Die Ausgestaltung von Schuldenhilfen für finanzschwache, kleine Kommunen in Deutschland: Eine komparative Analyse unter besonderer Berücksichtigung föderaler Strukturen.

Ausgestaltung von Schuldenhilfen für finanzschwache, kleine Kommunen in Deutschland
© Geographie

Projektleitung: Dr. Simon Dudek, Dr. Andreas Kallert
Laufzeit: Oktober 2022 - September 2025
Geldgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)

Im Zuge der Globalen Finanz- und Wirtschaftskrise verschärfte sich die bereits seit den 1990er-Jahren von zurückgehenden Steuereinnahmen gekennzeichnete kommunale Haushaltslage in Deutschland. Die Bundesländer sehen sich seither, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, mit der Problematik überschuldeter und damit stark handlungseingeschränkter Kommunen konfrontiert. In Reaktion auf diese Herausforderung formulierten die Länder jeweils eigene Hilfsprogramme für überschuldete Städte und Gemeinden. Die Auswirkungen solcher konditionalen Hilfsleistungen für überschuldete Kommunen sind auf der einen Seite ein sinkender Schuldenstand der betroffenen Kommunen, aber auf der anderen Seite auch fallende Investitionen und damit mittelfristig ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Zugleich weist die bestehende Fachliteratur zwei Forschungslücken auf: Zum einen bezieht sich der aktuelle Wissensstand zu konditionalen Schuldenhilfen fast ausschließlich auf Städte mit mehr als 50.000 Einwohner*innen und lässt somit Kommunen in ländlichen Räumen außen vor. Zum anderen verharren bisherige Studien zu den Auswirkungen der Hilfsprogramme bei der Analyse von Finanzkraft- und Wachstumsindikatoren und vernachlässigen dabei die qualitative Dimension der Auswirkungen von kommunalen Schuldenhilfen auf die soziale Daseinsvorsorge und damit die Lebensqualität der Menschen vor Ort.    

Die Motivation des Forschungsprojektes ist es, die bisherige vor allem politik- und finanzwissenschaftliche Forschung zu kommunalen Schuldenhilfen um eine noch nicht vorhandene, raumbezogene und qualitative Perspektive zu ergänzen. Aufbauend auf den konzeptionellen Ansätzen des Austeritätspolitischen Föderalismus und des austerity managements zielt das beantragte Projekt darauf ab, sowohl die lokalen Auswirkungen konditionaler Schuldenhilfen auf kleine Kommunen im föderalen Vergleich als auch den Einfluss auf räumliche Disparitäten zu analysieren. In einer komparativen Studie werden hierzu alle zwischen 2011 und 2018 an Entschuldungsprogrammen teilnehmenden Kommunen in den Bundesländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland untersucht. Dies geschieht anhand von drei Teilzielen: Erstens einer qualitativen Inhaltsanalyse der Konsolidierungsverträge zwischen den Ländern und Kommunen, zweitens einer ökonometrischen Analyse der Konsolidierungsprogramme auf soziostrukturelle Merkmale der Kommunen und drittens darauf aufbauend einer expert*innen-basierter Feldanalyse der Auswirkungen und der Strategien im Umgang mit Sparprogrammen in ausgewählten Konsolidierungs-Kommunen. Im größeren Rahmen will das beantragte Projekt einen Beitrag zur internationalen Fachdebatte um räumliche Disparitäten und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse leisten. Gerade angesichts erneuter kommunaler Haushaltsnotlagen im Zuge der Covid-19-Pandemie adressiert es zugleich ein über den akademischen Fachdiskurs hinausgehendes virulentes gesellschaftspolitisches Konfliktfeld.