Animal Studies

Animal Studies
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Als integraler Bestandteil der menschlichen Umwelt nehmen Tiere in literarischen Werken einen prominenten Platz ein. Das oft dichotome Verhältnis zwischen ‚Tier‘ und ‚Mensch‘ manifestiert sich in einer vielfältigen Darstellungspalette und durchzieht die Werke bedeutender Schriftsteller:innen sämtlicher Literaturepochen. In den Anfängen erscheinen Tiere vor allem als sprechende allegorische Wesen mit klar zugeschriebenen und weit bekannten Charakterzügen, wie es in den Fabeln von Lessing oder den Volksmärchen der Brüder Grimm zum Ausdruck kommt. Im 19. Jahrhundert, vertreten durch Autoren wie Goethe, Hoffmann und Fontane, sowie im frühen 20. Jahrhundert, durch z.B. Rilke und Kafka, treten Tiere vermehrt als symbolträchtige Gefährten des Menschen oder als anthropomorphe Wesen auf.

Traditionell wurden Texttiere in der literaturwissenschaftlichen Forschung hauptsächlich als Symbole oder Spiegelbilder menschlicher Kultur und Gesellschaft betrachtet. Jedoch hat sich seit dem sogenannten ‚animal turn‘ (Ritvo) in den Humanwissenschaften um die Jahrtausendwende eine Veränderung vollzogen. Philologische Ansätze suchen seither Wege, das Verhältnis zwischen Tier und Mensch neu zu definieren und eine bisher kaum beachtete Präsenz der ‚Tiere an sich‘ zu etablieren. Forscher:innen in der noch jungen Disziplin der Cultural and Literary Animal Studies (CLAS) hinterfragen kritisch sowohl den Anthropozentrismus (More-than-Humans), als auch den Anthropomorphismus, der versuchte, Tiermerkmale ausschließlich vom Menschen her und in Bezug auf diesen zu interpretieren.

Die CLAS dekonstruieren solche Denkmuster und erkunden alternative Perspektiven innerhalb der Literatur, die die Agency und die komplexe kognitive Struktur der (Text-)Tiere anerkennen. Die Analyse von literarischen Tieren erfordert eine eingehendere Auseinandersetzung innerhalb der Environmental Humanities (wie etwa im Ecocriticism), welche u.a. die wechselseitigen Beziehungen zwischen Menschen, Tieren und ihrer gemeinsamen Umwelt erforschen. Dieser interdisziplinäre Ansatz sowie die CLAS tragen dazu bei, die Trennlinien zwischen Mensch und Natur zu überdenken und die Komplexität ökologischer Zusammenhänge in den Blick zu nehmen. Somit trägt nicht nur dazu bei, bestehende textkritische Paradigmen zu hinterfragen, sondern öffnet auch den Raum für einen umfassenderen, ethischeren und nachhaltigeren Umgang mit Tieren in unserer gemeinsamen Umwelt. Auch wenn die Annäherung an das (literarische) Tier stets innerhalb der Grenzen einer von Menschen verfassten Fiktion des Andersseins des Tierbildes bleibt.

 

Ein Beispiel für einen wissenschaftlichen Artikel über die Rolle von Tieren in einem Jugendroman ist der Artikel „Zur Bedeutung der Tiere in ‚Feuerwanzen lügen nicht‘ [Stefanie Höfler](2022). Begegnung – Beziehung – Begleitung“ von Alexandra Tretakov [im Erscheinen].

Um einen anderes Texttier, nämlich den Großen Ameisenbären geht es in dem gleichnamigen Gedicht von Sabine Scho (großer ameisenbär), das Friederike Reents in der Frankfurter Anthologie interpretiert hat: Friederike Reents: „Von Doppelsinn verzehrender Energien“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15. Juli 2023, S. 18.

Friederike Reents: "Vom ,armen Hirnhund’ zum ,Prinzen Vogelfrei’. Die poetologische Bedeutung der Tierbilder beim frühen Benn", in: Walter Delabar / Ursula Kocher (Hg.), Gottfried Benn (1886-1956), Studien zum Werk (Aisthesis, Bielefeld 2007), S. 107-116.

Im Bereich dieses Forschungsfeldes wurde folgende Lehrveranstaltung angeboten: Tiere in der Literatur (Seminar, WiSe 2022/23)