Am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 2025, hat Bischof Gregor Maria Hanke OSB vorzeitig sein Amt als Bischof von Eichstätt niedergelegt – auf eigenen Wunsch und mit päpstlicher Zustimmung. Mit diesem Schritt beginnt im Bistum eine neue kirchenrechtliche Phase: die Sedisvakanz. Sie ist mehr als eine bloße Zeit „ohne Bischof“ – sie ist ein rechtlich klar geregelter Übergang, der sowohl Stabilität als auch eine Vorbereitung auf den Neuanfang ermöglichen soll.
Was passiert kirchenrechtlich bei einem Rücktritt?
Ein Bischof kann laut can. 401 §2 des kirchlichen Gesetzbuchs (Codex Iuris Canonici, CIC) dann um Rücktritt bitten, wenn es dafür „gewichtige Gründe“ gibt – etwa gesundheitliche, seelische oder andere persönliche. Der Papst muss dem zustimmen. Im Fall Hankes ist das bereits vor einiger Zeit geschehen, allerdings mit Wirkung „nunc pro tunc“ – das heißt: Die Annahme war gültig, aber wurde erst zum festgelegten Datum, dem 8. Juni 2025, wirksam.
Juristisch endet in diesem Moment auch das Amt des Generalvikars (can. 481 §1 CIC), da dieses strikt an das Amt des Diözesanbischofs gebunden ist.
Wer führt die Diözese in der Zwischenzeit?
Bis ein neuer Bischof ernannt ist, regeln die Canones 419–430 CIC die vorläufige Leitung einer Diözese:
- Unmittelbar nach Eintritt der Sedisvakanz übernimmt das Konsultorenkollegium –im Fall des Bistums Eichstätt das Domkapitel – die kollegiale Leitung der Diözese (can. 419 CIC).
- Spätestens acht Tage nach Eintritt der Vakanz muss das Domkapitel einen Diözesanadministrator wählen (can. 421 §1 CIC). Dieser muss ein Priester sein, mindestens 35 Jahre alt (can. 425 §1 CIC), und sich durch „Klugheit und Rechtschaffenheit“ (can. 425 §2 CIC) auszeichnen.
- Der gewählte Administrator übernimmt die Leitung der Diözese mit nahezu derselben Gewalt wie ein Diözesanbischof (can. 427 §1 CIC), allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Er unterliegt dem Veränderungsverbot (can. 428 §1 CIC).
Was bedeutet das Veränderungsverbot?
Während der Sedisvakanz dürfen keine grundlegenden oder langfristig richtungsweisenden Entscheidungen getroffen werden. Dazu gehören etwa:
- Strukturveränderungen (z. B. Pfarreizusammenlegungen),
- neue Personalstrukturen im Ordinariat,
- Änderungen von pastoralen Leitlinien.
Ziel ist es, dem künftigen Bischof die Möglichkeit zu geben, ohne vorgegriffene Entscheidungen seinen Dienst zu beginnen. Laufende Projekte, die bereits eingeleitet wurden und keine tiefgreifenden Veränderungen darstellen, dürfen jedoch weitergeführt werden.
Wie kommt das Bistum zu einem neuen Bischof?
Die Ernennung eines Diözesanbischofs erfolgt ausschließlich durch den Papst (can. 377 §1 CIC), ist aber – besonders in Bayern – auch durch das Bayerische Konkordat (1924) mitbestimmt. Der Ablauf ist mehrstufig:
1. Vorschlagslisten: Alle bayerischen Diözesanbischöfe und alle bayerischen Domkapitel sind verpflichtet, dem Heiligen Stuhl alle drei Jahre sogenannte Trienallisten mit geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt zu übermitteln. Im Falle einer Sedisvakanz sendet zudem das betroffene Domkapitel – hier das Eichstätter Domkapitel – eine eigene aktuelle Kandidatenliste direkt an den Apostolischen Stuhl (Art. 14 §2 BayKor). Die genauen Inhalte dieser Listen sind vertraulich; niemand außerhalb des Heiligen Stuhls kennt den vollständigen „Kandidatenpool“.
2. Informationsphase durch den Nuntius: Der Nuntius holt umfangreiche Informationen über die Kandidaten ein, darunter Gutachten von Klerikern, Theologen und Laien. Diese fließen in die römische Entscheidung ein, auch wenn Laien nicht direkt beteiligt sind.
3. Bewertung durch das Dikasterium für die Bischöfe: Diese römische Behörde erstellt ein Dossier und legt es dem Papst zur Entscheidung vor. Der Papst ist in seiner Wahl frei, er kann auch Kandidaten außerhalb der Liste benennen (Art. 14 §1 BayKor).
4. Mitteilung an den Staat: Laut Konkordat (Art. 14 §3 BayKor) hat die Bayerische Staatsregierung ein Einspruchsrecht gegen die Ernennung. Dieses ist faktisch selten geworden, aber formal bindend.
5. Ernennung und Besitzergreifung: Nach Zustimmung wird der neue Bischof durch den Papst ernannt und muss – sofern er bereits die bischöfliche Weihe erhalten hat – innerhalb zweier Monate formell Besitz von seiner Diözese ergreifen (can. 382 §2 CIC). Falls er noch nicht Bischof ist, hat seine Weihe innerhalb von vier Monaten zu erfolgen.
Beteiligung der Gläubigen – zwischen synodalem Anspruch und konkordatsrechtlicher Realität
Der Synodale Weg hat sich 2023 nachdrücklich für eine verbindliche Mitwirkung von Laien bei der Ernennung von Diözesanbischöfen ausgesprochen. Der entsprechende Handlungstext sieht vor, dass in jeder Diözese ein Gremium eingerichtet wird, das paritätisch mit Mitgliedern des Domkapitels und mit Laien besetzt ist. Dieses Gremium soll gemeinsam mit dem Kapitel eine Liste geeigneter Kandidaten erarbeiten, die dem Apostolischen Stuhl zur endgültigen Entscheidung vorgelegt wird.
In Diözesen, die dem Preußischen Konkordat unterliegen – etwa Paderborn oder Osnabrück – bestehen größere Spielräume für innerdiözesane Konsultationen. Dort wurden bereits erste Schritte hin zu einer erweiterten Beteiligung unternommen, etwa durch die Einbindung synodaler Gremien in Beratungsprozesse oder durch transparentere Kommunikationswege. Die geltende konkordatsrechtliche Ordnung erlaubt zumindest eine informelle, beratende Mitwirkung.
Im Freistaat Bayern hingegen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Bayerische Konkordat von 1924 deutlich restriktiver. Die Verantwortung für die Kandidatenauswahl liegt dort ausschließlich beim Domkapitel, das seine Vorschläge in geheimer Abstimmung erarbeitet und dem Apostolischen Stuhl übermittelt. Eine formalisierte Beteiligung weiterer kirchlicher Gremien oder Laien ist nach derzeitiger Rechtslage ausgeschlossen.
Doch die Frage bleibt: Wird Rom – langfristig – bereit sein, das geltende Konkordatsrecht im Sinne einer stärkeren Mitverantwortung zu öffnen?
Philipp Endres