Interdisziplinärer Studientag zu unterschiedlichen byzantinischen Identitäten

Die Aktionswoche „Andere Zeiten – andere Räume“ der KU bot vom 20. bis 26. Januar 2020 mit zahlreichen Veranstaltungen Einblick in die Arbeit und Relevanz der sogenannten Kleinen Fächer. Die Stiftungsprofessur für Theologie des Christlichen Ostens beteiligte sich an dieser Kleine-Fächer-Woche mit einem interdisziplinären Studientag zum Thema: „Byzanz als Kristallisationspunkt unterschiedlicher christlicher Identitäten“.

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Prof. Dr. Thomas Kremer eröffnete das Programm mit einem einführenden Vortrag zum Thema. Fachvertreter und Fachvertreterinnen der Byzantinistik, Kartvelologie, Slavistik, Südosteuropastudien und des Christlich Arabischen seien zu diesem Workshop-Tag nach Eichstätt eingeladen worden, um ihre Perspektive auf die Frage der Inkulturation des byzantinischen Christentums bzw. der Identitätsbildung der Christen in verschiedenen (Teil-)Gesellschaften des Byzantinischen Reiches und dessen Einflussgebiet darzulegen. Er betonte zugleich, wie eine Theologie des Christlichen Ostens von dieser interdisziplinären Herangehensweise profitieren könne.

Als Vertreter der Byzantinistik sprach Diego Fittipaldi, der am Institut für Altertumskunde an der Universität Köln tätig ist. Seine Ausführungen zur „Standardisierung der byzantinischen Liturgie anhand der geschichtlichen Entwicklung eines Buches: Das Typikon von Mâr Saba zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert“ machten deutlich, welch große Rolle die Normierung einer einheitlichen Gottesdienstfeier für die Ausprägung einer „byzantinischen“ Identität spielte – bei aller regionalen Unterschiedenheit.

Auf die georgische kirchliche Tradition blickte Prof. Dr. Manana Tandaschwili, die als Sprachwissenschaftlerin und Kaukasiologin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt a. M. unter anderem zur digitalen Verarbeitung linguistischer Daten forscht. In ihrem Vortrag hob die Ehrenbürgerin der Stadt Tbilisi die Eigenheit der georgisch-byzantinischen Identität hervor.

Als Vertreter der Forschungsstelle Christlicher Orient warf Dr. Andreas Ellwardt Schlaglichter auf „Charakteristika der arabisch-christlichen Tradition“. Hierfür stellte er Leben und Werk einiger herausragender rum-orthodoxer Theologen und Autoren vor, indem er stets auf das bis heute unerreichte Standardwerk von Georg Graf (1875–1955): „Geschichte der christlichen arabischen Literatur“ verwies.

Per Video-Telefonie aus Ohrid zugeschaltet wurde Dr. Evelyn Reuter als Vertreterin der Südosteuropastudien. Ihre Präsentation trug den Titel: „Das verdrängte Byzanz in den Kirchen der Republik Nordmazedonien“. Besonders am Beispiel der byzantinisch-katholischen Kirche in Nordmazedonien konnte sie dabei herausstellen, dass neben Identifikations- auch Abgrenzungstendenzen für die Bestimmung einer eigenständigen Identität wichtig sind.

Prof. Dr. Christian Hannick ist zwar in erster Linie Slavist, jedoch auch in der Byzantinistik, Orientalistik, Philosophie und Theologie zu Hause. So verkörperte er als letzter Redner des Tages geradezu die grundlegende Idee des interdisziplinär ausgerichteten Studientages. Er stellte Nikon vom Schwarzen Berg als einen byzantinischen Autor des 11. Jahrhunderts und sein Weiterleben bei den orthodoxen Slaven vor.

Der gemeinsame Studientag wurde mit einer byzantinischen Vesper im Collegium Orientale beschlossen. Die neu entstandenen Kontakte sollen auch in Zukunft fruchtbar genutzt werden. Für das Sommersemester 2020 plant die Stiftungsprofessur, das spannende Thema der byzantinischen Identitätskonstruktion in unterschiedlichen Formaten wieder aufzugreifen.

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