Die bayerische Raumordnung galt lange Jahre als Vorbild für andere Bundesländer. Die dezentrale Ansiedlung von Universitäten und Hochschulen, die hochwertige Freiraumsicherung sowie eine kluge Siedlungsentwicklung, die sich am Zentrale-Orte-Konzept orientierte, waren beispielhaft für eine sozial wie ökologisch nachhaltige Landesentwicklungspolitik. In der jüngeren Vergangenheit verabschiedete sich der Freistaat jedoch zunehmend von seinem Ordnungs- und Koordinierungsauftrag in der räumlichen Entwicklung. An dessen Stelle trat eine wenig differenzierte Raumordnungspolitik, die den Prämissen der Liberalisierung, Deregulierung und Kommunalisierung folgt.

Historisch lässt sich diese Entwicklung als doppeltes Paradoxon der bayerischen Raumordnungspolitik verstehen. So setzten die formalisierten Planungsbemühungen im Freistaat durch ein Landesentwicklungsprogramm just Ende der 1970er-Jahre ein, als die neoliberale Lehre der Chicago School of Economics an politischem Einfluss gewann. Mit der Krise neoliberalen Denkens im Zuge der Globalen Finanz- und Wirtschaftskrise erklärte die Bayerische Staatsregierung genau dieses Konzept der Deregulierung, Liberalisierung und Kommunalisierung – mit austeritären Vorzeichen – zum Leitbild ihrer Raumordnungspolitik.

Vor diesem Hintergrund fragt das Projekt nach dem Zusammenhang zwischen den Restrukturierungsprozessen des Staates im Anschluss an die Globale Finanz- und Wirtschaftskrise und der daran anschließenden Eurokrise und dem Rückzug des Staates von seinen Planungsaufgaben.

Projektmitarbeiter: Dr. Simon Dudek

Publikationen (Auswahl):

M. Miosga, S. Büchs, S. Dudek, A. Klee, R. Klein, C. Odewald, R. Paesler, T. Weick & H.-M. Zademach (2020): Neuorientierung der Raumordnung in Bayern = Positionspapier aus der ARL 117, Hannover: ARL.

Zademach, H.-M., Dudek, S. (2021): Soziale Infrastruktur und räumliche Gerechtigkeit: Zum Potenzial des Ansatzes der Fundamentalökonomie, in: M. Miosga (Hrsg.): Neue Perspektiven einer zukunftsfähigen Raumordnung in Bayern, Hannover: ARL.

Dudek, S. (2021): Bayerische Landesentwicklung im Lichte von Finanzkrise und austeritätspolitischem Föderalismus: Bestandsaufnahme und Herausforderungen, in: M. Miosga (Hrsg.): Neue Perspektiven einer zukunftsfähigen Raumordnung in Bayern, Hannover: ARL.

Dudek, S. (2021): Von der Landesplanung zum kommunalen Wettbewerb: Eine Cultural Political Economy-Analyse bayerischer Raumordnungspolitik zwischen 2008 und 2018. Münster: Westfälisches Dampfboot.

Weitere Beiträge:

• Initiativen "Wege zu einem besseren LEP" und „Zukunftsfestes Bayern“:
  6-Punkte-Plan für ein zukunftsfestes Bayern
• ARL AK Bayern, Darstellung des Forschungsprojektes "Neue Perspektiven einer zukunftsfähigen Raumordnung in Bayern"
• Initiative für ein zukunftsfestes Bayern: Das Bündnis setzt sich dafür ein, dass die Bayerische Staatsregierung die großen Themen Klimakrise, Artensterben und Flächenverbrauch ähnlich entschlossen wie die Corona-Pandemie angeht.
  Offener Brief der Initiative für ein zukunftsfestes Bayern an Ministerpräsident Söder vom 24.6.2020  
  Appell der Initiative für ein zukunftsfestes Bayern