Büro für die Bürgerschaft: Ideenlabor und Ort für regionale Zusammenarbeit
Im Sommer 2023 hat die KU mit dem Büro für die Bürgerschaft am Eichstätter Marktplatz einen zentralen Ort für den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Durch partnerschaftliche Kooperationen, Wissensaustausch und vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten einen lebendigen Ort für eine Kultur der Nachhaltigkeit zu schaffen. Seitdem hat das Büro vielen Besucherinnen und Besuchern die Tür geöffnet und ist in vielen Projekten weiter gewachsen.
Wer die hellen Räumlichkeiten betritt, wird herzlich empfangen. Ob die Teilnahme an einer Diskussionsrunde, eine Ausstellung oder aber der Gang zum Foodsharing-Kühlschrank – der Anlass für den Besuch ist zunächst zweitrangig. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich herumgesprochen, dass das Büro ein Ort für alle ist, die Interesse an der gemeinschaftlichen Gestaltung eines guten, nachhaltigen Lebens haben. Die bisherige Erfahrung zeigt: Je vielfältiger die Einladungen zur Mitgestaltung einer lebenswerten Zukunft ausfallen, desto mehr Menschen nehmen sie an.
So diskutierten etwa Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Forschenden aus der Geographie, mit den Stadtwerken, dem Technischem Hilfswerk und dem Rotem Kreuz neue Ansätze zum Umgang mit extremen Wetterereignissen wie Hitze und Starkregen in der Stadt. Regelmäßig treffen sich auch engagierte Studierende im „Green Office – Nachhaltigkeitsbüro der KU“, das im Büro für die Bürgerschaft beheimatet ist. Dort tauschen sie sich bei Kaffee und Tee über Themen wie psychische Belastungen in Bezug auf den Klimawandel oder Ressourceneffizienz aus.
Die Vielfalt der Angebote spiegelt sich auch in den Gästen wider: Bürgerinnen und Bürger, Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen und Mitarbeitende aus Stadt und Landkreis kommen über die Angebote mit der KU und den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Kontakt. Dazu tragen auch die Gesprächsrunden der Reihe wissen.schafft.wir. DIALOG bei. Sie werden in Kooperation mit anderen Einrichtungen der KU wie dem Zentrum Flucht und Migration veranstaltet. Darüber hinaus haben studentische Initiativen wie der Arbeitskreis Foodsharing im Büro für die Bürgerschaft einen Ort gefunden, an dem sie zusammenkommen und wirken können.
KU-Präsidentin Prof. Dr. Gabriele Gien mit dem Eichstätter Oberbürgermeister Josef Grienberger und dem Landrat Alexander Anetsberger (rechts) bei der Eröffnung
Dass das Büro viele Gesichter hat, zeigte sich mustergültig im September 2023. Durch eine gemeinsame Initiative des Kreisjugendringes Eichstätts und des Landkreisprojekts „Demokratie leben!“ verwandelte sich das Foyer für mehrere Wochen in ein Wahllokal für die U-18-Landtagswahl. Schülerinnen und Schüler von der Grundschule bis zur Oberstufe konnten dort fiktiv wählen und sich gleichzeitig aktiv mit politischen Positionen und Entwicklungen auseinandersetzen. Im Rahmen eines Workshops, der von Marian Hummel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Politische Bildung, und Andrea Bittlmayer vom Kreisjugendring Eichstätt gestaltet wurde, hatten sie die Möglichkeit, sich mit dem Wahl-O-Mat vertraut zu machen und an einer simulierten Talkshow zu den Wahlen teilzunehmen.
Für einen aktiven, wechselseitigen Austausch von Ideen, Wissen und Erfahrungen stehen auch weitere Kooperationsprojekte der KU mit der Stadt und dem Landkreis Eichstätt. Das Büro bietet ihnen eine Plattform, um gemeinsam über zukunftsweisende Ideen und neue Perspektiven für die Region nachzudenken. Ob die Einsparung von Energie und CO2, die Gewinnung von Fachkräften oder die Prävention von Rechtsextremismus – viele der großen gesellschaftlichen Herausforderungen beschäftigen gerade die Kommunen intensiv. Durch die enge Zusammenarbeit von Universität, Stadt und Landkreis Eichstätt wächst dabei stetig eine Verantwortungsgemeinschaft für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung.
Alle drei Partner sind sich bewusst, dass die Zukunftsfähigkeit der Region dabei auch an die aktive Beteiligung möglichst vieler Bürgerinnen und Bürgern geknüpft ist. In offenen und transparenten Prozessen sollen sie Themen an Politik und Wissenschaft herantragen können. Wie dies gelingen kann, erproben Projekte wie „Eichstätt besser machen“ (siehe Kasten). „Wir versuchen, Wissenschaft aus der Sicht der Stadt dafür zu nutzen, die Probleme der Bürgerinnen und Bürger im Alltag vor Ort aufzunehmen, zu analysieren und zusammen mit der Wissenschaft Lösungsansätze zu finden“, erklärte der Eichstätter Oberbürgermeister Josef Grienberger anlässlich der Eröffnung des Büros für die Bürgerschaft im Juni 2023. Landrat Alexander Anetsberger freute sich zur Einweihung ebenfalls auf neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Er könne sich nur wünschen, dass das Büro dazu beiträgt, wissenschaftliche Fragestellungen noch weiter in der Bürgerschaft zu verankern, so dass aktuelle Diskussionen auch von den Bürgerinnen und Bürgern mitbestimmt werden können.
Eine direkte Brücke zur Bürgerschaft, aber auch zu Besucherinnen und Besuchern in Eichstätt schlagen die Büro-Schaufenster. Regelmäßig werden sie mit neuen Inhalten bestückt. Informationen zu Veranstaltungen der KU finden sich hier genauso wie Beiträge, die zum Nachdenken über Themen wie Künstliche Intelligenz oder die Verschwendung von Lebensmitteln anregen. Kreative Formate wie ein Gestaltungsabend im Rahmen des Kunst- und Kulturfestivals „Stadt-Land-Kunst“, gehen darüber nochmals hinaus: 250 Gäste zeichneten, druckten und malten im Oktober 2023 gemeinsam Bilder für eine Ideen-Ausstellung, die ihre Visionen für Eichstätt als lebenswerte und zukunftsfähige Stadt zeigte. Mittlerweile beheimaten die Räumlichkeiten am Marktplatz auch Citizen Science Projekte wie etwa bis zu diesem Sommer „Eichstätt – Raum für alle?“, das von Prof. Dr. Rico Behrens, Professor für Politische Bildung, in Zusammenarbeit mit der Politik-AG des Willibald Gymnasiums und dem Projekt „Mensch in Bewegung“ gestaltet wurde. Die Idee hinter Citizen Science: Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich aktiv an wissenschaftlichen Untersuchungen, indem sie ihr Wissen in unterschiedlichen Stufen eines Forschungsprozesses einbringen. Im Fall von „Eichstätt – Raum für alle?“ nahmen Schülerinnen und Schüler als Ko-Forschende über ein Schuljahr hinweg die Gestaltung des öffentlichen Raums in Eichstätt in den Blick. Dabei untersuchten sie Bedarfe und Gerechtigkeitsvorstellungen unterschiedlicher Gruppen in der Nutzung öffentlicher Plätze und Wege.
2024 ging die Entwicklung weiter: Ein von der Volkswagenstiftung gefördertes Pioniervorhaben für gesellschaftliche Transformation ermöglichte es, das Büro für die Bürgerschaft zu einem Reallabor auszubauen. „Reallabore sind ein aktuelles Forschungsformat, durch das wir als Universität aktiv unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen möchten,“ erklärt Dr. Thomas Metten, der die Stabsabteilung Strategie und Hochschulentwicklung an der KU leitet und das Projekt initiiert hat. „Neues Wissen birgt stets das Potenzial für Veränderung,“ so Metten. Der Reallaboransatz verknüpft daher zwei Perspektiven miteinander: Wissen zu generieren und Veränderungsprozesse zu gestalten. Ziel des Projektes ist es, mit dem Büro nicht nur einen offenen Experimentierraum für neue Ideen zu etablieren, sondern gemeinsam mit allen Menschen möglichst konkrete Lösungen für Nachhaltigkeitsprobleme in einer ländlichen Region zu erarbeiten und so als engagierte Universität einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.
„Eichstätt besser machen“ – ein Projekt im Büro für die Bürgerschaft
131 Bürgerinnen und Bürger, Forschende der KU, Vertreterinnen und Vertreter der Stadt und des Landkreises Eichstätt haben im Sommer 2023 im Rahmen des Projekts „Eichstätt besser machen – mit der zukunftsfähigen Stadt“ gemeinsam an der Zukunft Eichstätts gearbeitet. Das Projekt ist eine Initiative der Körber-Stiftung in Kooperation mit der KU, der Stadt Eichstätt und dem Netzwerk fairEInt. Im Fokus des Projekts stand die Veränderung der Stadt vor dem Hintergrund des Klimawandels. Insgesamt fanden 16 Tischgespräche statt. Dabei kamen bis zu zehn Personen aus der Bürgerschaft, zivilgesellschaftlichen Organisationen und kommunalen Einrichtungen für etwa eineinhalb Stunden zusammen, um Projektideen zu entwickeln. Den Themenschwerpunkt des Tischgesprächs wählten die Gastgeber der Gespräche selbst. Anschließend wurden die Projektideen mit der Stadtverwaltung rückgekoppelt, um durch Feedback und Unterstützung geschärft, angepasst und – im Idealfall – realisiert werden zu können. In Eichstätt ging es zum Beispiel um die Zukunft des Kapuzinergarten Eden, um Müllvermeidung in der Innenstadt, um Energiesparen in der Stadtverwaltung und um mehr naturnahe Spielräume.
Die Tischgespräche fanden auch im Büro für die Bürgerschaft statt. „Für uns war es wichtig, dass die Gespräche eine Beteiligung möglichst vieler gewährleisten und die eingebrachten Positionen gleichwertig nebeneinanderstanden,“ berichtet Maria Bartholomäus, die das Projekt an der KU durchgeführt hat. „Als Prozessbegleiterin und Beobachterin frage ich mich schon während eines Gesprächs: Wie bringen Personen ihr Wissen und ihre Erfahrungen ein, wie beziehen sich die Vorschläge auf das Gemeinwohl, wie werden sie begründet und wie greifen die weiteren Teilnehmenden die Argumente in ihren Überlegungen auf. Hier eröffnet sich ein Lernfeld, das es uns ermöglicht, Muster zu erkennen und Folgeprozesse noch stärker auf eine gelingende Inklusion und Deliberation hin zu konzipieren.“ Eichstätts Oberbürgermeister Josef Grienberger resümiert: „Wie können wir den Problemen der Bürgerinnen und Bürger mit den Mitteln der Wissenschaft begegnen – und so einer Lösung näherkommen? Klar ist: Das wird uns nur mit einem Austausch auf Augenhöhe und einem Rahmen zum Zusammenkommen und Diskutieren gelingen. Das haben wir schon beim allerersten Tischgespräch erleben dürfen.“
Stimmen zum Büro für die Bürgerschaft
Melike Bozlak, Landratsamt Eichstätt
Federführend bin ich seitens des Landkreises Eichstätt zusammen mit Andrea Bittlmayer vom Kreisjugendring für das Projekt „Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Eichstätt“ im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständig. Ziel des Projektes ist, gemeinsam mit relevanten, lokalen Akteurinnen und Akteuren das zivilgesellschaftliche Engagement vor Ort zu stärken, unsere demokratische Kultur und Vielfalt zu fördern sowie gegen jegliche Art von Diskriminierung einzustehen.Das Büro für die Bürgerschaft bot uns für eine breite Palette von Projekten einen idealen Veranstaltungsort. So zeigten wir den Dokumentarfilm „Spuren – Die Opfer des NSU“ von Aysun Bademsoy, verwandelten das Büro im Rahmen der U18-Landtagswahl in ein Wahllokal für Kinder und Jugendliche, führten Schulklassen und andere Gruppen durch die Ausstellung „Demokratie stärken – Rechtsextremismus bekämpfen“, organisierten Informationsveranstaltungen und fanden Raum für Austausch und Brainstorming. Man kann also sagen, im Büro für die Bürgerschaft wird jedes Format möglich gemacht.
Da das Büro für die Bürgerschaft verschiedene (Fach-)Kompetenzen beherbergt, stellt es zugleich einen lebendigen und kreativen Raum für Zusammenarbeit dar. Ideen, Impulse und Lösungen sind hier dadurch schnell gesammelt. Jeder und jede hat einen eigenen Blickwinkel, der neue Perspektiven eröffnet. Das ist für mich in meiner Arbeit sehr bereichernd und hilfreich. Auch die zentrale Lage des Büros birgt einen sehr großen Vorteil. Dadurch war es uns auch möglich, an Wochenenden die Türen unserer Projekte für die Öffentlichkeit zu öffnen. So schafften wir zum einen Sichtbarkeit und Erreichbarkeit sowie eine spontane Begegnung und Austausch.
Anne Fröhlich, Landratsamt Eichstätt, Fachbereich Nachhaltigkeit
Das Büro für die Bürgerschaft bietet für den Landkreis und hier speziell den Fachbereich Nachhaltigkeit einen hervorragenden Begegnungsraum für diverse Zukunftsthemen. Die Beteiligung an Tischgesprächen der Initiative „Eichstätt besser machen“, die gemeinsame Organisation und Durchführung eines „Runden Tisches Flächennutzung“, gemeinsame Veranstaltungen im Kapuzinergarten zu gartenbaulichen Themen oder langfristige Projekte wie das „Transformationsprojekt Bauhof“ sind als Beispiele zu nennen. Hierbei bietet das Büro der Bürgerschaft nicht nur einen physischen Raum der Begegnung, sondern auch fachliche Betreuung von der Moderation von Veranstaltungen und Dialogen bis zu interdisziplinärer, wissenschaftlicher Begleitung. Aus Sicht des Landkreises ist die Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft bei den laufenden Transformationsprozessen in den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit von großer Bedeutung und förderlich für eine inklusive und gemeinwohlorientierte Umsetzung. In Hinblick auf die Komplexität dieser Themen sind langfristige Kooperationen unabdingbar.