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Interview mit Neu-Mitglied Dr. Wenzel Widenka

Dr. Wenzel Widenka, Jahrgang 1986, hat an den Universitäten in Bamberg und Wien die Fächer Geschichte, Theologie und Interreligiöse Studien belegt und mit dem Diplom und mit einem M.A. abgeschlossen. Im Jahr 2019 wurde er zum Dr. phil. im Fach Judaistik an der Universität Bamberg mit einer Arbeit zum Thema "'Sehet, da kommen Schakale, den Weinberg zu zerstören, den Weinberg Israels' - Emanzipation und Konfessionalisierung im fränkischen Landjudentum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" promoviert. Seit 2018 ist Dr. Widenka wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KU in der Forschungseinheit "Key Concepts in Interreligious Discourses". Seit Kurzem ist er auch assoziiertes Mitglied im ZRKG, Forschungsfeld I.

ZRKG: Herr Dr. Widenka, an welchem (Forschungsprojekt-)Projekt arbeiten Sie aktuell?

Natürlich ist hier vor allem das Forschungsprojekt „Key Concepts in Interreligious Discourses“ zu nennen, für welches ich arbeite. Das gemeinsam von den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Eichstätt-Ingolstadt verantwortete Projekt versucht, eine „Archäologie des religiösen Wissens“ zu etablieren, indem wir grundlegende Begriffe und Konzepte der drei großen, monotheistischen Weltreligionen einer vergleichenden Analyse unterziehen, um Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede im Verständnis dieser Konzepte deutlich zu machen. Die thematische Bandbreite reicht hierbei von „Gut/Böse“ über „Krieg/Frieden“ und hört bei „Umwelt/Wirtschaft“ noch lange nicht auf. Dreimal im Jahr veranstalten wir dazu international besetzte Konferenzen, auf denen eine zugehörige Schriftenreihe basiert. Die ersten Bände sind bereits erschienen.

Darüber hinaus beschäftige ich mich momentan vor allem mit zwei Dingen. Erstens der kulturellen und geistesgeschichtlichen Entwicklung des modernen Staates Israel und aktuellen Entwicklungen im Judentum. Zudem beschäftige ich mich seit längerer Zeit mit den politischen Religionen des 20. Jahrhunderts und deren säkularen, fatalen Heilsversprechungen. Ich untersuche also die (pseudo-)religiösen Elemente von Faschismus, Nationalsozialismus, Kommunismus und anderer totalitärer Systeme.

ZRKG: Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen? Hat es so etwas wie einen starken Impuls, ein zentrales Motiv gegeben?

A: Um vom letztgenannten Thema zu sprechen: Ich interessiere mich für alles, was einen „irrationalen“ Aspekt beinhaltet, der der gängigen Auffassung von Aufklärung und Vernunft widerspricht. Es gibt so etwas wie die Geschichte einer „Gegenaufklärung“, die sich mit rein rational verorteter Betrachtung kaum verstehen lässt. Hier braucht es dezidiert religiöses Wissen, Wissen um religiöses Denken, und wohl auch eigene religiöse Erfahrung. Es geht also um Grenzbereiche zwischen Religion und Politik, die mich schon immer fasziniert haben.

ZRKG: Was motiviert Sie, einem interdisziplinären Forschungszentrum beizutreten? Gibt es Themen, die Ihnen besonders wichtig sind?

A: Jedes Fach hat Grenzen, die meistens viel früher auftreten, als man es gehofft hätte. Zum Glück gibt es immer wieder Begegnungen mit Fächern, an die man vielleicht zunächst gar nicht gedacht hatte, die einen aber auf vielfältige Art weiterbringen und das Denken überhaupt erst in Richtungen lenken, die vorher verschlossen waren. Ich erinnere mich genau daran, wie ich als junger Student der Geschichte und der Katholischen Theologie zum allerersten Mail in einer Vorlesung der Judaistik saß; nur aus reinem Interesse. Plötzlich sah ich mein gesamtes Wissen in einem neuen Licht, unter neuen Fragestellungen, aus neuer Perspektive. Damals hatte ich keine Ahnung, dass ich einmal in Judaistik promovieren würde. Solche glücklichen Entdeckungen und Begegnungen möchte ich auch in Zukunft haben. Am wünschenswertesten wäre es, wenn durch den Austausch im Zentrum alles, was ich weiß, oder zu wissen glaube, nochmal durcheinandergewirbelt wird. Auch wenn das natürlich äußerst anstrengend und wenig bequem ist. Was mir besonders wichtig ist: Ich bin mir durch diese fachspezifische Brille durchaus im Klaren, dass ich bei der Betrachtung der Wechselwirkung von Religion und Politik wahrscheinlich wichtige Dinge ganz einfach ignoriere, weil sie außerhalb meines Fokus liegen. Nicht alles ist durch Religion erklärbar, an viele Lösungsansätze denke ich wohl noch gar nicht, einfach, weil mir die Anregung aus einem anderen Fach fehlt. Oft braucht der Theologe einen Fachfremden, der ihn auf den Boden der Tatsachen holt und beispielsweise klippt und klar sagt: Das sieht ja alles ganz toll aus mit dem Weihrauch und den Erklärungsmustern aus Ritualtheorien, aber hier geht’s gerade ganz schnöde ums Geld und ich kann dir das beweisen. 

ZRKG: Gibt es eine Disziplin neben Ihrem eigenen Fach, der Sie sich besonders verbunden fühlen? Und wenn ja – warum?

A: Von Haus aus bin ich ja Historiker, deshalb fühle ich mich den Geschichtswissenschaften sehr verbunden. Aber um die benachbarten Geistes- und Kulturwissenschaften einmal auszuklammern: Ich kenne keine Berührungsängste mit den Naturwissenschaften, auch wenn meine Kenntnisse und Fähigkeiten auf diesem Gebiet äußerst begrenzt sein dürften. Vor allem die Astrophysik hat mich immer fasziniert. Vielleicht ist das für einen Theologen nur naheliegend. Und als Liebhaber guten Weins natürlich nicht zu vergessen die Önologie.