Als wissenschaftlich verantwortete Rede von Gott muss Theologie auf ihren eigenen Ort und auf die Bedingungen der Möglichkeit einer Erkenntnis Gottes reflektieren. Beides verweist auf den Menschen, der in der Geschichte existiert, dessen Sehnen und Fragen über alles Endliche hinausweisen und der sich selbst zum Gegenstand der Reflexion zu erheben vermag. Der Mensch erkennt in der Reflexion auf sich selbst am Grund seines Bewusstseins, dass er sich nicht selbst gesetzt hat, sondern dass er in seiner Existenz auf ein anderes verwiesen ist, das ihm entzogen bleibt und zu dem er sich mit seinem Lebensvollzug verhalten muss. In theologischer Perspektive verweist dies auf Geschöpflichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen, auf Jesus von Nazareth als Ereignis der Liebe Gottes und Offenbarung Gottes in einem Menschen, aber auch auf eine messianische Anthropologie, die der Transformation des Menschen durch Geist und Gnade nachspürt und in den Herrschafts- und Gewaltverhältnissen der Geschichte jene Hoffnung zur Geltung zu bringen sucht, die im Zeichen von Kreuz und Auferstehung bezeugt wird. Erkenntnistheoretische, ethisch-politische und existentiell-spirituelle Fragen sind hier eng miteinander verbunden.
(Prof. Dr. Martin Kirschner)
Das Projekt setzt bei der Einsicht an, dass eine theologische Anthropologie sachgerecht nur von den Vollzugsformen menschlicher Existenz her entwickelt werden kann. Was Menschsein bedeutet und was eine konkrete Person ausmacht, zeigt sich in der Art und Weise, wie sie ihr Leben vollzieht. Dies geschieht leiblich-verbunden, situativ, in konkreten Kontexten, Konstellationen und Machtverhältnissen, in denen das Leben empfangen und antwortend auf Zukunft hin gewagt wird. Subjektivität und Freiheit liegen nicht einfach vor, sondern müssen im Vollzug je neu errungen, gebildet, transformiert werden im Bewusstsein der Verletzlichkeit und Kostbarkeit des Lebens, in Verantwortung vor den Mitmenschen, in Verbundenheit mit der Erde, im Ausgreifen nach Gott.
Publikationen (Auswahl):
(Dr. Klaus Viertbauer)
Indem ein Mensch sich auf sich selbst bezieht und damit zum Reflexionsgegenstand erhebt, erkennt er, dass er in seinem Dasein von einem anderen abhängig ist. Dieses andere lässt sich gleichermaßen nihilistisch (etwa als Natur oder Schicksal) wie auch theologisch (mit Gott) interpretativ aneignen. Im vorliegenden Projekt werden derartige Interpretationen vor dem Hintergrund der nachkantischen Philosophie, insbesondere in der Auseinandersetzung mit Schleiermacher und Kierkegaard erprobt. Dabei gehen wir u.a. folgenden Fragen nach: Was bedeutet es sich seiner selbst bewusst zu sein? Welche Rolle vermag der Gottesgedanke dabei zu spielen? Wie gestaltet sich das Verhältnis von Gott und Moral?
God and Morality
Aix-en-Provence, 6. bis 8. Oktober 2021
Key-Notes: Ingolf U. Dalferth (Claremont)., C. Stephen Evans (Baylor), John E. Hare (Yale), John L. Schellenberg (Mount Saint Vincent University)
Gott nach Kant?
Wien, 4 bis 5. Juni 2021
Key-Notes: Ingolf U. Dalferth (Claremont), Christian Danz (Wien), Georg Essen (Berlin), Thomas Hanke (Münster), Stefan Lang (Wien), Matthias Lutz-Bachmann (Frankfurt am Main), Jürgen Stolzenberg (Halle an der Saale) und Klaus Viertbauer (Eichstätt)
Publikationen (Auswahl):
--, Gott am Grund des Bewusstseins? Skizzen einer präreflexiven Interpretation von Kierkegaards Selbst (ratio fidei 61), Regensburg: Friedrich Pustet 2017.
--, Thomas Hanke (Hg.), Subjektivität denken. Anerkennungstheorie und Selbstbewusstseinsanalyse, Hamburg: Meiner 2017.
(Justin Veit)
Die Gewissenserfahrung des Menschen stellt eines der klassischen (Grenz-)Themen der philosophischen Ethik dar. Als Phänomen zeigt sie sich in der Weise einer spezifischen Regung, die sich stets situativ und in Form eines Gegenimpulses zu einer primären Handlungsabsicht bemerkbar macht.
Dieses Forschungsprojekt untersucht die Wurzeln von Gewissensbegriff und -thematik in der Antike durch die Analyse historischer Texte, um zu einer Phänomenologie der Gewissensregung zu gelangen und darauf aufbauend die Korrelation von Gewissen und Selbstentsprechung zu eruieren. Grundlegend wird die Frage aufgeworfen, inwieweit sich in der Gewissensregung ein fundamentales Konstitutivum des menschlichen Selbst manifestiert. Die Betrachtungen bewegen sich damit zwangsläufig im Spannungsfeld von ethischer Objektivität und Subjektivität, von moralischer Axiomatik und Situativität, von Normativität und Individualität.
(Dr. Klaus Viertbauer)
Indem der Mensch sich als Person wahrnimmt, stellt er sich einerseits der Natur gegenüber, ohne sich andererseits gänzlich von dieser lösen zu können. Diese Spannung entlädt sich an Grenzen und damit eben dort, wo es darauf ankommt konzise zu benennen, wann Menschsein anfängt und endet. Die bio- und neurotechnischen Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit (Neuroenhancer, PID, Crispr/Cas, SHEEFs, u.ä.) verdeutlichen allerdings, dass eine solche Grenzziehung zunehmend schwierig wird. Um eine entsprechend feinkörnige anthropologische und ethische Analyse bemüht sich das vorliegende Projekt. Dazu wirft es etwa folgende Fragen auf: Worauf zielt die Rede von der menschlichen Natur? Wie lassen sich die Grenzen derselben bestimmen? Was bedeutet das für das Menschsein heute? Und wie erschließen sich die theologischen Aussagen über den Menschen?
Wien, 11.-12. März 2022
Key-Notes: Dieter Birnbacher (Düsseldorf), Peter Dabrock (Erlangen-Nürnberg), Sigrid Graumann (Bochum), Christian Hillgruber (Bonn), Nikolaus Knoepffler (Jena), Reinhard Merkel (Hamburg), Kerstin Schlögl-Flierl (Augsburg), Bettina Schöne-Seifert (Münster), Dieter Sturma (Bonn) und Christiane Woopen (Bonn).
Publikation: