Kanonistische Forschung ist mehr als Normenexegese. Sie ist Ausdruck einer theologischen Reflexion, die das Recht als notwendiges Instrument zur Verwirklichung der kirchlichen Sendung versteht. In diesem Sinne stellt die Kanonistik ein wissenschaftliches Korrektiv dar, das zur Erneuerung einer rechtskulturellen Theologie beiträgt und Orientierung bietet für Recht, Gerechtigkeit und Liebe im Leben der Kirche.
Im Anschluss an Papst Paul VI., der das Kirchenrecht als „wirksames und lebendiges Werkzeug der Kirche“ bezeichnete, verfolgt die Forschung am Lehrstuhl das Ziel, rechtliche Strukturen nicht nur analytisch zu beschreiben, sondern sie in ihrer spirituellen, theologischen und pastoralen Dimension fruchtbar zu machen.
Im Bereich der Forschung setzt der Lehrstuhl gezielte inhaltliche Akzente auf international anschlussfähige Themenfelder mit hohem innerkirchlichem Relevanzpotenzial:
Der Lehrstuhl versteht sich als Brücke zwischen Wissenschaft, kirchlicher Praxis und gesellschaftlichem Wandel. So ist er aktiver Partner im Index Canonicus – einer internationalen, interkonfessionellen Datenbank für Kirchenrecht, die als Open-Access-Plattform systematisch kanonistische Fachliteratur, Gerichtsentscheidungen, universale und partikulare Gesetze, Rezensionen und Nachlässe erschließt. Damit leistet der Lehrstuhl einen nachhaltigen Beitrag zur Sichtbarkeit und Zugänglichkeit kanonistischer Forschung im globalen Kontext.
Forschungsvorhaben werden systematisch auf ihre Drittmittelfähigkeit hin geprüft und gezielt entwickelt. Der Lehrstuhl ist in beratende Prozesse auf nationaler und internationaler Ebene eingebunden – etwa in Gremien von Bischofskonferenzen, bei Strukturreformen in Ordensgemeinschaften sowie in der juristischen Begleitung der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Kontexten. Diese Aktivitäten fließen unmittelbar in Lehre und Forschung ein und fördern die Weiterentwicklung einer verantwortungsvollen und zukunftsfähigen Rechtskultur in der Kirche.
Kanonistische Forschung an der KU Eichstätt ist eingebettet in einen interdisziplinären Dialog mit Theologie, Jurisprudenz, Soziologie und Pastoral. Sie versteht sich als kritischer wie konstruktiver Beitrag zur Reformfähigkeit kirchlicher Institutionen. In einer Zeit wachsender innerkirchlicher Spannungen und gesellschaftlicher Transformationsprozesse sucht sie nach rechtlich-theologischen Antworten, die dem Evangelium und den Zeichen der Zeit gleichermaßen gerecht werden.
Pfarrvikar Dominik Urban, Erzbistum Bamberg
„It has been a diabolical masterpiece. I am talking about the scandal that has gripped the Catholic Church for the past thirty years and that continues to wreak havoc even today. […] The storm of wickedness that has compromised the work of the Church in every way and that has left countless lives in ruins […]. It has corroded Catholic credibility so completely that the Church`s work in evangelization, catechesis, preaching, outreach to the poor, recruitment of vocations, and education has been crippled.”
In seinem „Brief an eine Leidende Kirche“ aus dem Jahr 2019 nimmt Robert Barron, einer der Auxiliarbischöfe der Erzdiözese von Los Angeles, USA, Bezug auf den seit 2002 bekannt gewordenen Skandal des sexuellen Missbrauchs ihnen anempfohlener Menschen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche, sowie vornehmlich durch pastorales Personal und aus diesem Kleriker. Seit dem Bekanntwerden und der Öffentlichmachung ähnlicher Verfehlungen in Deutschland im Jahr 2010, ist das Thema auch in der Katholischen Kirche hierzulande von zentraler Bedeutung.
Diese Dissertationsarbeit behandelt einzig die Straftat der Sollizitation und legt so ihr Augenmerk ausschließlich auf Strafsachen gegen Kleriker und hier gegen Priester und Bischöfe, da nur sie die facultas audiendi confessiones besitzen. Es soll geklärt werden, wie eine Beweisführung der Straftat der Sollizitation vor und nach einer (simulierten) Beichte und vor allem während derselben möglich ist. Nach meiner Lizenzarbeit mit dem Titel „Sacramentale Sigillum inviolabile est. Considerations on can. 983“, ist nun in einer Dissertation der Frage nachzugehen, inwieweit sich das Beichtsiegel und dessen Unverletzlichkeit mit der Nachweisbarkeit der Straftat der Sollizitation im Rahmen (also während) der Beichte vereinbaren lässt. Deshalb der Titel „Crimen Sollicitationis – ein (un-) beweisbares Verbrechen?“.
Die Dissertation wird sich in einen rechtshistorischen Teil und einen rechtsdogmatischen Teil gliedern. Zunächst soll die Rechtsentwicklung der Materie aufgezeigt werden. Ebenso wird der Frage des Zwecks einer kirchlichen Sanktion durch das Strafrecht nachgegangen werden.
Der Hauptteil der Arbeit wird sich der rechtsdogmatischen Beurteilung widmen, also der Frage wie das aktuell gültige Recht zu interpretieren und anzuwenden ist. Auf der Basis von anonymisierten Prozessakten einer Diözese aus den USA soll aufgezeigt werden, dass die Auffassung, man könne das Verbrechen der Sollizitation nicht beweisen, da es sich um einen durch das Beichtsiegel geschützten Inhalt handele, nicht immer zutrifft. So soll die Arbeit mit den bereitgestellten Prozessakten den Schwerpunkt der Dissertation bilden und der Forschungsfrage nachgegangen werden: Kann die Straftat der Sollizitation, auch wenn sie in actu confessionis begangen wurde, bewiesen und geahndet werden?
Allein die Tatsache, dass Prozesse mit diesem Inhalt geführt werden, spricht für die Tatsache, dass das Crimen Sollicitationis durchaus beweisbar ist. So wird zu zeigen sein, ob und gegebenenfalls auch wie eine während der Beichte begangene Sollizitation möglich und beweisbar ist.
Moritz N. Lukas, cand. theol.
Die klassische Seelsorge geschieht in der Katholischen Kirche in der Pfarrgemeinde vor Ort. Can. 515 §1 CIC legt dabei fest: „Die Pfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut wird.“ Die Bedeutung des Pfarrers, der gemäß can. 519 CIC für diese Gemeinschaft die Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Leitens ausübt, ist auch in der Pfarrseelsorge der Evangelische Kirche in Deutschland zentral.
Die Magisterarbeit behandelt das Pfarramtsverständnis von Katholischer Kirche und Evangelischer Kirche in Deutschland in derartiger Weise, sodass sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede der jeweiligen Amtsauffassung herausgestellt werden. Um dies adäquat durchführen zu können wird zwischen den beiden Vergleichsgliedern ein systematischer Vergleich gezogen. Als Untersuchungsgegenstände fungieren dabei die jeweiligen Voraussetzungen zum Pfarramt, den Hauptteil der Arbeit nehmen aber die Bestimmungen zu Rechte und Pflichten in Anspruch. Auch auf etwaige Sanktionen und die heutigen Voraussetzungen der Pfarrer wird eingegangen.
Durch die wissenschaftliche Arbeit soll ein Beitrag zum gegenseitigen Verständnis von Katholischer Kirche und Evangelischer Kirche in Deutschland geleistet werden, das sich eben gerade in der Pfarrgemeinde vor Ort im Ursprungsland der Reformation zeigen kann.