Nachrichten

Prof. Dr. Friederike Reents neues Mitglied im ZRKG

Prof. Dr. Friederike Reents hat im Dezember 2021 den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der KU übernommen. Seit März 2022 ist sie Vollmitglied im Forschungsfeld III des ZRKG. Sie stellt sich und Ihre Forschungsarbeit im folgenden Interview näher vor.

ZRKG: Frau Prof. Reents, an welchen Forschungsthemen arbeiten Sie aktuell?

Unter dem Eindruck einer allgegenwärtigen globalen Umweltkrise als einem großen gesellschaftlichen wie ökologischen Umbruch geht es in meiner aktuellen Forschung im Bereich der Environmental Humanities um das interdisziplinär ausgerichtete Verstehen von zeitlich und regional unterschiedlichen Beschreibungen dieser katastrophischen Situation sowie das Erkennen und Nutzen von Handlungsräumen, die sich aus dem damit verbundenen Umdenken ergeben. Die dadurch ausgelösten bzw. zu erwartenden Umbrüche erfordern, das Verhältnis von Mensch und Umwelt, von Natur und Kultur neu in den Blick zu nehmen und zu überdenken. Hierbei geht es um folgende Fragen: Wie können radikale Veränderungen von Umweltbedingungen in Vergangenheit und Gegenwart als kreative Krisen ein Umdenken bewirken und zum Handeln animieren? Wie werden geistes-, natur- und sozialwissenschaftliche Untersuchungen zur Umweltkrise zueinander in Bezug gesetzt? Inwiefern können durch eine komplementäre historisch-kulturwissenschaftliche Dimension Diagnose- und Therapiemöglichkeiten der Umweltkrise so in einer Weise erfasst werden, dass neue Perspektiven auf Handlungsmöglichkeiten sichtbar werden? Dabei untersuche ich als Literaturwissenschaftlerin u.a. die Chancen und Grenzen poetischer Interventionen und neu engagierter Literatur.

Weiterhin beschäftige ich mich mit literarischen, häufig traumatisch bedingten Gedächtnisräumen, die aufgrund der Erfahrungen von Ghetto, Verlust, Flucht und Exil entstanden sind. Aufgrund der spezifisch deutschen Geschichte empfinde ich eine besondere Verantwortung, diesem Thema in Forschung, Lehre und auch Transfer einen entsprechenden Raum zu geben – und dies umso dringlicher in einer Zeit, in der es bald keine Zeitzeugen des Holocaust mehr geben wird, und in der Flucht und Migration nicht zuletzt auf Grund des Ukraine-Kriegs leider wieder einmal präsenter und bedrückender sind denn je. 

ZRKG: Wie sind Sie zu diesen Themenkreisen gekommen? Hat es so etwas wie einen starken Impuls gegeben?

Mit den Environmental Humanities und auch den Möglichkeiten neu engagierter Literatur habe ich mich verstärkt seit meinem Forschungsaufenthalt an der Harvard Universität im Jahr 2019 beschäftigt. Im angloamerikanischen Raum ist diese Forschungsrichtung schon sehr viel länger etabliert als im deutschsprachigen Bereich, wo diese Fragestellungen gerade erst aufgegriffen und vertieft werden. Jenseits dieses institutionellen Impulses gab und gibt es natürlich auch das offensichtliche und längst im Zentrum der Gesellschaft angekommene Motiv, sich mit dem Einfluss des Menschen auf die Umwelt zu beschäftigen. Es geht dabei darum, einen Beitrag zu leisten, um ein Miteinander zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen auf dem Planeten weiterhin, idealerweise aber unter besseren Bedingungen für alle, zu ermöglichen.

Zu dem Thema der literarischen Gedächtnisräume kam ich durch die persönliche Begegnung mit dem amerikanischen Schriftsteller Louis Begley, der vor einigen Jahren die Heidelberger Poetikdozentur innehatte und mit seinem Debutroman „Lügen in Zeiten des Krieges“ seine autobiographischen Erfahrungen auf der Flucht vor den Nazis beschrieben hat. Der persönliche Austausch mit einem Zeitzeugen hat mir die Notwendigkeit der Auseinandersetzung und Zeugnis-Weitergabe vor Augen geführt. Zu sehen, wie der inzwischen alte, schon vor langer Zeit in die USA emigrierte Mann, der durch die Nazis große Teile seiner Familie und auch seine Heimat verloren hat und seither nicht mehr die Tätersprache, also Deutsch, spricht, mit einem deutschen Kind (meiner Nichte) dann doch Deutsch gesprochen hat, um sich mit ihr zu verständigen, hat mich sehr berührt.

ZRKG: Was motiviert Sie, einem interdisziplinären Forschungskolleg beizutreten? Gibt es Themen, die Ihnen dabei besonders wichtig sind?

Ich hatte schon immer Interesse am Austausch mit anderen Fachrichtungen, nicht zuletzt dadurch bedingt, dass ich vor meinem Germanistik- und Philosophie-Studium ein paar Jahre Rechtswissenschaften studiert hatte. Seit meiner verstärkten Befassung mit den Environmental Humanities ist mir die Notwendigkeit interdisziplinären Arbeitens, die stets gänzlich neue und sehr wertvolle Perspektiven eröffnet, noch sehr viel deutlicher geworden, weswegen ich vor zwei Jahren das Heidelberger Forschungsnetzwerk „Umwelten – Umbrüche – Umdenken“ gegründet habe, das sich aus KollegInnen geistes-, sozial-, und naturwissenschaftlicher Richtungen zusammensetzt.

ZRKG: Gibt es eine Disziplin, neben Ihrem eigenen Fach, der Sie sich besonders verbunden fühlen? Und wenn ja, warum?

Durch meinen Schwerpunkt in den Environmental Humanities interessieren mich naturgemäß sämtliche Fächer, die einen umweltwissenschaftlichen Bezug haben, das können sowohl die anderen Philologien als auch die Geo-, Sozial- oder Geschichtswissenschaften sein, aber auch die theologischen Fächer aufgrund ihres Bezugs zur Schöpfungsfrage. Angesichts des ausgeprägten Nachhaltigkeitsprofils der KU scheint mir mein Forschungsschwerpunkt an die Universität insgesamt sehr anschlussfähig zu sein. Außerhalb der Universität ist für mich als Wissenschaftlerin, die sich viel mit Gegenwartsliteratur befasst, auch der Austausch und die Zusammenarbeit mit KünstlerInnen von großer Bedeutung – nicht nur als Lehrende und Forscherin, sondern auch als Mensch, der sich seinem Gegenstand (also der Literatur) auch persönlich sehr verbunden fühlt.

ZRKG: Danke für die Beantwortung der Fragen!

(Die vollständige Vita von Prof. Dr. Reents finden Sie auf der Lehrstuhl-Homepage.)