Der Bedarf an einer gezielten sprachlichen Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund ist gerade in den Grundschulen riesig. Studierende der KU haben dafür Unterrichtseinheiten konzipiert und ihre Materialien in der Praxis erprobt. Sie unterstützten mit diesem Modellprojekt die Lehrkräfte von drei Grundschulen in Eichstätt und im benachbarten Adelschlag. Das Projekt erhält nun den weltweit bedeutendsten Preis für Service Learning an katholischen Hochschulen: den „Global Award“ des internationalen Uniservitate-Netzwerks. Auch ein KU-Projekt, bei dem sich Studierende in der Festivalseelsorge engagieren, wird ausgezeichnet.
Fachwissen zur Sprachförderung, zum Erwerb der Schriftsprache und zum Umgang mit kultureller Vielfalt im Schulkontext – das sind Inhalte einer Lehrveranstaltung für angehende Lehrkräfte und Studierende anderer Fachbereiche. Im Vordergrund steht dabei die Förderung von Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Geleitet wird das Seminar von Kristina Löblein. Die Grundschullehrerin, die zurzeit vom Schuldienst beurlaubt ist und als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur der KU arbeitet, wollte es aber nicht bei der Theorie belassen – vielmehr sollten die Studierenden ihr erarbeitetes Wissen in die Praxis umsetzen. Löblein entwickelte dafür ein Seminar im Bereich „Service Learning“. Lernen durch Engagement ist dabei das Stichwort: Studierende verbinden gesellschaftliches Engagement mit fachlichem Lernen.
„Ziel ist es, die theoretische Basis damit zu verknüpfen, Unterrichtsstunden selbst zu entwickeln, Methoden auszuwählen, Materialien zu erstellen – und schließlich alles im schulischen Alltag zu erproben und zu reflektieren“, erklärt Löblein. Viele Studierende hätten kaum Berührung mit dem Themenkomplex „Deutsch als Zweitsprache“, dabei sei der kompetente Umgang mit Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, für Lehrkräfte heute wichtiger denn je. „Das Seminar soll auch dazu beitragen, dass Studierende ihre eigenen Einstellungen und Denkweisen zu diesem Thema hinterfragen“, sagt Löblein.
Seit mehr als einem Jahr kooperiert die KU bei diesem Projekt mit den Eichstätter Grundschulen St. Walburg und Am Graben, zeitweise war auch die Grundschule in Adelschlag beteiligt. Für eine Zusammenarbeit mit weiteren Schulen sei man offen, so Löblein. Die Studierenden bieten wöchentlich eine intensive sprachliche Förderung für kleine Gruppen mit bis zu vier Kindern an – parallel zum regulären Schulunterricht. Die Lehreinheiten bringen die Studierenden dabei in Abstimmung mit den Lehrkräften ein. Außerdem werden sie von Kristina Löblein fachlich unterstützt und beraten – nicht nur im Rahmen des wöchentlichen Seminars, sondern auch in Sprechstunden, bei Unterrichtsbesuchen und der anschließenden Nachbesprechung. Kristina Löblein ist sich sicher: Das Projekt helfe nicht nur den Grundschulkindern und entlaste die Schulen ein Stück weit in Zeiten des Lehrkräftemangels. Es biete zugleich den Studierenden einen wertvollen Einblick in den Schulalltag und seine Herausforderungen. „Damit entwickeln die angehenden Lehrkräfte auch ihre Persönlichkeit und Resilienz im Lehrberuf weiter“, so Löblein. Vielen Studentinnen und Studenten sei durch das Projekt deutlich geworden, wie wichtig Sprachkenntnisse für die Entwicklung von Kindern und ihre gesellschaftliche Teilhabe sind.
Dass das Projekt dem wachsenden Bedarf an Sprachförderung zugute kommt, davon ist auch die Jury des Uniservitate-Netzwerks überzeugt, das Kristina Löblein für das Projekt „Service Learning: Language Promotion in Primary School“mit dem „Global Award“ 2024 auszeichnet. Der Award wird zum zweiten Mal vergeben. Uniservitate ist ein internationales Netzwerk, das von der Porticus-Stiftung gefördert und vom lateinamerikanischen Center for Solidary Service Learning (CLAYSS) in Argentinien koordiniert wird. Die Auszeichnung erfolgt innerhalb des Uniservitate-Hubs für die Region Mittel- und Osteuropa sowie Naher Osten. Der „Global Award“ würdigt herausragende Service Learning-Projekte, das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro soll zur Weiterentwicklung des ausgezeichneten Projekts oder vergleichbarer Vorhaben eingesetzt werden.
Prof. Dr. Simone Birkel
Uniservitate zeichnet weitere Best-Pracitice-Beispiele aus. Eine „Special Mention“ (besondere Würdigung) erhält das Projekt „Awareness: Pastoral Care in the Context of Festivals and Events“ von Professorin Simone Birkel, die an der School of Transformation and Sustainability der KU lehrt. Birkel hatte im Frühjahr zum zweiten Mal mit Studierenden der Religionspädagogik und in Kooperation mit dem Bistum Eichstätt und dem Malteser Hilfsdienst eine Festivalseelsorge beim Eichstätter Festival „Open-Air am Berg“ angeboten. Die Studierenden waren dabei als Ansprechpersonen auf dem Festivalgelände, um für mehr Sicherheit und Wohlbefinden der Besucherinnen und Besucher zu sorgen. Das Seelsorge-Team wurde zur Anlaufstelle für Probleme jeder Art: bei schwierigen emotionalen Situationen, um sich aussprechen zu können, oder einfach nur für eine Auszeit im Festival-Trubel. Auch dieses Service Learning-Projekt sollte nicht nur für die Festivalbesucher von Nutzen sein, sondern zugleich die Kompetenzen der Studierenden fördern.
Uniservitate würdigt darüber hinaus zwei weitere Projekte mit einem Preis: Studierende der Katholischen Universität Lublin in Polen befassten sich mit dem wachsenden Problem der Antibiotikaresistenz. Sie sammelten Proben von öffentlichen Spielplätzen in der Stadt Lublin, analysierten sie mit mikrobiologischen Verfahren und identifizierten so pathogene Bakterienstämme. Diese untersuchten sie experimentell im Hinblick auf Antibiotikaresistenz. Um die Bevölkerung über die Ergebnisse zu informieren, wurde eigens eine Onlineplattform eingerichtet. Ein Sonderpreis geht an die Universität in Bethlehem, an der mehrere Initiativen am Department für Englisch und Kommunikation sowie an der Fakultät für Hebammenwissenschaften durchgeführt wurden. Studierende setzten sich in Kommunen für die Digitalisierung sowie die Gesundheitsfürsorge ein. Eine Maßnahme zielte etwa darauf ab, sehbehinderten Menschen in Bethlehem einen Zugang zu digitalen Tools zu verschaffen.
Die Bewerbungen um den Global Award von Uniservitate durchliefen ein mehrstufiges Auswahlverfahren: Zunächst identifizierten international ausgewiesene Expertinnen und Experten die besten Projekte. Diese wurden dann einer sechsköpfigen Jury vorgelegt, die über die Preiswürdigkeit befand. Die Verleihung des Global Awards erfolgt im Rahmen eines Uniservitate-Symposiums Anfang November in Rom. Verbunden mit der Einladung der Award-Gewinner ist auch eine Audienz bei Papst Franziskus.