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Veronika Born neues Mitglied im ZRKG

Nach ihrem Studium der Germanistik und der Englischen Literaturwissenschaft an der KU arbeitet Veronika Born seit dem SoSe 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zuerst am Lehrstuhl, später an der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft der KU. Ihr Promotionsstudium begann Sie im SoSe 2020. Seit Juni 2022 ist Sie zudem assoziiertes Mitglied im ZRKG und stellt sich im folgenden Interview kurz vor.

 

ZRKG: Frau Born, an welchem (Forschungs-)Projekt arbeiten Sie aktuell?

A: Derzeit arbeite ich an meinem Dissertationsprojekt, das den Arbeitstitel "Weibliche Boheme in Europa um 1900" trägt. Bei der Boheme handelt es sich besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert um eine intellektuelle Subkultur am Rande der bürgerlichen Gesellschaft. Während der Begriff auf eine französische Fremdbezeichnung für die Sinti*zze und Roma*nja zurückgeht, lässt sich die Boheme nicht nur in Frankreich, sondern in vielen europäischen Ländern finden.  Sie ist in großstädtischen Künstler*innen- und Student*innenvierteln, Vororten mit geringen Lebenshaltungskosten oder ländlichen Künstler*innenkolonien angesiedelt. Die Angehörigen der Boheme treten demonstrativ un- oder gegenbürgerlich auf und betätigen sich künstlerisch. Um 1900 gibt es in der Boheme Frauen, die nicht bloß Modelle, Musen oder Geliebte sind, sondern selbst den Mittelpunkt einer Boheme-Szene bilden. Ich möchte analysieren, auf welche Strategien bei der (Selbst-)Inszenierung der Frauen als Bohemiennes zurückgegriffen wird und wie sie die Boheme in ihren Werken darstellen. Dabei interessieren mich auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Frauen auf regionaler (zwischen Angehörigen eines Boheme-Zentrums) und überregionaler (zwischen Angehörigen verschiedener Boheme-Zentren) Ebene.

Ferner habe ich mich mit der Jenseitsdarstellung in Sibylle Lewitscharoffs Roman "Das Pfingstwunder" sowie in Sibylle Lewitscharoffs und Heiko Michael Hartmanns auf die Gattung des Totengesprächs Bezug nehmendes Werk "Warten auf: Gericht und Erlösung" beschäftigt und die darin entworfenen Jenseitsräume auf ihre Transkulturalität untersucht. Das würde ich gern ausbauen.

ZRKG: Wie sind Sie zu diesen Themen gekommen?

A: In meiner Masterarbeit habe ich mich mit Katholizismus, Katholizität, Protestantismus und Judentum in den Werken der deutsch-französischen Schriftstellerin Annette Kolb auseinandergesetzt. Daher war es für mich naheliegend, mich auch im Rahmen meines Dissertationsprojekts mit einer oder mehreren Autorinnen der Jahrhundertwende um 1900 zu befassen. Die europäische Boheme zu dieser Zeit lässt sich als literarisches und künstlerisches Experimentierfeld begreifen, das Frauen Raum zur Erprobung verschiedener Lebensformen und zur Betätigung als Schriftstellerinnen und Künstlerinnen geboten hat.

Zu meinem Interesse an der Darstellung des Jenseits haben sicher die Zunahme von religiösen Themen und Motiven sowie die vermehrte Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Sterben und Tod beigetragen, die sich in der Gegenwartsliteratur und in aktuellen Fernsehserien beobachten lassen. Der Aspekt der Transkulturalität erscheint mir persönlich vor allem vor dem Hintergrund der zunehmend pluralistischer werdenden Gesellschaft interessant, die sich in der Literatur widerspiegelt.

ZRKG: Was motiviert Sie, einem interdisziplinären Forschungszentrum beizutreten?

A: Meine Motivation, einem interdisziplinären Forschungszentrum beizutreten, ist durch mein Interesse an dem Austausch mit anderen Fachrichtungen bedingt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man durch den Blick über den Tellerrand seines eigenen Fachbereichs hinaus stets neue Perspektiven gewinnt. Zum einen erweitert man dadurch seinen Horizont und zum anderen kann man dadurch auch neue Aspekte der eigenen Forschungsthemen entdecken.

Die Teilnahme an dem vom ZRKG und der Augustana-Hochschule Neuendettelsau veranstalteten Forschungsseminar „Hoffnung aus Verwundbarkeit. Interdisziplinäre Perspektiven auf Leben und Tod“ im Wintersemester 2021/22 trug ebenfalls zu meinem Beitritt bei. Im Rahmen des Seminars beschäftigten wir uns mit verschiedenen ästhetischen  Zeugnissen und Inszenierungen, die das Verhältnis von Leben und Tod sowie die Frage nach dem Sinn des Lebens in Anbetracht des Todes zum Gegenstand haben. Für mich war es spannend, mich nicht bloß mit anderen Literaturwissenschaftler*innen auszutauschen, sondern auch die Sichtweisen katholischer und evangelischer Theolog*innen kennenzulernen.

ZRKG: Gibt es eine Disziplin neben Ihrem eigenen Fach, der Sie sich besonders verbunden fühlen? Und wenn ja – warum?

A: Mein Interesse an anderen Philologien spiegelt sich darin wider, dass ich neben Germanistik und Deutsch als Fremdsprache auch Englische Literaturwissenschaft studiert habe und mich in meiner Dissertation nicht nur mit Autorinnen aus dem deutschsprachigen Raum befasse. Darüber hinaus sehe ich vor allem hinsichtlich der Beschäftigung mit der Selbst- und Fremdinszenierung von Autorinnen Anknüpfungspunkte an die Kunstgeschichte, die Philosophie und die Soziologie, aber auch an die Theologie. Einige Schriftstellerinnen nehmen auf biblische und religiöse Motive Bezug oder werden unter Rückgriff auf solche von anderen dargestellt. Für die Untersuchung von Jenseitsdarstellungen ist eine Bezugnahme auf andere geisteswissenschaftliche Disziplinen ohnehin unumgänglich.  

ZRKG: Danke für das Gespräch und herzlich willkommen im ZRKG!