Zum Wandel der Zukunftsvorstellungen in der deutschen Literatur

K'Universale 2021/22

Zukünfte

 

Zukunft hat Konjunktur. In Politik, Film und Literatur, in fiktionalen wie fachwissenschaftlichen Medien. Als Utopie und Verheißung oder als apokalyptisches Endzeitszenario. Lethaler Klimawandel und Umweltzerstörung oder zunehmende Selbstbestimmung und Wohlstand für alle? Wie schnell und wie weit wird sich unsere Lebenswelt verändern, in den nächsten 5, 10 oder 100 Jahren? Werden wir ganz neue Lebensformen erkunden (etwa auf Raumschiffen oder extraterrestrischen Kolonien)? Oder werden wir zurückkehren (müssen) zu einer asketischeren Lebensweise in naturnahen Grenzen? So heterogen wie die Gesellschaften geworden sind, so heterogen wird all das gesehen: Nicht zufällig hat die Zukunft im Plural Konjunktur.

 

Welche „Zukünfte“ sind es, die die Wissenschaften für uns entwerfen? Dem Pluriversum ihrer Modelle, Prognosen und Szenarien wollen wir uns in diesem Semester widmen. Und ausloten, was Philosophen, Theologen und Kulturwissenschaftler, Ökonomen, Soziologen und Politikwissenschaftler, Physiker, Mediziner und Stadtplaner von der Zukunft erwarten.

 

Dass die Zukunft endlich ist, wissen wir aus der Kosmologie, mit dem Big Rip ist alles vorbei! Erfreulicherweise wird das aber noch dauern.

 

Die Reihe wird von Prof. Dr. Dr. Manfred Brocker und Prof. Dr. Frank Zschaler organisiert.

Die Beschäftigung mit Zukunftsvorstellungen in der Literatur adressiert zugleich die Frage nach dem literarischen Wandel vom Erzählen der Zukunft, dem Erzählen des Zukünftigen, Noch-nicht-Eingetreten und Denkbar-Möglichen. Während die Romane des Hochmittelalters ein eschatologisches Geschichtsbewusstsein widerspiegeln, das auf der Vorstellung gründet, die Zukunft sei durch den Ratschluss Gottes geplant und daher eine individuelle langfristige Planung des eigenen Lebens verzichtbar, so ist in den frühen deutschsprachigen Prosaromanen schließlich eine Ablösung dieser Zukunftskonzeption zu identifizieren, die nach neuen Darstellungsformen verlangt. Der Beitrag widmet sich in Bezug auf diesen Wandel auch der spezifischen Rolle der Literatur, die sich als Raum der Reflexion, der Diskussion und im Anschluss an die Überlegungen Paul Ricœurs eventuell sogar als der wesentliche Zugang zur menschlichen Zeiterfassung begreifen lässt.

Frau PD Dr. Susanne Knaeble ist Privatdozentin an der Universität Bayreuth und vertritt im WS 2021 die Professur für Ältere und frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der TU Dresden

Weitere Informationen: www.ku.de/zukunft