Wir sind in großer Sorge um die Menschen, die seit Wochen schutzlos in den Wäldern frierender Kälte, unzureichender Versorgung und gewalttätigen Attacken der Sicherheitskräfte und des Militärs ausgesetzt sind. Es sind bislang mehrere Menschen ums Leben gekommen. Wir verurteilen die andauernden Verletzungen der Menschenrechte und Verstöße gegen das internationale Völkerrecht im Grenzgebiet Polen Belarus.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte formuliert folgende Einschätzung:
"Das internationale Flüchtlingsrecht und die Menschenrechte verbieten es, schutzsuchende Menschen an der Grenze ohne individuelle Prüfung ihres Asylantrags zurückzuweisen. Hiergegen verstößt die Entscheidung des polnischen Parlaments, solche Pushbacks zu legalisieren, in eklatanter Weise. Indem sie den Schutzsuchenden auch Wasser, Nahrung und Obdach sowie eine medizinische Versorgung und anwaltlichen Beistand verweigert, missachtet die polnische Regierung die Europäische Menschenrechtskonvention und eine konkrete Anordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im einstweiligen Rechtsschutz.“
Die Situation der Geflüchteten, die derzeit an der polnisch-belarussischen Grenze ausharren müssen, ist lebensbedrohlich. Der einbrechende Winter wird, wenn nicht politisch unverzüglich gehandelt wird, zu einer humanitären Katastrophe führen.
Die belarussische Regierung instrumentalisiert Medienhinweisen zufolge Flüchtende für politische Interessen. Die Menschen an den EU-Außengrenzen dürfen nicht länger Spielball von machtpolitischem Kalkül sein. Eine humane und rechtskonforme Praxis im Umgang mit Flüchtlingen an der polnischen EU-Außengrenze muss von allen beteiligten Institutionen und Akteur*innen verfolgt werden.
Wir schließen uns einer Erklärung des Rates für Migration und der Sektion Migration, Flucht und Europäisches Grenzregime im Rat für Migration an.
"In der gegenwärtigen Situation ist eine umgehende Durchsetzung der folgenden Maßnahmen zur fordern:
- Im Sinne einer akuten Nothilfe sollte Polen und Weißrussland angeboten werden, Mittel des zivilgesellschaftlichen Katastrophenschutzes für die Versorgung der Schutzsuchenden im Grenzgebiet bereitzustellen.
- An der Außengrenze der EU sind Möglichkeiten zu schaffen, tatsächlich einen Asylantrag zu stellen und damit einen Anspruch auf menschenrechtliche Standards entsprechende Versorgung und Unterbringung zu erhalten. Um dies zu gewährleisten, sollten die EU und die Bundesregierung Polen umfangreiche finanzielle und personelle Unterstützung bei der Aufnahme und Versorgung der Schutzsuchenden sowie der Durchführung von Asylverfahren anbieten. Dies sollte auch mit einer verlässlichen Zusage der Bundesregierung einhergehen, einen Teil der Geflüchteten aufzunehmen, die über Polen in die EU eingereist sind.
- Weiter ist es dringend politisch darauf hinzuwirken, dass anstelle von Maßnahmen der Grenzsicherung Zugangsmöglichkeiten für die Schutzsuchenden geschaffen werden, die sich gegenwärtig im Grenzgebiet aufhalten. Es ist nicht verantwortbar, dies erst dann zu tun, wenn eine weitere Zuspitzung der Lage im Grenzgebiet dann dazu führt, dass dies als unabweisbar erscheint.
- Es ist darauf hinzuwirken, dass Journalist:innen, Nicht-Regierungs-Organisationen und Wissenschaftler:innen ein freier Zugang zum Grenzgebiet gewährleistet wird, damit die politische Willensbildung in der EU und Deutschland auf einer informierten Grundlage erfolgen kann."
Erklärungen zur aktuellen Situation:
https://www.svr-migration.de/presse/presse-svr/svr-zu-belarus/