Inhalt des Vortrages:
Die Gewalt des Sendero Luminoso und die Gegengewalt des peruanischen Staates in den achtziger und neunziger Jahren haben in Ayacucho Zehntausende Todesopfer gefordert und eine komplexe soziale Landschaft hinterlassen. Gleichzeitig erlebten, gerade im Norden Ayacuchos, evangelikale und vor allem pentekostale Kirchen ein enormes Wachstum. Die Verbindungen zwischen diesen beiden Entwicklungen haben bisher erst in wenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen Beachtung gefunden und fehlen im öffentlichen Diskurs Perus fast gänzlich. Einen Einblick in diese „Geschichten, die nicht erzählt werden“, wie es einer Ihrer Interviewpartner in Ayacucho ausdrückte, möchte Sie in ihrem Vortrag geben.
Im Rückgriff auf meine Feldforschungserfahrungen möchte sie präsentieren, wie der evangelikale Glaube für die Überlebenden Werkzeuge bereitstellt, mit Hilfe derer sie ihren Alltag in einem komplexen und rechtsunsicheren Umfeld bewältigen können, und ihnen zudem moralische Überlegenheit gegenüber den Tätern verleiht.
Mit Ihrer Arbeit hofft sie, auch über die spezifische Situation evangelikaler Konfliktopfer hinaus Einblicke in die Attraktivität evangelikaler und pentekostaler Kirchen für viele Menschen in Lateinamerika geben zu können. Gleichzeitig möchte Sie lokale Bemühungen zu Konfliktaufarbeitung und Versöhnung in den Vordergrund stellen, die in Wissenschaft und öffentlichem Diskurs häufig vernachlässigt werden. Da ähnliche Entwicklungen nicht nur in Peru, sondern beispielsweise auch in Kolumbien und Guatemala zu beobachten sind, wird Sie auch einige vergleichende Aspekte einbringen.
Die Referentin:
Ariane Kovac studierte an der Universität Bonn im Masterprogramm "Gesellschaften, Globalisierung und Entwicklung", den sie mit ihrer Masterarbeit zur Rolle von Religion in Mikro-Prozessen der Konfliktaufarbeitung in Ayacucho, Peru abschloss. Zuvor absolvierte sie ihren Bachelor in Politikwissenschaft und Humangeographie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zur Zeit arbeitet sie an der Uni Leipzig.
Zur Zeit promoviert sie am Institut für Religionswissenschaft an der Universität Leipzig. Sie ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt "When Healing Fails: Kognitive Dissonanz und Faktoren der Resilienz bei gescheiterten religiösen Heilungen. Eine vergleichende Studie dreier lokaler Christentümer" und beschäftigt sich mit (gescheiterter) Heilung bei migrantischen Latino-Pfingstkirchen in den USA.
Grundsätzlich interessiert sie sich für Konfliktaufarbeitung und den Umgang mit vielfältigen Erinnerungen, vor allem auf lokaler Ebene, für evangelikale Kirchen und neue religiöse Bewegungen in Lateinamerika und für Politik und Gesellschaft der Andenländer. Ihre Bachelorarbeit verfasste sie zum Thema indigener Rechtsprechung und Rechtspluralismus im Dekolonialisierungsprozess Boliviens.