Citizen Science erlebt seit einigen Jahren einen enormen Aufschwung und wird inzwischen sowohl in den Naturwissenschaften als auch in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften angewendet. Unter Citizen Science versteht man einen Ansatz, der die aktive Beteiligung von Menschen an wissenschaftlichen Projekten umfasst. Laien werden hierbei zu Ko-Forschenden, die bei der Entwicklung der Forschungsfrage, der Datengenerierung und -auswertung mitwirken können.
Ob Biodiversitätsverlust, Daseinsvorsorge, Gesundheit oder Demokratie – Citizen Science kann zur Bewältigung aktueller Herausforderungen beitragen. Damit dies gelingt, braucht es ein sorgfältiges Forschungsdesign und eine gezielte Auswahl von Methoden. Grundlegende Fragen zur Aktivierung von Ko-Forschenden, zur Kommunikation der Ergebnisse, zur Sicherung der Datenqualität, zur Gestaltung von Begleitevaluationen sowie zu Datenschutz und Forschungsethik müssen hierbei geklärt werden.
Das Citizen Science Lab
Das Citizen Science Lab der KU schafft die Grundlage für gemeinsames Handeln und eröffnet neue Perspektiven – für die Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung in Stadt und Land.
Es bietet einen kreativen Raum für Zusammenarbeit über Sektor- und Disziplingrenzen hinweg. Ziel ist es, eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu schlagen, indem Bürgerinnen und Bürger, aber auch Stakeholder aktiv in Forschungsprojekte eingebunden werden. Konkret bedeutet dies, dass Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kommunen, Zivilgesellschaft und der Bevölkerung Hand in Hand arbeiten. Gemeinsam tragen Sie zu einem besseren Verständnis gesellschaftlicher Herausforderungen bei, entwickeln konkrete Ideen für deren Bewältigung und treiben Forschung voran.
So arbeitet das Lab
Für jedes Projekt, das im Rahmen des Citizen Science Lab bearbeitet wird, wird ein klares, transparentes und strukturiertes Prozessdesign entwickelt. Dazu wird definiert, welche Akteure in welchem Umfang und zu welchen Zeitpunkten im Projekt beteiligt werden. Zuständigkeiten und Rollen alle Beteiligten werden festgelegt. Auch eine verbindliche Zieldefinition sowie Meilensteine sind Teil jedes Citizen Science Vorhabens. Alle Projekte arbeiten auf Grundlage von gesichertem Wissen, das die Akteure einbringen und welches im Laufe des Prozesses weiterentwickelt wird.
Ressourcensensibel und vernetzt
Die Rolle der Forschenden sowie die der außerwissenschaftlichen Akteure kann je nach Projekt und Zielsetzung variieren. So können KU-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Lab-Beteiligungsprozessen eine beratende Funktion einnehmen und Fachwissen zur Verfügung stellen; sie können aber auch den gesamten Prozess federführend gestalten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten externe Akteure einbinden. Ebenso ist es möglich Projekte von Beginn an in enger Zusammenarbeit zwischen wissenschaftsexternen und -internen Beteiligten zu entwickeln und umzusetzen. Dies ist abhängig von der Fragestellung und Zielsetzung des Projekts. Bei der Einbindung außerwissenschaftlicher Akteure legt das Citizen Science Lab besonderes Augenmerk darauf, dass Umfang, Zeitpunkte, Zuständigkeiten und Aufgabenfelder auf die verfügbaren Ressourcen, Kompetenzen und Interessen der Beteiligten zugeschnitten sind.
Strukturiert und bedarfsgerecht
Methodisch setzt das Citizen Science Lab sowohl auf bewährte als auch innovative Methoden, die individuell für jedes Projekte ausgewählt und entwickelt werden. Um die Beteiligungsprozesse möglichst effizient zu gestalten, kombiniert das CSL Offline- und Online-Methoden. Trainings- und Werkstattformate stellen sicher, dass alle Beteiligten die für das Projekt notwendigen Fähigkeiten erwerben und vertiefen können.
Auf diese Weise entstehen entlang der Lab-Prozesse zukunftsweisende Ideen, die nach Möglichkeit durch eng abgestimmte Zusammenarbeit mit regionalen Entscheidungsstrukturen direkt in die Praxis eingebunden werden können. Unser umfangreicher Methodenkatalog und die Erfahrungen aus den Projekten werden systematisch dokumentiert, analysiert und stetig weiterentwickelt. Dazu dient auch der kontinuierliche Austausch mit anerkannten Citizen Science Akteuren bundesweit.
Stimmen zum Citizen Science Lab
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen hat das CSL bereits einige erfolgreiche Citizen Science Projekte umgesetzt. Hier teilen sie ihre Erfahrungen.
Infrastruktur für Transdisziplinarität und gesellschaftliches Engagement
Das Citizen Science Lab stärkt das Profil der KU als engagierte und transformativ wirksame Universität, indem es
hochschulweit eine Infrastruktur für die Institutionalisierung transdisziplinärer und transformativer Forschung zur Verfügung stellt,
innovative Modelle für die Beteiligung zivilgesellschaftlicher und kommunaler Akteure im Kontext wissensbasierter Stadt- und Regionalentwicklung erprobt,
das Capacity-Building für die Durchführung transdisziplinärer und partizipativer Forschungsprojekte auf verschiedenen Bildungs- und Karrierestufen befördert und
den Ausbau von Ansätzen für die Wirkungsmessung transdisziplinärer und transformativer Vorhaben in Forschung und Transfer stärkt.
Das KU-Citizen Science Lab wird durch einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Dieser begleitet die strategische Entwicklung des Labs, berät die Arbeit fachwissenschaftlich und methodisch. Dem Beirat gehören Prof. Dr. Stefanie Eifler, Soziologie und empirische Methoden, Servicestelle Methoden; Prof. Dr. Joost van Loon, Allgemeine Soziologie und Soziologische Theorie und Prof. Dr. André Habisch, Christliche Sozialethik, an.
Aktuelles
Regelmäßig finden an der KU Abendvorträge und Round Table-Diskussionen statt, zu denen wir anerkannte Forschende zum öffentlichen Dialog und zur Auseinandersetzung zu Fragen von Ko-Kreation und Partizipation einladen. Darüber hinaus bietet das Citizen Science Lab auch Workshops zu aktuellen Fragestellungen rund um Partizipation an.
Öffentliche Wissenschaft als Motor gesellschaftlicher Transformation
Der Transformationsforscher Prof. Stefan Selke war am 23. Juli im KU-Citizen Science Lab zu Gast.
Am 23. Juli lud das KU-Citizen Science Lab zu einem spannenden Roundtable mit dem renommierten Transformationsforscher Prof. Stefan Selke ein. Die Veranstaltung stand ganz im Zeichen von Partizipation, Transformation und Citizen Science. Nach einer Eröffnung des Roundtable durch Prof. Joost van Loon (Lehrstuhl Allgemeine Soziologie und soziologische Theorie, KU) und Einführung in die aktuellen Aktivitäten des KU Citizen Science Labs übernahm Prof. Selke das Wort. Er teilte seine vielfältigen Erfahrungen und Erkenntnisse als Praktiker und Theoretiker einer Öffentlichen Wissenschaft.
In seinem Vortrag bot Selke einen umfassenden Einblick in die Praxis, Theorie und Institutionalisierung der Öffentlichen Wissenschaft. Unter dem ersten Punkt, „Doing Public Science (Praxis)“, beleuchtete er die Herausforderungen und Chancen der öffentlichen Wissenschaft. Hierbei betonte er die Bedeutung außerwissenschaftlicher Publika und disziplinübergreifender Kooperationen, insbesondere zwischen Wissenschaft und Kunst. Er stellte Interventionen im öffentlichen Raum, wie die soziologische Begleitung kontroverser Projekte in den Fokus und sprach über seine Erfahrungen mit Dialogen jenseits von Komfortzonen.
Der zweite Schwerpunkt, „Suche nach dem Überbau (Theorie)“, widmete sich der Öffentlichen Wissenschaft als Beitrag zur großen gesellschaftlichen Transformation. Selke betonte, dass öffentliche Wissenschaft nicht nur Systemwissen erzeugen, sondern auch Ziel- und Transformationswissen gemeinsam mit Akteuren vor Ort entwickeln müsse. Dieses Wissen könne, wie von Uwe Schneidewind und Mandy Singer-Brodowski beschrieben, als Katalysator in Veränderungsprozessen wirken. Damit könne es zur Lösung nicht nur bekannter Probleme beitragen, sondern auch neue, gesellschaftlich relevante Fragestellungen identifizieren und bewerten.
Im dritten Abschnitt, „Public Science Lab (Institutionalisierung)“, diskutierte Selke die Rolle öffentlicher Wissenschaft zwischen Forschung und Transfer. Er sprach über die Notwendigkeit, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Deckung der Institutionen wagen und sich aktiv in gesellschaftliche Diskurse einbringen. Dabei ging es um das Selbstverständnis einer Öffentlichen Wissenschaft und die Herausforderungen, die sie angesichts etablierter Karrierepfade mit sich bringt.
Besonders eindrücklich war Selkes Reflexion über die Öffentliche Wissenschaft als Wissens- und Lebensform. Diese sei gekennzeichnet durch eine erkennbare Haltung, moralische Verantwortung und ethische Beteiligung, die er als „Ästhetik des Eingreifens“ bezeichnete. Abschließend hob Selke die Bedeutung eines empathischen Weltzugangs hervor.
Insgesamt zeichnete Prof. Selke das Bild einer öffentlichen Wissenschaft als Form lokaler Mikropolitik, bei der Dialoge zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu ethischer Beteiligung, moralischer Verantwortung und einer erweiterten Validierung von Wissen führen. Sein Vortrag bot wertvolle Impulse für die zukünftige Gestaltung und Weiterentwicklung einer engagierten, transformativen Wissenschaft. Dies zeigte sich an der auf den Impuls folgenden lebhaften Diskussion unter Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Transfer, School of Transformation and Sustainability, Soziologie, Politische Bildung oder auch dem Zentrum für Ehe und Familie.
Workshop „How to start with Citizen Science“
Damit die ersten Schritte für ein erfolgreiches Citizen Science Projekt in die richtige Richtung gehen, wurde an der KU ein Workshop-Format entwickelt, das in die Gestaltung von Citizen Science einführt. Es richtet sich an Forschende, die sich für Citizen Science interessieren, kann aber auch für erfahrene Bürgerwissenschaftler gewinnbringend sein. Der Workshop bietet einen Orientierungsrahmen für die Gestaltung von Citizen Science Vorhaben (Phasen, Prinzipien, beteiligte Akteure usw.) vor. Anhand von vertiefendem Trainingsmaterial können erste Ideen entwickelt werden, wie ein Forschungsdesign für Citizen Science Forschungsprojekte aussehen kann.
Der Workshop wurde von Prof. Dr. Stefanie Eifler, Lehrstuhlinhaberin Soziologie und empirische Sozialforschung, Maria Bartholomäus, Verantwortliche für das KU-Citizen Science Lab und Julia Weymeirsch, Lehrstuhl für Soziologie und empirische Sozialforschung, entwickelt. Auf Nachfrage kann er ab einer Teilnehmendenzahl von zehn Personen angeboten werden.
Sie haben Fragen? Wir antworten!
Möchten Sie mehr erfahren über die Aktivitäten des Citizen Science Labs? Haben Sie eine Projektidee, die mit beteiligender Forschung umgesetzt werden kann? Kennen Sie einen Ansatz guter Praxis, den wir im Rahmen eines Round Tables bekannt machen sollten?
Dann melden Sie sich gern bei uns:
Maria
Bartholomäus
Koordination Kommunikation und Beteiligung im BMFTR-geförderten Projekt „Mensch in Bewegung“, Leitung Citizen Science Lab