Umkämpfte Wahrheiten - Zum Umgang mit gewaltsamer Geschichte in Kolumbien

Vortrag im Rahmen der Reihe K'Universale zum Thema „Welt - Krieg - Frieden“

Referenten: Thomas Fischer / Manuel Cardozo / Emily Molinari

Soziale Ungleichheit, Dominanz von Eliten in Wirtschaft und Politik und physische Gewalt kennzeichnen die kolumbianische Republik seit ihrer Gründung. Nach Bürgerkriegen haben Politiker immer wieder versucht, das Land zu befrieden. Ein nachhaltiger Frieden ist jedoch nie gelungen. Mit dem 2012 begonnenen Friedensprozess wollten die beteiligten Akteure Vieles besser machen. Zu den geplanten Transitionsinstrumenten gehörte eine Wahrheitskommission, die die lange Geschichte der Gewalt aufarbeiten sollte. Diese Kommission arbeitete mit innovativen Methoden in den von der Gewalt am stärksten betroffenen "Regionen", "Territorien" und "Gemeinden". Im Juni 2022 trat die Wahrheitskommission mit ihrem viele Tausend Seiten langen Wahrheitsbericht an die Öffentlichkeit. Wie kam die große Wahrheitserzählung der Kommission zustande? Wie hat diese Kommission angesichts der anhaltenden, hoch emotionalisierten, aggressiven, unversöhnlichen Kampagne der Friedensgegner in den sozialen Medien und den von der Oligarchie kontrollierten Leitmedien gearbeitet? Inwieweit ist es der Kommission gelungen, die Ergebnisse an die Bevölkerung zu kommunizieren und den Übergangsprozess zu unterstützen? Inwieweit ist es den Friedensgegnern gelungen, ihre "Wahrheit" in der Öffentlichkeit zu platzieren? Und was bedeutet der Kampf um Deutungshoheit und "Wahrheit" für das zukünftige Zusammenleben in dieser polarisierten Gesellschaft? Die Rolle der Medien, der Kommunikation und des Umgangs mit der "Wahrheit" stehen in der Literatur über Wahrheitskommissionen nicht im Vordergrund. In diesem Vortrag gehen wir besonders darauf ein. Außerdem interessiert uns auch die Kommissionsarbeit in den lokalen Gemeinschaften.

Die Vortragenden sind mit dem Eichstätter Lateinamerikaschwerpunkt verbunden. Manuel Cardozo ist Doktorand an der GGF, Thomas Fischer ist Professor für Geschichte Lateinamerikas, und Emily Molinari ist Studentin des binationalen Masters Conflict, Memory and Peace.


Über die K'Universale-Reihe „Welt - Krieg - Frieden“

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist die Gewalt des Krieges mitten in Europa eskaliert: Die damit verbundene Zerstörung und das unsägliche Leid in der Ukraine rütteln auf. Der Krieg prägt die öffentlichen Debatten in Europa, er setzt eine Gewaltspirale in Gang, deren Ende derzeit nicht absehbar ist. Zugleich fügt er sich in eine weltweite Dynamik der Gewalt und des Rechtsbruchs, in denen die Hoffnung auf eine neue Weltordnung und auf eine Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung zu zerbrechen droht. In der Enzyklika „Fratelli tutti“ spricht Papst Franziskus 2020 von einem „Dritten Weltkrieg in Stücken“ und wendet sich gegen die Vorstellung eines gerechten Krieges (FT 256-262).
Umso stärker zeigt sich die Notwendigkeit, nach Wegen zur Unterbrechung und Überwindung von Gewalt zu suchen, an der Wiederherstellung von Recht und an Möglichkeiten eines neuen Zusammenlebens zu arbeiten.
Die Sehnsucht nach Frieden bildet den Horizont der Ringvorlesung, in der Erfahrungen von Krieg und Gewalt thematisiert, Strategien zu ihrer Unterbrechung und Überwindung diskutiert, literarische Verarbeitungen besprochen und Ansätze der Friedensarbeit vorgestellt werden. Die globalen Herausforderungen kommen an lokalen Beispielen und Perspektiven in den Blick und werden aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und Praxisfeldern heraus beleuchtet.

Die Reihe wird von Prof. Dr. Miriam Lay Brander, Prof. Dr. Martin Kirschner, Prof. Dr. Thomas Fischer und Dr. Jochen Kleinschmidt organisiert.

Weitere Informationen zum Programm der Reihe unter www.ku.de/kuniversale.