Der Aufenthalt am KU Forschungskolleg „Dialogkulturen“ dient der Arbeit an einer umfänglichen Monographie über die phönizische Königsnekropole von Sidon im heutigen Libanon. Im Zentrum stehen die vier prominenten Reliefsarkophage, die im Laufe eines Jahrhunderts (ca. 400–320/300 v. Chr.) neben weiteren ‚Trabanten‘ in der unterirdischen Grabanlage aufgestellt wurden und die sehr wahrscheinlich die sterblichen Überreste der lokalen Herrscher enthielten. Heute befinden sie sich im Archäologischen Museum zu Istanbul und sind unter ihren modernen Bezeichnungen als ‚Satrapensarkophag‘, ‚Lykischer Sarkophag‘, ‚Klagefrauensarkophag‘ bzw. ‚Alexandersarkophag‘ bekannt. Die Nekropole selbst wurde nach der Entdeckung und dem Abtransport der in ihr aufgestellten Marmorwerke im Jahre 1887 zerstört, so dass ihr Aussehen und ihre Geschichte nurmehr anhand der Erstpublikation (1892) zu erschließen sind. Die Reliefsarkophage wurden seit den 1950er Jahren in Einzelschriften vorgelegt und sind seither von der Forschung immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven besprochen worden, doch fehlt nach wie vor eine grundlegende Arbeit, in der die Bezüge zwischen den Sarkophagen, ihr phönizischer Aufstellungskontext und ihr Verhältnis zu verwandten Denkmälern systematisch diskutiert wird, denn diese sind – so die Arbeitshypothese – in diesem unmittelbaren sowie einem größeren ikonographisch-semiotischen Austauschsystem zu sehen, lesen und deuten. Die vier sidonischen Hauptwerke untereinander, aber auch mit anderen Monumenten in dialogische Beziehungen zu setzen, soll sowohl für die Betrachtung von Formen der Herrschaftsrepräsentation innovativ sein als auch Anstoß geben für die zukünftige Beurteilung der Interaktionsparameter der Diffusion und Assimilation von Bildsprachen in geographisch-kulturellen Randzonen wie in historischen Zeitabschnitten erhöhter räumlicher Mobilität.
Ausgehend von der Königsnekropole und ihrer Ausstattung werden im zweiten Teil der Monographie weitere aufwändige Grabmonumente desselben Zeithorizonts vergleichend in den Blick genommen, in denen Mitglieder der politischen Führungselite (Könige, Dynasten, Aristokraten) bestatten wurden. Dazu zählen so bedeutende Befunde wie die Königsgräber von Vergina (Makedonien), das Maussolleion von Halikarnassos (Karien) oder das Heroon von Trysa (Lykien). Außerdem haben spektakuläre Neuentdeckungen in Amphipolis (Makedonien) und Mylasa (Karien) den Bestand in jüngerer Zeit erweitert. Gerade der komparative Ansatz lässt neue Erkenntnisse zu kombinierten Strategien der Totenverehrung und der Herrschaftsrepräsentation im östlichen Mittelmeerraum erwarten. Vor allem ist den Landschaften, in denen jene zum Vergleich herangezogenen Gräber entstanden – Makedonien mit dem Geschlecht der Argeaden, ferner Kleinasien mit Karien unter den Hekatomniden und dem von Dynasten beherrschten Lykien –, wiederum gemein, dass sie schon aufgrund ihrer jeweiligen geographischen Lage als Zonen intensiven kulturellen Austauschs gelten. Folglich lassen sich am Beispiel der Herrschergräber transformative kulturelle Austauschprozesse in idealer Weise untersuchen.