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"Worte als Waffen" - Bericht zum Workshop

Der von Prof. Dr. Isabelle Stauffer (FF III) und Prof. Dr. Bernward Schmidt (FF I) organisierte und vom ZRKG finanziell maßgeblich unterstützte internationale Workshop fand am 12. und 13. November 2021 in hybrider Form im Lesesaal der Hofgartenbibliothek in Eichstätt statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untersuchten dabei verschiedene Modi der Herabsetzung in Wort und Bild als soziale und ästhetische Praxis während der Reformation. Dabei wurde das im SFB 1285 an der TU Dresden entwickelte Konzept der Invektivität zugrunde gelegt und seine Leistungsfähigkeit anhand konkreter Beispiele überprüft. Zu diesem Zweck wurden sowohl andere Begriffe bzw. Konzepte, die eine Herabsetzung bezeichnen können, der Invektivität gegenübergestellt bzw. mit ihr in Verbindung gesetzt (z.B. Grobianismus, Polemik) als auch die mediale Seite der Herabsetzung thematisiert (v.a. im Medium des Bildes). Der Fokus des Workshops war inhaltlich auf Luther und die Perspektiven seiner Gegner gerichtet – zugrunde gelegt wurde meist gedrucktes Schriftgut, teilweise auch Handschriften und Flugblätter mit einschlägigen Bildern. Die exemplarisch vorgestellten und diskutierten Autoren bzw. Schriften ließen jedoch ein breites Spektrum an verbaler und bildnerischer Herabsetzung erkennen, das von der humanistischen Aneignung antiker Modi des Beleidigens bis hin zu üblen skatologischen Schimpftiraden reicht, die moderne Leser nicht selten peinlich berühren. Diese Arten von Invektivität als soziale bzw. theologische Praxis aufzufassen, wie dies etwa Heinz Schilling oder Heiko A. Oberman in ihren Luther-Biographien demonstriert haben, und ihre rhetorisch-ästhetische Dimension zu erforschen, wie dies Birgit Stolt gemacht hat, dürfte die Forschung weiterführen und die existentielle Dimension der reformatorischen Auseinandersetzungen für ihre Protagonisten sichtbar machen. Freilich lässt sich nicht in jedem Fall entscheiden und muss weiter diskutiert werden, welche präzise Motivation hinter der groben Herabsetzung bzw. dem Verzicht darauf stand. Zudem erwies sich die mediale und intermediale Dimension des Invektiven als zentral durch enge Bezüge zwischen publizierten Schriften und Kupferstichserien. Auffällig war außerdem, daß das Phänomen des Metainvektiven (das Reflektieren der eigenen und fremden Invektivität) häufiger vorkommt als gedacht. In sprachlicher Hinsicht erwiesen sich Stilmittel wie ironische Umkehrungen, taktische Inversionen, Stereotypisierungen und Tiervergleiche als dominant. Der Workshop zeigte auch, dass die Berücksichtigung des „Publikums“ als eines dritten (und häufig nur erschließbaren) Akteurs im Prozess der Invektivität für die Analyse der vorliegenden Texte sowie das Verständnis ihrer Autoren anregend und weiterführend ist. Die Resultate des Workshops werden in der renommierten englischsprachigen Zeitschrift Journal of Early Modern Christianity veröffentlicht.