Dialoge und Dialogstörungen unter Nero

Jun.-Prof. Dr. Nadin Burkhardt
in Kooperation mit Prof. Dr. Michael Rathmann (assoz. Wissenschaftler)

Bearbeitungszeitraum: 1.10.2021 bis 30.9.2023

Form der projektierten Publikation: Sammelband

Das geplante Projekt zu Kaiser Nero (reg. 54-68) setzt bei der These an, dass Dialoge und vor allem Dialogstörungen besonders bei Herrscherpersönlichkeiten mit einem schlechten Leumund in antiken Texten regelmäßig anzutreffen sind - bzw. Dialogstörungen erst für einen schlechten Leumund sorgen. Es rückt so die dialogischen Prozesse zur Generierung eines schillernden Geschichtsbilds über einen vermeintlich irren Princeps samt seinem Verhältnis zur senatorischen Elite in Rom in den Mittelpunkt seiner Betrachtung.

Der Hintergrund zu diesem Forschungsvorhaben liegt in der Überlegung, dass Narrative über Personen oder Epochen in den antiken Kulturen im Regelfall durch die jeweiligen Eliten ausgeformt werden. Sie basieren also auf dialogischen Prozessen innerhalb einer soziopolitischen Gruppe. Demnach ist die Dialogkultur innerhalb dieser Nobilität samt ihrer bewertenden Parameter von wesentlicher Bedeutung für das Verständnis der jeweiligen Person oder der jeweiligen Epoche. Bereits bei Herodot, dem Vater der Geschichtsschreibung, kommen bei zentralen Stellungnahmen stets Gruppen zu Wort. So lesen wir im großen Konflikt zwischen Griechenstädten und Perserreich oft „die Perser aber sagen“ oder beispielsweise „die Athener sagen“, bekommen also reflektierte Aussagen im Anschluss an dialogische Prozesse geboten.

Nero bietet sich aus zahlreichen Gründen als idealer Gegenstand für die Untersuchung dieser dialogischen Prozesse samt ihrer Störungen an. Zunächst haben wir für seine Herrschaftszeit eine ungewöhnlich gute Materialgrundlage, bestehend aus dem ganzen Kaleidoskop literarischer Zeugnisse. Diese Bandbreite ermöglicht es, sogar zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu separieren sowie das geballte Negativbild eines vermeintlich schlechten Herrschers auf verschiedenen Ebenen zu analysieren. Haben wir es im Falle Neros mit einer basalen Kommunikationsstörung zu tun, wie es A. Winterling für Caligula zu beweisen suchte, oder sind die Parameter im Falle Neros nicht doch etwas vielschichtiger?

Den verschiedenen Schriftzeugnissen können die archäologischen Zeugnisse zur Seite gestellt werden: In der Architektur erschuf der Kaiser neue Repräsentationsformen, die auch als Kommunikationsorte dienten, allerdings für ein ausgewähltes Publikum. Als Beispiel sei etwa seine luxuriöse Villa am See bei Sublacus (heute Subiaco) in Latium zu nennen, die von Nero und anderen hochrangigen römischen Familien genutzt wurden. Zum Lebensstandard und der Prachtentfaltung gehörte auch die Anlage von Wasserspielen, weitläufigen Parkanlagen und die Veranstaltung von Festspielen. Ebenso in Rom: die halbe Innenstadt musste für die neronische Stadtvilla im Areal des späteren Colosseums herhalten, während er auf dem Palatin in seinen Repräsentationsräumen eine bis dahin unübertroffene Pracht entfaltete. Auch in Bezug auf seine Portraits ging er neue Wege, ließ einen neuen Portraittypus schaffen und schreckte nicht vor monumentalen vergoldeten Standbildern zurück. Rom selbst, dessen Zentrum von seinem Bauprogramm neu strukturiert wurde, diente ihm als Bühne. Die Innovation seiner Bestrebungen lag in Neros Entscheidung, seine Position als Princeps eher durch seine Residenzbauten auszudrücken, als durch den Bau sakraler oder öffentlicher Anlagen. Dies alles zeugt von einer neuen veränderten Auffassung der Gesellschaft und der Kommunikation in dieser, welche das Projekt genauer untersuchen will.