Schwerpunkte der Forschung

Fünf Ebenen im theologischen Gebrauch des Konzepts der Transformation

 

 

Der gemeinsame Fokus der verschiedenen Forschungsprojekte am Lehrstuhl liegt auf der theologischen Reflexion der tiefgreifenden Transformationsprozesse, die Gesellschaft und Kirche derzeit durchleben und die auch die Theologie selbst betreffen. Es geht um einen Wandel, der nicht nur einzelne Sachbereiche oder Inhalte betrifft, sondern der die Form des In-der-Welt-Seins insgesamt verändert. Dabei lassen sich fünf Ebenen unterscheiden, auf denen Transformation geschieht und zum Gegenstand theologischer Reflexion wird. Diesen Ebenen entspricht ein spezifischer Gebrauch des Begriffs der Transformation.

  1. Auf einer deskriptiv-analytischen Ebene gilt es, Transformationsprozesse, mit denen wir in Gesellschaft, Kirche und Wissenschaft konfrontiert sind, zu beschreiben, zu analysieren und in größere Zusammenhänge einzuordnen. Dies geschieht im lernenden Dialog mit anderen Wissenschaften, im Hören auf gesellschaftliche Einsichten und menschliche Erfahrungen, in einer „Schule des Sehens“ im Gespräch mit Kunst und Kulturwissenschaft. Die spezifisch theologische Aufgabe liegt in einem „Deuten der Zeichen der Zeit“, welches Ereignisse, Einsichten und Erfordernisse der Gegenwart im Licht des Evangeliums untersucht, um „zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind“ (GS 4-11).
  2. Auf einer kritischen und strategischen Ebene geht es darum, Erfordernisse, Möglichkeiten und Hindernisse einer gesellschaftlichen Transformation zu erkennen, zu benennen und auszuarbeiten sowie deren normative Implikationen, Kriterien und Optionen transparent zu machen und zu begründen. In diesem Sinn wird etwa in der Nachhaltigkeitsforschung von der Notwendigkeit einer „Großen Transformation“ gesprochen. Gesellschaftliche Praxis, wissenschaftliche Reflexion und politische Auseinandersetzungen sind hier eng aufeinander bezogen. Analoges gilt innerkirchlich, z.B. im Ringen um eine synodale Gestalt von Kirche. Theologisch eröffnen die Perspektiven einer integralen Umkehr (conversión integral) und einer messianischen Hoffnung Ansätze, um den Zusammenhang von sozialen, kulturellen, ökologischen, ökonomischen, politischen, religiösen und spirituellen Aspekten theologisch zu konzipieren und auf die pastorale Erneuerung von Kirche zu beziehen.          
  3. Auf einer epistemischen und methodologischen Ebene geht es um grundlegende Transformationen der Sprach- und Denkformen, der Begründungsfiguren und leitenden Paradigmen, wie sie mit der transzendentalen Wende und Metaphysikkritik, mit der Hinwendung zu Zeit und Raum, mit der Wendung zu Sprache, Praxis, Leiblichkeit und Performativität verbunden sind. Diese verschiedenen „turns“ betreffen die Wissenschaft, ihre Begründungsfiguren und Methodologien, aber auch grundsätzlicher das Verständnis von Wirklichkeit. Sie führen ins Zentrum der fundamentaltheologischen Aufgabe, ein verantwortbares Verständnis von Wahrheit und Wirklichkeit, von Wissenschaft und Praxis, von Geschichte und eschatologischer Hoffnung zu erarbeiten. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde ein solcher Paradigmenwechsel in der katholischen Kirche lehramtlich vollzogen. Verschiedene kontextuelle und befreiungstheologische Ansätze konkretisieren und radikalisieren diesen Lernprozess.
  4. Auf der im engeren Sinne theologischen, soteriologischen und spirituellen Ebene verweist die Kategorie der Transformation auf jene fundamentale Umgestaltung der Wirklichkeit, die aus der Begegnung von Gott und Mensch und ihrem „ungetrennten und unvermischten“ Zusammenwirken resultiert. Die Offenbarung Gottes und der Glaube des Menschen werden greifbar und wirksam im geschichtlichen Zeugnis, das Menschen in konkreten Situationen und Kontexten von ihnen geben. Die in Christus geschehene Offenbarung und Erlösung wird dort erfahrbar, wo Menschen sich im Geist Christi verwandeln lassen, umkehren und nachfolgen. Hieraus konstituiert sich Kirche als messianische Gemeinschaft der Glaubenden. Ihr Wesen und Selbstverständnis wird in sprachlichen und symbolischen Vollzügen greifbar: „Wort und Sakrament“ sind nicht mit einer objektivierbaren Doktrin oder legalistischen Praxis gleichzusetzen, sondern verweisen auf das verändernde Wirksamwerden des Gotteswortes in der menschlichen Antwort. Sie sind performativ und transformativ zu verstehen. Tradition ist daher nicht Verwaltung eines statischen Depositums, sondern lebendige Überlieferung des Glaubens und je neue Aktualisierung des Evangeliums, die einzelne Menschen, die Gemeinschaft der Kirche und die menschliche Geschichte von innen her verwandeln und auf das kommende Gottesreich ausrichten. Im erinnernden Rückbezug und in der Ausrichtung auf das Kommende lässt sich so die jeweilige Gegenwart als möglicher Kairos einer messianischen Erneuerung der Geschichte verstehen. Der Theologie obliegt die Aufgabe einer wissenschaftlichen Reflexion dieses Geschehens, an dem sie zugleich teilhat.
  5. Der Horizont und die Bedingung der Möglichkeit einer solchen messianischen Transformation der Geschichte liegt in der Hoffnung auf die eschatologische Vollendung als umfassende und rettende Transformation der zeitlichen Wirklichkeit in die Ewigkeit Gottes hinein (1 Kor 15, 51f.). Die biblischen Motive vom Sabbat, vom umfassenden Schalom, von der Hochzeit des Lammes und vom himmlischen Jerusalem sind Bilder solcher Vollendung, welche das innergeschichtliche Streben nach Versöhnung und Vollendung zugleich übersteigen und ermöglichen. In einer nicht-theologischen Sprache lässt sich diese Sinndimension in der Form des Futur II formulieren: „Was wird am Ende (wichtig) gewesen sein?“

Die Fragen einer Theologie in Transformation werden am Lehrstuhl in folgenden Forschungsfeldern bearbeitet: