teilhabe und Aspekte von Sozialarbeit. Im Hinblick auf den klassischen Musikunterricht an Schulen, für den an der KU Lehrkräfte ausgebildet werden, kritisierte Eberhard, dass viele Stunden ausfielen oder fachfremd unterrichtet würden. „Dabei ist bekannt, dass bis zum 10. Lebensjahr grundlegende Strukturen für Musik angelegt werden“, so Eberhard.  

Die Wissensarena war der Auftakt für eine ganze Reihe weitere Veranstaltungen der beteiligten Fächer, deren Programm sich mit Detailinformationen unter www.ku.de/kleinefaecher findet.