Neue Impulse für die Forschung

Finanziert von der Deutschen Forschungsgesellschaft war es in den letzten Jahren möglich, zahlreiche Einzelaspekte rund um die Tabula Peutingeriana näher zu untersuchen. Jüngst ist es zudem gelungen – in Kooperation mit der Universität Trier – mit einer Hyperspektralkamera Bilder von Teilen dieses faszinierenden Zeugnis antiker Kartographie vor Ort zu machen. Hierbei konnten in Wellenbereichen zwischen 640 und 460 Nanometer Bilder EDV-technisch erzeugt werden, die Details auf der Tabula sichtbar machen, die für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar sind. Hier werden weitere Arbeiten ansetzen müssen, um strittige Lesungen auf der Tabula Peutingeriana zu klären und heute nicht mehr sichtbare Details oder Toponyme, womöglich unter Zuhilfenahme der Abzeichnung von Marcus Welser (1598) oder der Ausgabe von Franz Christoph von Scheyb (1753), wieder in die Erforschung der einzigen aus der Antike überlieferten großformatigen Weltkarte einzubringen.

Segment 1 der Tabula Peutingeriana unter der Hyperspektralkamera in der Österreichischen Nationalbibliothek.
v.l.n.r.: Prof. Dr. Leif Scheuermann (Trier), Prof. Dr. Michael Rathmann (Eichstätt), Philipp Köhner (Eichstätt), Dr. Henning Buddenbaum (Trier), Gruppenbild vor der Österreichischen Nationalbibliothek.
TP 8B1 nach der Ausgabe von Welser (1598)
TP 8B1 nach der Ausgabe von Scheyb (1753)
TP 8B1 nach den Fotos von 2016
TP 8B1 nach den Fotos mit der Hyperspektralkamera von 2022

Tagung "The Tabula Peutingeriana: Recent Approaches and New Results" (19.-21.09.2019)

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts erforscht der Lehrstuhl für Alte Geschichte (Prof. Dr. Michael Rathmann) der KU seit 2017 die „Tabula Peutingeriana“. Diese um 1200 entstandene Kopie einer antiken Vorlage ist die einzige erhaltene Weltkarte aus der Antike. Außergewöhnlich ist das Format der Pergamentrolle, die auf einer Länge von fast sieben Metern bei gut 30 Zentimetern Breite einen Bereich von Spanien bis Indien extrem verzerrt abbildet. Eine internationale Tagung in der Wiener Nationalbibliothek versammelte nun 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus neun Ländern mit dem Forschungsschwerpunkt „Antike Geographie“, um aktuelle Forschungsansätze und Ergebnisse zu diskutieren. Vorgestellt wurde dabei auch eine neue Online-Datenbank des Lehrstuhls für Alte Geschichte, welche die auf der Karte vermerkten Angaben kommentiert.

Seit ihrer Publikation 1598 wirft die Tabula Peutingeriana, die von der UNESCO im Jahr 2007 zum Weltdokumentenerbe erklärt wurde, zahlreiche Fragen auf und befeuert damit den wissenschaftlichen Diskurs über antike und mittelalterliche Geographie. Dabei zeigen viele Publikationen der letzten Jahrzehnte, dass dieses einzigartige Zeugnis der Kartographiegeschichte bisher mehr be- als erforscht wurde. Der Lehrstuhl für Alte Geschichte der KU befasst sich deshalb im Zuge des DFG-Projektes mit der Kommentierung der Tabula. Ziel dieser Arbeit ist ein ausführlicher Kommentar der ca. 3700 Toponyme (Orte, Inseln, Berge, Flüsse, etc.) sowie die digitale Aufarbeitung und Bereitstellung der Ergebnisse in einer frei zugänglichen Online-Datenbank.

Bei der Tagung in Wien wurden die Arbeit des Lehrstuhls sowie die aktuellen Forschungsansätze und neuen Ergebnisse einem breiten akademischen Publikum präsentiert und diskutiert. Die Tagungsteilnehmer befassten sich dabei nicht nur mit der Darstellung einzelner Gebiete der antiken Welt auf der Tabula Peutingeriana selbst, sondern besonders auch mit Fragen zum Kopierprozess von der antiken Vorlage bis hin zur deren mittelalterlichen Kopie.

Im Fokus der Diskussion stand vor allem die Frage nach der Datierung der antiken Vorlage. Mit Richard Talbert (Chapel Hill), Ekkehard Weber (Wien) und Michael Rathmann (Eichstätt) waren dabei die Vertreter der drei zentralen Entstehungsthesen an einem Ort versammelt. Während Talbert die Vorlage der Tabula in die Spätantike einordnet (ca. 300 n. Chr.), sieht Weber ihre Entstehung im Kontext der Agrippa-Karte (ca. 13 v. Chr.), Rathmann dagegen hält sie für ein Produkt des Frühhellenismus (ca. 250 v. Chr.). Aufgrund dieser stark differierenden Entstehungstheorien rückt die Forschung derzeit davon ab, nur nach der exakten Datierung der Vorlage zu fragen und richtet ihren Blick stärker auf die Herausarbeitung der einzelnen antiken Bearbeitungsstufen der Karte, die immer mehr als ein „work in progress“ gedeutet wird.

Den Höhepunkt der Tagung bildete für alle Teilnehmer deshalb die Besichtigung der Tabula Peutingerina im Original, die sich seit 1738 im Besitz der Wiener Hofbibliothek befindet. Über eine Stunde lang durften sich alle Teilnehmer selbst vom Erhaltungszustand überzeugen und erhielten Einblick in die Arbeit der Restauratoren der Nationalbibliothek.

Den Abschluss der Tagung bildete schließlich die Präsentation der Eichstätter Datenbank http://tp-online.ku.de, die nun frei verfügbar ist und Informationen zu sämtlichen Toponymen auf der TP liefert wie Belegstellen bei antiken Autoren, Datierungsvorschläge, weiterführende Literatur und ausführliche Kommentare zu den Toponymen selbst.

Den von PD Dr. Silke Diederich (Köln) verfassten Bericht zur Tagung "The Tabula Peutingeriana: Recent Approaches and New Results" finden Sie unter <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-127161>.

DFG-Projekt "Kommentar zur Tabula Peutingeriana" (2017-2022)

Die Tabula Peutingeriana, seit 2007 UNESCO Welterbe, ist ein einzigartiges Zeugnis der Kartographiegeschichte. Das uns vorliegende Exemplar ist eine um 1200 n. Chr. entstandene Darstellung geographischen Wissens, dessen letzte antike Überarbeitung um 435 anzusetzen ist. Da es sich um die einzige großformatige Karte handelt, die aus der Antike überliefert ist, wird klar, wie essentiell es für unser Verständnis der Raumauffassung in der Antike ist, dieses wichtige Zeugnis zu analysieren. Singulär ist bereits das kuriose Format dieser Pergamentrolle: Mit einer Länge von knapp 6,80 m und einer Höhe von lediglich 33 cm bildet die Tabula die Oikumene von Iberien (der Anfang ist leider nicht erhalten) bis Indien in einer extremen Verzerrung ab. Wir fassen hier eine antike Traditionslinie nichtmaßstäblicher Karten außerhalb der hochelitären mathematischen Geographie, die Rückschlüsse auf das geographische Wissen eines breiteren Publikums innerhalb der römischen Oberschicht erlaubt und seit über 250 Jahren immer wieder neue wissenschaftliche Diskussionen entfacht. 

Das DFG-Projekt „Kommentar zur Tabula Peutingeriana“ greift diese Forschungskontroversen auf und fokussiert dabei vor allem auf folgende Aspekte: Zeitstellung und Entstehungsstufen, Bezüge zu anderen Kartenwerken sowie literarisch-geographischen Quellen, Design, geographische Korrektheit und Benutzbarkeit, Zweckbestimmung und Publikum, sowie Umfang der mittelalterlichen Modifikationen und möglicher Kopistenfehler.

Der bei der Kommentierung und Auswertung der rund 3.700 Toponyme gewählte Zugang ist in vielerlei Hinsicht innovativ: Die gängigen Theorien zu Datierung, Quellen und Zweckbestimmung werden in Frage gestellt. So wird eine frühhellenistische Grundform der TP angenommen, woraus sich Konsequenzen für die Geschichte der antiken Kartographie als Ganzes ergeben, die neu zu durchdenken ist, da die Tabula nicht mehr als Resultat einer griechisch-römischen Kartographie sondern vermutlich als Frühprodukt in dieser Entwicklungsgeschichte zu sehen ist. Außerdem sollen statt einer fixen Datierung die verschiedenen Bearbeitungsstufen im Vordergrund stehen. Die TP soll dabei als „work in progress“ gedeutet werden, deren Zweckbestimmung mit ihren sich wandelnden historisch-kulturellen Hintergründen möglicherweise wechselte. Gestützt auf moderne Raumtheorien soll die TP als ein Kulturzeugnis verstanden werden, das dokumentiert, wie Menschen diese besondere Form der Darstellung eines geographischen, aber auch gesellschaftlichen, politischen und religiösen Raumes im Wandel der Zeit genutzt haben. Ihre Deutung als Wissensspeicher und Medium der Memoria erlaubt Rückschlüsse auf Methoden, Möglichkeiten und Grenzen des Generierens und Tradierens von Wissen allgemein.

Die Erstellung eines Kommentars ist in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit, die vor einige Schwierigkeiten gestellt ist: Insbesondere zum westlichen Africa existieren bislang nur wenige, verstreute Vorarbeiten. Auch zu den Regionen östlich des Römischen Reiches kann oftmals nur auf vereinzelte, aus dem späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammende Veröffentlichungen, nicht jedoch auf umfassende Referenzwerke rekurriert werden.

Übersicht aller ehemaligen Beteiligten

Projektmitarbeiter:

PD Dr. Silke Diederich

Philipp Köhner M.A.

Prof. Dr. Michael Rathmann

Prof. Dr. Monika Schuol

 

Hilfskräfte:

Hannah Brauchle
Sophie Braun
Lena Haberstock
Selina Hofmann
Bernhard Hübner
Sven Johannes
Adrian Karmann
Arthur Köstner
Patricia Wanner
Thomas Wittmann

Tagung "Die Tabula Peutingeriana" (8.-10.10.2015)

Aus dem Mittelalter überliefert ist eine mehrere Meter lange Pergamentrolle, die Einblick in die antike "Welt" gibt.

Die "Tabula Peutingeriana" ist eines der beeindruckendsten antiken Zeugnisse, das zumindest in mittelalterlicher Kopie überliefert ist: Auf dieser rund sieben Meter langen Pergamentrolle ist annähernd die gesamte bekannte 'antike Welt' von Iberien bis Indien abgebildet - und dies bei einer Rollenhöhe von lediglich 36 cm. Nachdem sie für rund 200 Jahre als Produkt einer imperialen, römischen Kartographie galt, haben neue Forschungsansätze in den letzten Jahren diese Karte und mit ihr das gesamte Themenfeld der Geographie und Kartographie in ein neues Licht gerückt. Diesen Erkenntnissen widmete sich vom 8. bis 10. Oktober eine Tagung an der KU.

Veranstalter waren der Lehrstuhl für Alte Geschichte an der KU (Prof. Dr. Michael Rathmann) und die Ernst-Kirsten-Gesellschaft (Internationale Gesellschaft für Historische Geographie der Alten Welt). Insgesamt 19 Vortragende aus sieben Ländern diskutierten dabei verschiedene Forschungsansätze, Datierungsmöglichkeiten und Fragestellungen rund um die Tabula Peutingeriana.

Den Tagungsbericht von Frau PD Dr. Silke Diederich finden Sie unter <www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-124905>.