Externes Blockseminar „Ostkirchen in Paris“ mit vorausgehendem Studientag in Morbach

Anfang April 2019 hat die Stiftungsprofessur für Theologie des Christlichen Ostens mit ihren Studierenden ein externes Blockseminar in Paris durchgeführt. Auch wenn Paris geographisch nicht gerade im „Christlichen Osten“ liegt, so ist die französische Hauptstadt dennoch ein wahres Zentrum ostkirchlichen Lebens und ostkirchlicher Theologie. Auf dem Weg dorthin hat die Gruppe ein Wochenende im rheinland-pfälzischen Morbach verbracht, in das ein Studientag und ein Besuch in Bernkastel-Kues integriert worden ist.

Es war die erste größere gemeinsame Studienfahrt der Studierenden der neuen Stiftungsprofessur. Dem Blockseminar in Paris ging dabei ein gemeinsames Wochenende in Morbach voraus. Am Samstag, dem 30. März 2019, arbeitete die gesamte Gruppe am Abschluss einer Seminarübung des Wintersemesters. Im Pfarrheim von Morbach-Hunolstein tauschten sich die Studierenden unter Betreuung von Prof. Dr. Thomas Kremer und dem Team der Stiftungsprofessur über ihre laufenden Lizentiats-, Magister- und Doktorarbeiten aus. Durch viele Impulse und gegenseitige Hilfestellungen konnte jeder in seiner Arbeit einen guten Fortschritt erzielen. Die Hl. Messe mit der Ortsgemeinde in Morbach und das gemeinsame Abendessen beschlossen den Abend. Der Sonntagmorgen begann mit der Feier der Basiliusliturgie in der Pfarrkirche St. Laurentius Morbach-Morscheid, an der auch die Pfarrangehörigen rege teilnahmen. Zum anschließenden Mittagessen mit Ortspfarrer Michael Jakob bereiteten die Studierenden typisch ukrainische Gerichte zu – Borschtsch und Warenyky.

Das Blockseminar begann am Sonntagnachmittag mit einem Besuch im nahen Bernkastel-Kues. Das ist der Geburtsort des berühmten humanistischen Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues. Wir besichtigten dort das Cusanusstift, das er gestiftet hatte. Auch heute dient es immer noch der sozialen Fürsorge und beherbergt ein Alten- und Pflegeheim, wie es der Stifter gewollt hat. Nach einer herzlichen Begrüßung durch Rektor Leo Hofmann erhielten wir von Prof. Dr. Hermann Kleber eine äußerst interessante Führung durch die Stiftsanlage. Prof. Kleber erzählte dabei von der Verbindung des Nikolaus von Kues mit den Ostkirchen, seinem diplomatischen Aufenthalt in Konstantinopel und seiner Rolle beim Konzil von Ferrara-Florenz (1438/39). Ein Highlight der Führung bildete die Besichtigung der Bibliothek. Da konnten wir etwa 300 lateinische und griechische Handschriften aus dem neunten bis 15. Jahrhundert bewundern. Eigens für den Besuch unserer Gruppe bestückte die Bibliothek ihre Vitrinen mit den ostkirchenkundlich interessanten griechischen Handschriften. Zum Abschluss der Führung lud uns Rektor Hofmann in die Rektorenwohnung zur Besichtigung seiner privaten Ikonensammlung ein. Dieser Tag der Studienreise klang bei einem gemütlichen Abend aus, verbunden mit einem Weinseminar im Weingut Kees-Kieren in Graach an der Mosel.

Am Morgen des nächsten Tages sagten wir dem Hunsrück Lebewohl und machten uns auf den Weg nach Paris. Noch ehe wir jedoch die französische Hauptstadt erreichten, besuchten wir die geschichtsträchtige Stadt Reims. Ihre Kathedrale zog unser Interesse auf sich, und zwar nicht nur als ein Meisterwerk gotischer Baukunst, sondern auch als ein Ort bedeutender Wegmarken europäischer Geschichte. Zum einen ist mit dem Namen Reims die Taufe Chlodwigs I. an der Wende zum 6. Jahrhundert verbunden. Sie ist der Grundstein für die Christianisierung des Frankenreiches und bildet auch eine wichtige Wegmarke in der Geschichte des Auseinanderdriftens von Ost- und Westkirche. Zum anderen besitzen Kathedrale und Stadt Symbolcharakter für die Feindschaft und Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland im 20. Jahrhundert. Nach der Besichtigung von Reims fuhren wir nach Versailles weiter und besuchten den Barockgarten des berühmten Schlosses. Auch hier wurden wichtige Epochen europäischer Herrschafts- und Geistesgeschichte thematisiert, die sich in besonderer Weise mit Versailles verbinden: Absolutismus, Französische Revolution, deutsch-französische Erbfeindschaft und Aussöhnung. Nach dem Bezug unserer Unterkunft bei der Kommunität der Lazaristen in Paris und dem gemeinsamen Abendessen konnte die Gruppe erste Eindrücke von der französischen Hauptstadt gewinnen. Ein nächtlicher Spaziergang beschloss also den Abend.

Am Dienstag begann das Programm mit dem Besuch der Kirche Saint-Julien-le-Pauvre. Eine der ältesten Kirchen der Stadt in unmittelbarer Nähe zu Notre-Dame de Paris ist seit Ende des 19. Jahrhunderts Sitz der melkitischen griechisch-katholischen Gemeinde. Archimandrit Dr. Charbel Maalouf empfing uns sehr herzlich und informierte über Kirche und Gemeinde. Daran schloss sich der Empfang im „Ordinariat des Orientaux“ an. Es ist eine Verwaltungsbehörde, die dem Erzbischof von Paris unterstellt ist, der aber ein eigener Generalvikar vorsteht. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auf jene katholischen Ostkirchen, die in Frankreich keinen eigenen Bischof besitzen. Über Gestalt und Arbeit dieser bischöflichen Behörde informierte uns die Mitarbeiterin Katja Si Moussa, die ursprünglich aus Algerien stammt. Sie berichtete uns auch aus ihrem eigenen Leben: Nach ihrer Konversion vom Islam zum Katholizismus wurde sie von ihren Landsleuten verfolgt und misshandelt, was erst durch ihre Flucht nach Frankreich ein Ende fand. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Ordinariat des Orientaux befindet sich das französische Hilfswerk „L’Œuvre d’Orient“, das wir danach ebenfalls besuchten. Das Hilfswerk verwaltet eingehende Spenden, um damit die katholischen Ostkirchen in vielfältiger Weise zu unterstützen. An das gemeinsame Mittagessen in unserer Unterkunft schloss sich ein Gespräch mit dem libanesischen Lazaristenbruder Fadi an. Er erzählte uns von seiner Arbeit, der Präsenz des Lazaristenordens im Orient und der Situation der maronitischen Christen in seinem Heimatland. Den Nachmittag konnte die Gruppe zur Besichtigung der Pariser Sehenswürdigkeiten nutzen. Am Abend feierten wir zusammen mit der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde in ihrer Kathedrale Saint-Volodymyr-le-Grand die Liturgie der Vorgeweihten Gaben. Bei einer Gesprächsrunde erklärte uns danach der Pfarrer die Bedeutung der Gemeinde als Zufluchts- und Versammlungsstätte sowie kulturellem Bildungsort. Den Abend ließen wir auf individuelle Weise ausklingen.

Am Morgen des 3. April feierten wir gemeinsam mit Pfarrer Fadi El Mir die Liturgie im maronitischen Ritus in der Kathedrale der Pariser Maroniten Notre-Dame-du-Liban. Im Anschluss daran führte uns der Pfarrer durch die Kirche, berichtete vom sehr aktiven und offenen Gemeindeleben und referierte über die ökumenische Zusammenarbeit in Paris. Noch in den Räumlichkeiten der maronitischen Gemeinde trafen wir uns zu einer weiteren Arbeitseinheit mit Thomas Wallut. Herr Wallut ist ein französischer Journalist und er präsentierte uns seine Arbeit für den Fernsehsender France 2. Seine Aufgabe besteht darin, Dokumentationen über das östliche Christentum zu erstellen und so die Vielfalt des ostkirchlichen Lebens für ein breites Publikum erfahrbar zu machen. Er berichtete uns von seinen zahlreichen Reisen in osteuropäische und orientalische Länder im Rahmen seiner Recherche- und Dreharbeiten und beantwortete unsere Fragen zu seiner Person und Tätigkeit. Die Gespräche mit Pfarrer Fadi El Mir und Thomas Wallut setzten sich beim gemeinsamen Mittagessen im Restaurant des Foyer Libanais fort, wo wir typisch libanesische Gerichte genossen. Der frühe Nachmittag stand zunächst zur Besichtigung der Stadt zur Verfügung. Der nächste gemeinsame Programmpunkt unseres Blockseminars war der Besuch des „Institut de Théologie Orthodoxe Saint-Serge“. Dieser begann mit einer Kirchenführung und einem Vortrag über die Ikonentheologie der orthodoxen Kirchen durch den Dozenten des Instituts und Pfarrer der angegliederten russischen orthodoxen Gemeinde Anatole Negruta. Im anschließenden Vortrag im Hörsaal berichteten P. Anatole und Prof. Dr. em. Joost Van Rossum davon, wie sich die Gemeinde einst nach einer Migrationswelle im Anschluss an die politischen Umbrüche im Russland des Jahres 1917 gebildet hatte. Sie referierten über Geschichte, namhafte Dozenten und Absolventen, sowie die Lehr- und Forschungstätigkeit des Institut Saint-Serge. Bei Kaffee und Gebäck beschlossen wir unseren Besuch des Instituts am frühen Abend. Danach fuhren wir gemeinsam nach Montmartre, besichtigten die Basilika Sacré-Cœur und kehrten zu einem gemeinsamen Abendessen zum Abschluss der Studienfahrt in eines der dortigen Lokale ein.

Bevor wie am nächsten Tag die Heimreise beziehungsweise die Weiterfahrt nach Chevetogne zu den Exerzitien des Collegium Orientale antraten, stand noch der Besuch des Institut Catholique auf unserer Agenda. Hier trafen wir Archimandrit Dr. Charbel Maalouf wieder, der am Institut Patristik lehrt. Er zeigte uns die Theologische Fakultät samt der zugehörigen Bibliothek. Mit einem abschließenden Kaffee im Institut Catholique besiegelten wir unseren Parisaufenthalt. Einen kleinen Zwischenstopp legten wir während der Fahrt nach Chevetogne schließlich noch im belgischen Bouillon ein, wo wir die gleichnamige Burg besichtigten. Dies ist die Heimat des berühmten Heerführers und ersten Regenten des Lateinischen Königreichs Jerusalem, Gottfried von Bouillon. So konnten wir uns die wichtigsten Eckpunkte des Ersten und der folgenden Kreuzzüge in Erinnerung rufen.

Am Ende dieser inhalts- und lehrreichen Tage konnten alle Beteiligten auf eine äußerst interessante, intensive und erfolgreiche Studienfahrt zurückblicken. Sie gewährte uns sowohl tiefe Einblicke in die Geschichte der Ostkirchen und die europäische Geistesgeschichte als auch in gegenwärtiges ostkirchliches Leben im Herzen Europas.

 

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