Gedanken zum Welttourismustag 2021: „Tourism for Inclusive Growth“

Alljährlich am 27. September feiert die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Madrid (World Tourism Organisation - UNWTO) den sogenannten Welttourismustag. Das diesjährige Motto steht ganz im Zeichen eines ausgewogenen Wachstums eines neuen Tourismus in der Zeit nach der Pandemie.

„Inclusive Growth“ geht vom Gedanken aus, dass die COVID-19-Krise die ökonomischen und sozialen Ungleichheiten in der Welt massiv verschärft hat, und dass Tourismus eine zentrale Rolle spielen kann, wenn es darum geht, diese Ungleichheiten durch ein faires und nachhaltiges Tourismusangebot zu beseitigen. Die globale Pandemie hat die Verletzlichkeit des Tourismus im Besonderen deutlich gemacht, war es doch die massiv eingeschränkte Mobilität, die zum Erliegen des Reiseverkehrs und damit touristischer Dienstleistungen geführt hat. Aber es ist ein besonderes Merkmal des Tourismus, Menschen verschiedener Kulturen zusammen zu bringen, und durch Gastfreundschaft besondere Begegnungen zu ermöglichen – und damit, so die Forderung der Welttourismusorganisation, sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird, wenn in der Phase des Neustarts auch der Tourismus wieder an Fahrt gewinnt und Menschen sich wieder auf den Weg machen, um Destinationen und Kulturen kennenzulernen.

Reisen war in der Hochphase der Pandemie vielfach verpönt, weil es mit der Verbreitung des Virus in Verbindung gebracht wurde. Jetzt hat der Tourismus die Chance und Aufgabe, breiten Gesellschaftskreisen nach vielen Monaten des Innehaltens und eingeschränkter Mobilität durch die wiedererlangte Reisefreiheit die Motivation für einen neuen Aufbruch und „Restart“ zu geben. Das Reisen und der Tourismus als ganz besonderer gesellschaftlicher Impulsfaktor ist durch die Pandemie erst so richtig deutlich geworden. Der Stillstand beim Reisen hat vielen Menschen die Augen geöffnet, nicht nur für die ökonomische Wichtigkeit der Branche, sondern auch für die Probleme im Umgang mit Massentourismus oder bei den Grenzen der Raumverträglichkeit. Die Verschärfung des Fachkräftemangels, schlechte Arbeitsbedingungen oder die geringe Wertschätzung der Dienstleistung kommen zum Vorschein. Im Besonderen fällt auf, dass der Frauenanteil in Beherbergung und Gastronomie besonders hoch ist, und dass Frauen besonders von der Krise betroffen waren und sind, weil sie erfahrungsgemäß länger brauchen, um wieder in die Erwerbstätigkeit zurückzufinden.

Der respektvolle Umgang mit Mensch und Natur wird jetzt stärker gefordert, was zu einem Umdenken bei den Geschäftsmodellen führen muss. Resilienz bedeutet im Tourismus, die Geschäftsmodelle fit zu machen für neue Krisen, ohne die Innovationsfähigkeit zu verlieren. Eine Voraussetzung dazu ist die verstärkte Ausrichtung auf Nachhaltigkeit. Ein neues Gesundheits- und Sicherheitsbedürfnis, die zunehmende Bedeutung von Natur & Outdoor bei den Reisemotiven, die verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit oder die Nachfrage nach glaubwürdigen und verantwortungsvollen Reiseangeboten – massiv verstärkt durch die Digitalisierung sowie die Notwendigkeiten und Dringlichkeiten aufgrund klimatischer Rahmenbedingungen – verändern den Tourismus gerade in großen Schritten.

Die große Herausforderung des Tourismus weltweit besteht darin, Verantwortung zu übernehmen, wenn es darum geht, nicht so sehr ein schnelles Zurück zu alten Mustern und Gewohnheiten und damit traditionellen Reisemustern zu fordern, sondern mitzuhelfen, die zum Teil krassen ökonomischen und gesellschaftlichen Missstände und Ungleichheiten zu erkennen, sie beim Namen zu nennen, und notwendige neue Konsum- und Verhaltensmuster in Reiseerlebnisse  zu betten, sodass der Tourismus zu einem zentralen Motor der Transformation werden kann. Nicht nur Wettschöpfung, sondern vor allem Wertschätzung und Verantwortung gegenüber Mensch und Natur sind das neue Maß! Und damit „Tourism for Inclusive Growth“.

Prof. Dr. Harald Pechlaner im Namen des gesamten Teams des Lehrstuhl Tourismus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

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