Preis der Eichstätter Universitätsgesellschaft e.V.

Preisträger 2017 Dr. Franz Flögel, Geographie

Dr. Franz Flögel

Die mehr als 1400 regionalen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland gelten international als Vorbild für kundenorientierte Kreditvergabe, bei der nicht nur die Zahlen und Profite zählen, sondern auch Belange der regionalen Entwicklung und Arbeitsplätze. Die Dissertation von Franz Flögel mit dem Titel „Distance, Rating Systems and Enterprise Finance“ problematisiert dieses idyllische Bild regionaler Banken, die vor Ort und im Sinne der Kunden und Region agieren. Vor dem Hintergrund internationaler Bankenregulierung (Baseler Akkorde) und der Tatsache, dass alle Sparkassen die gleichen zentralisierten Ratingsysteme einsetzen, fragte die Arbeit danach, welche Rolle lokales Wissen und sogenannte weiche Informationen in der Firmenkreditvergabe überhaupt noch spielen.
Franz Flögel wählte für seine Arbeit einen ethnographischen Forschungsansatz, wozu er unter anderem eine zweimonatige teilnehmende Beobachtung in einer Sparkasse absolvierte. Im Detail wurden die Vergabepraktiken der beobachteten Sparkasse mit einer deutschen Großbankfiliale in derselben Region verglichen, die im direkten Wettbewerb zur Sparkasse um kleinere Firmen steht.
Der Vergleich überrascht: So entscheidet die Großbank oft sogar in größerer Kundennähe als die Sparkasse, da sie im Fall einer guten Ratingnote Entscheidungsbefugnisse bis zu einer Million Euro in die Filialen delegiert. Vergleichbare Kredite muss der Vorstand der Sparkasse genehmigen.
Jedoch demonstrieren die von Franz Flögel akribisch beschriebenen Kreditvergabefälle, dass die Sparkasse genau dann in größerer Nähe zum Kunden entscheidet, wenn weiche Informationen die Kreditvergabe maßgeblich beeinflussen. Firmen in finanzieller Notlage brauchen in der Regel neue Kredite um zu bestehen, weisen schlechtere Ratingnoten auf und ihre Überlebensfähigkeit hängt von weichen Faktoren, wie etwa der Belastbarkeit des Inhabers, ab. Während die Sparkasse flexibel und unter Berücksichtigung aller (harten und weichen) Informationen Kredite bewertet, egal wie schlecht das Ratingergebnis ist, entzieht die Großbank ihren Filialen bei schlechterer Ratingnote die Entscheidungsbefugnis, was die Berücksichtigung weicher Informationen erschwert.
Insgesamt zeichnet sich die Dissertation von Franz Flögel durch ihre bemerkenswerte Forschungsfrage und die ergiebige empirische Arbeit aus, wodurch ein wichtiger Beitrag zur viel diskutierten Frage geleistet wurde, welche Rolle räumliche Nähe überhaupt noch in der modernen Bankwirtschaft haben kann. Flögel legt mit seiner Dissertation eine zeitgenössische Arbeit vor und hatte den Mut, neue Wege zu beschreiten – denn bislang wurde die Thematik der Mittelstandsfinanzierung aus geographischer Perspektive nur unzureichend erforscht und analysiert.
Franz Flögel ist es bereits gelungen, zentrale Ergebnisse seiner Dissertation im international anerkannten „Journal of Economic Geography“ zu publizieren. Die Dissertation wird voraussichtlich 2018 in der Buchreihe „International Studies in Money and Banking“ von Routledge veröffentlicht.
Franz Flögel ist seit 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Arbeit und Technik in Gelsenkirchen im Forschungsschwerpunkt RAUMKAPITAL, wo er zum Thema Banken, Finanzen und regionale Entwicklung forscht. Gleichzeitig promovierte er als externer Doktorand an der Mathematisch-Geographischen Fakultät der KU, der er seit 2013 auch als Lehrbeauftragter verbunden ist. Betreut wurde Flögels Dissertation von Prof. Dr. Hans-Martin Zademach (Professur für Wirtschaftsgeographie), Zweitgutachter war Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard H. Schmidt von der Goethe Universität in Frankfurt am Main.
Der Preisträger Franz Flögel ­wurde ­­1985 in Schwerin geboren und besuchte das Goethe-
Gymnasium in Ludwigslust. Er  studierte Humangeographie, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften in Potsdam, Berlin und Nottingham. Während seines Studiums und auch während seiner Promotion war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.