Lernen neu denken

Gesellschaftliche Transformationspotenziale einer Hochschulbildung für das (post)digitale Zeitalter

Die Corona-Pandemie hat unsere Welt im Jahr 2020 durch Digitalisierung so stark verändert, dass wir von einem "digital turn" sprechen könnten. Was über Jahrzehnte als Innovation der Hochschulbildung galt, gehört nach nur einem Semester inzwischen zum Alltag. Wie diese Entwicklung zu bewerten ist und was sie - näher betrachtet - bedeutet, ist ein wichtiges Thema des Diskurses. Insofern sind nun unsere Hochschulen gefragt, die Breiten- und Tiefenwirkung dieser Transformation hinsichtlich einer höheren Qualität zu hinterfragen.

Eine bloße "Remedialisierung" bestehender Bildungskonzepte löst die Hoffnungen auf wirkliche Innovation in der neuen Welt des Lehrens und Lernens jedenfalls nicht ein. Qualität in Studium und Lehre braucht eine Leitidee, die Mittel und Wege in Bezug zu einem Bildungsanspruch setzt. Wenn Digitalität nicht als Selbstzweck, sondern als qualitatives Element in der Lehre verstanden wird, dann gilt es jetzt, die Anliegen einer post-digitalen Hochschulbildung näher in den Blick zu nehmen. In Anlehnung an Nicolas Negroponte (https://www.wired.com/1998/12/negroponte-55/) meint „postdigital“ freilich nicht das Ende der Nutzung digitaler Werkzeuge und Medien. Der Begriff drückt vielmehr aus: Es geht nicht (mehr) um eine rein technisch und instrumentell verstandene Digitalität mit offenkundigem oder subtilem Totalalitätsanspruch, sondern um die Frage, wie wir in einer total digitalisierten Welt als Menschen leben, lernen und arbeiten wollen.

Doch welche Bildungsziele setzen sich verantwortungsbewusste Hochschulen in einer (post)digitalen Welt? Wie lassen sich Wissen, Fähigkeiten und Haltungen für das kompetente Mitgestalten einer lebenswerten Zukunft erlernen? Wie lassen sich wichtige Gestaltungskompetenzen unter Nutzung digitaler Werkzeuge und Medien vermitteln? Warum fragen Studierende heute dezidiert nach "Purpose“, und wie kann ein akademisches Studium sie auf die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung in einer VUCA-Welt vorbereiten? Wie können Lehrende sie beim Aufspüren der eigenen Berufung begleiten, die Orientierung für ein erfülltes Leben gibt, und zugleich einen Beitrag zu einer gerechten und nachhaltigen Gesellschaft leistet? Wie können kritisches Denken und wissenschaftliches Arbeiten nahe an der Lebenswelt von Studierenden gelehrt werden?

Im Dialog mit unseren Gästen der Gesprächsreihe „Lernen neu denken“ möchten wir gängige Vorstellungen kritisch befragen und neue Ideen und Ansätze diskutieren. Im Zentrum der Gespräche stehen Leitideen für eine (post)digitale Bildung an Hochschulen: In ihrem Leitbild ist klar auch die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung verankert; und sie gestaltet das transformative Potenzial eines akademischen Studiums für künftige Generationen bewusst im Sinne einer "Didaktik der Transformation".

Programm der Vortragsreihe

29. Januar 2021, 11 Uhr - Lehrinnovationen nach Corona

Oliver Janoschka

Lehrinnovationen nach Corona - Gesellschaftliche Verantwortung und digitales Lernen

Im Gespräch mit Oliver Janoschka (Geschäftsstellenleiter des Hochschulforums Digitalisierung) und Markus Eham (Vizepräsident für Studium und Lehre an der KU) tauschen wir uns über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unser Verständnis von Lehrinnovationen an Hochschulen aus. Vor dem Hintergrund des Lockdowns befinden sich die Hochschulen inmitten eines „Digital Turn“. Während Digitalisierung mehr als 20 Jahre lang quasi als Synonym für Innovation in der Lehre galt, wurde digital unterstütztes Lehren und Lernen im Jahr 2020 plötzlich zum neuen Alltag an Hochschulen. Es stellt sich die Frage, welche Merkmale von Qualität wir innovativer Lehre jenseits einer Digitalisierung der Präsenzlehre zuschreiben möchten. Insbesondere soll beleuchtet werden, welche Bedeutung Lehr-Lernansätze wie Service Learning, die gesellschaftliche Verantwortung und Engagement für das Gemeinwohl in den Mittelpunkt der Didaktik stellen, künftig haben können.

Oliver Janoschka studierte Bildungsmanagement, Soziologie und Psychologie an der Universität Hamburg. Er ist seit 2014 Geschäftsstellenleiter des Hochschulforums Digitalisierung des Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.. Zuvor arbeitete er in verschiedenen europäischen Mitgliedsstaaten im Bereich Hochschulbildung und verantwortete internationale Policy-Projekte: Etwa als Projektleiter bei der European Association on Lifelong Learning in Higher Education (EUCEN) in Barcelona und Brüssel oder als Dozent und Projektkoordinator für die Robert Bosch Stiftung im Westbalkan.

26. Februar 2021, 11 Uhr - Hochschullehre mit Mehrwert

Christoph Corves

Hochschullehre mit Mehrwert: Studentisches Engagement & Innovative Praxis

Im Gespräch mit Christoph Corves (Universität zu Kiel) und Klaus Meier (KU Eichstätt-Ingolstadt) tauschen wir uns über die Förderung des Engagements von Studierenden und die Stärkung innovativer Praxis in der Hochschullehre aus. Mit den beiden Preisträgern des Ars Legendi sprechen wir über innovative Lehre, die Studierende durch die Realisierung echter Projekte die Möglichkeiten zur Erzielung gesellschaftliche Wirkung erkunden und die eigene Selbstwirksamkeit als Team erfahren lässt. Es stellt sich die Frage, was das Besondere an einer Hochschullehre ist, die Studierende in die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen aktiv einbezieht sowie digitale Werkzeuge und Medien für die Wissensvermittlung, Prozessbegleitung und Projektumsetzung nutzt. Einerseits beleuchten wir den Kompetenzwerb der Studierenden durch eine projekt-basierte bzw. forschend-explorative Lehre, andererseits betrachten wir die Persönlichkeitsbildung der Studierenden durch die Rahmung des Lernprozesses als Heldenreise zur eigenen Berufung. Vor diesem Hintergrund wollen wir hinterfragen, inwiefern und in welcher Weise eine Hochschullehre, die die Welt verändert, den Lehralltag unserer Hochschulen künftig durchdringen kann.

Prof. Dr. Christoph Corves arbeitet seit 2002 als Professor für Geographie und Medien an der Universität Kiel. 2010 hat er das Projekt yooweedoo (www.yooweedoo.org) gegründet, das Studierende bei der Gründung von Social Enterprises unterstützt. 2011 hat er die Gründung der School of Sustainability an der Universität Kiel initiiert, die er seitdem leitet. 2013 hat er den internationalen Master "Sustainability, Society and the Environment" gegründet, in dessen Kern das yooweedoo-Lernprogramm steht.

26. März 2021, 11 Uhr - Persönlichkeitsentwicklung im Studium

Ines Weber
Foto: ©Weihbold

Persönlichkeitsentwicklung im Studium: Zwischen Lernbegleitung und Selbstreflexion?

Seid Humboldt gilt: Hochschulbildung beinhaltet immer auch Persönlichkeitsentwicklung. Entsprechend formulierte der Rat der Europäischen Union für die zweite Bologna-Dekade „persönliche, soziale und berufliche Entwicklung aller Bürger“ als Bildungsziel. Die Realität an den Universitäten zeigt allerdings, dass die Umsetzung dieses Anspruchs an ein Studium nicht immer einfach ist. Prof. Dr. Ines Weber (KU Linz) und Prof. Dr. Uto Meier (KU Eichstätt-Ingolstadt) diskutieren darüber, wie Dozierende die Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden unterstützen können. Sie beantworten zudem die Fragen, wie Fachlichkeit und Persönlichkeit zusammenhängen, wie Lehrveranstaltungen gestaltet werden können und welche Rolle die Persönlichkeit Dozierender dabei spielt. Zudem werden auch nicht-curricular verankerte Angebote, die zur Persönlichkeitsbildung von Studierenden beitragen, thematisiert.

Prof. Dr. Ines Weber ist seit Oktober 2016 Professorin für Kirchengeschichte und Patrologie an der Katholischen Privat-Universität Linz (Österreich). Zudem ist sie seit 2015 Leiterin des Drittmittelprojektes „Persönlichkeitsbildung an der Hochschule“ und seit 2019 Sprecherin des Netzwerks Theologie und Hochschuldidaktik. Sie ist bereits seit vielen Jahren Dozentin und Trainerin im Bereich Hochschuldidaktik sowie Erwerb überfachlicher Kompetenzen und Persönlichkeitsbildung für Studierende.

30. April 2021, 11 Uhr - Wertefragen & Persönlichkeitsbildung

Oliver Reis

Wertefragen & Persönlichkeitsbildung - zur gesellschaftlichen Verantwortung von Hochschulen

Die Universität war schon immer mehr als ein Ort akademischer Wissensvermittlung. Mit Prof. Dr. Oliver Reis (Universität Paderborn) und Prof. Dr. Ulrich Kropač (KU) wollen wir darüber sprechen, wie Universitäten heute in die Gesellschaft hineinwirken können und in welchem Verhältnis  Universitäten und Gesellschaft stehen. Welche Rolle spielen Wertefragen und Persönlichkeitsbildung dabei? Wir erkunden auch, wo im postdigitalen Zeitalter innovative Aufgaben in der Lehr- und Hochschulentwicklung liegen.

Prof. Dr. Dr. Oliver Reis ist ein römisch-katholischer Theologe am Institut für Katholische Theologie Paderborn. Nach seinen Promotionen in Systematischer Theologie und in Religionspädagogik lehrt er seit Juli 2016 als Professor für Religionspädagogik an der Universität Paderborn. Von 2006 bis 2007 an der Universität Siegen vertrat er den Lehrstuhl für Praktische Theologie/Religionspädagogik und 2011 an der TU Dortmund für Praktische Theologie/Religionspädagogik. Als Theologe sieht er sich dazu berufen, den katholischen Glauben in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

28. Mai 2021, 11 Uhr - Hochschuldidaktik mit Mehrwert

Gabi Reinmann

Hochschuldidaktik mit Mehrwert: Forschendes Lernen & Lernen durch Engagement

Im Gespräch mit Gabi Reinmann (Universität Hamburg) und Rico Behrens (KU Eichstätt-Ingolstadt) vertiefen wir das Verhältnis der Ansätze Bildung durch Wissenschaft und Bildung durch Verantwortung. Während Bildung durch Wissenschaft didaktisch auf forschendes Lernen fokussiert, konzentriert sich Bildung durch Verantwortung auf Lernen durch Engagement. Wir werden nachfragen, wie durch die Verknüpfung von Lernen, Forschen und Engagement das Studium gleichermaßen als Teilhabe Studierender an Wissenschaft und als aktive Teilhabe Studierender an der Gesellschaft gestaltet werden kann. Welchen Beitrag kann die integrierte Förderung wissenschaftlichen Denkens und verantwortlichen Handelns in einem Hochschulstudium leisten und welche Implikationen folgen für die Praxis von Lehrenden und Studierenden?

Prof. Dr. Gabi Reinmann war von 2001 bis 2010 Professorin für Medienpädagogik an der Universität Augsburg. Dort war sie Mitbegründerin des Instituts für Medien und Bildungstechnologie (imb) im Jahr 2007. Anschließend war sie von 2010 bis 2013 Professorin  für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Lehren und Lernen mit Medien an der Universität der Bundeswehr München (Fakultät für Pädagogik), von 2010 bis 2012 außerdem Studiendekanin der Fakultät für Pädagogik. Von 2013 bis 2015 war sie Vizepräsidentin für Lehre & Didaktik und Professorin für Hochschuldidaktik an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Seit Juni 2015 ist sie Professorin für Lehren und Lernen an der Universität Hamburg und dort Leiterin des Hamburger Zentrums für Universitäres Lehren und Lernen.

25. Juni 2021, 11 Uhr - Wandel gestalten

Ulf-Daniel Ehlers

Wandel gestalten: Kompetenzen & Innovationen in der Hochschule von Morgen

Im Gespräch mit Ulf-Daniel Ehlers (DHBW Karlsruhe) und Jens Hogreve (KU Eichstätt-Ingolstadt) greifen wir das Thema Zukunftskompetenzen auf, welche Organisationen, Unternehmen und Gesellschaft zunehmend von ihren Anspruchsgruppen fordern. Zudem befördern gesellschaftlicher und technologischer Wandel öffentliche Diskurse um die Zukunft der Bildungslandschaften. Folglich stellt sich die Frage, von welcher Zukunft wir sprechen und welche Kompetenzen gemeint sind. Braucht es wirklich neue Kompetenzen, um den Wandel aktiv und verantwortungsvoll zu gestalten? Schließlich werden unsere Gäste aufzeigen, welchen Beitrag Hochschulen leisten können, um aktuelle Herausforderungen im Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zu meistern.

Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers ist Professor für Bildungsmanagement und lebenslanges Lernen an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Er forscht zu Bildungsqualität und Bildungstechnologien sowie Lerninnovation, Kompetenzen und organisationalen Veränderungen. Er ist Begründer des Models der Qualität aus Lernersicht und Entwickler des Konzeptes der Open Educational Practices. Zudem berät Ulf-Daniel Ehlers nationale und internationale Organisationen, wie Vereinten Nationen oder Europäische Kommission, in Bildungsfragen. Darüber hinaus ist er Gründer und Chefredakteur des „International Journals for Quality and Innovation in Learning“ und Herausgeber des Buchs „Future Skills. Lernen der Zukunft - Hochschule der Zukunft“ (s. a.

29. Oktober 2021, 11 Uhr - Bildung für nachhaltige Entwicklung

Markus Vogt

Bildung für nachhaltige Entwicklung: Vernetztes Denken & Umgang mit Komplexität

Im Gespräch mit Markus Vogt (LMU München) und Anne-Kathrin Lindau (KU Eichstätt-Ingolstadt) tauschen wir uns über die ideengeschichtlichen Grundlagen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, die Kunst des vernetzten Denkens und das Erlernen des Umgangs mit Komplexität aus. Wir wollen erkunden, welche Rolle der Hochschulbildung im Spannungsfeld von Mensch, Technik und Umwelt zukommt. Wie können soziale Innovationen vor dem Hintergrund von Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit partizipativ entwickelt werden? Welchen Beitrag leistet innovative Lehre, die studentisches Engagement und akademische Ausbildung beispielsweise durch Service Learning verbindet? Wie kann man Lernen über die Grenzen des Uni-Campus hinausdenken und welche Brücken zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind dafür erforderlich?

Prof. Dr. Markus Vogt arbeitet seit 2007 als Professor für Christliche Sozialethik an der LMU München. Bereits zwischen 1992-1995 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung. Seit 1995 berät er die Deutschen Bischofskonferenz in ökologische Fragen. 2009 bis 2015 war Markus Vogt Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Sozialethikerinnen und Sozialethiker des deutschsprachigen Raums. Darüber hinaus ist er Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen und kirchlichen Gremien zu den Themen Arbeit, Wirtschaft, Umwelt und Kirche. 2021 hat er das umfassende Kompendium „Christliche Umweltethik“ veröffentlicht.

19. November 2021, 11 Uhr - Hochschullehre in die Zukunft denken

Ariane Hagl

Hochschullehre in die Zukunft denken: Studierendenzentrierung & Lehrqualität

Zum Abschluss der Dialogreihe werden die Themen der Veranstaltung kritisch aus der Sicht der Studierenden von Marian Langer (Studentischer Konvent, KU Eichstätt) und Ariane Hagl ( freie Künstlerin &  kreative Veränderungsprozessbegleiterin) reflektiert. Unsere Gesprächspartner*innen beantworten die Fragen, wie Studierende zukünftig studieren wollen und für welche Zukunft Sie gewappnet sein wollen. Was brauchen Studierende, um eine sich transformierende Gesellschaft aktiv und verantwortungsvoll mitgestalten zu können? 

Dr. Ariane Hagl studierte Psychologie, Pädagogik und Kunsttherapie. Sie ist Künstlerin und bringt gesellschaftliche Themen in den öffentlichen Raum. Seit 30 Jahren begleitet Sie international große Veränderungsprozesse in Unternehmen durch Kreativität und Kunst. Mit ihrem Projekt MOVE zeigt sie eindrucksvoll, welche Ideen und Erwartungen Studierende, Lehrende und Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft gleichermaßen an die Hochschule der Zukunft haben.

Marian Langer vertritt die Interessen der KU-Studierenden seit 2018 im Studentischen Konvent. Er studiert Deutsch, Geschichte und Sozialkunde auf Lehramt für Gymnasien. Neben Hochschulrat und Senat engagiert er sich ebenfalls in der Landes-ASten-Konferenz (LAK) Bayern.

Teilnahme und Anmeldung

Die Anmeldung zu den Veranstaltungen ist online möglich unter https://hochschule-der-zukunft.org/veranstaltungen.

Die Veranstaltung richtet sich explizit auch an Studierende an der KU sowie darüber hinaus. Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich mit Kommentaren und Fragen aktiv am Gespräch beteiligen.

Kontakt bei Nachfragen zur Dialogreihe:

Dr. Ulrike Brok
Tel. 08421-93 23007
E-Mail: ulrike.brok(at)ku.de