Ökumenische Perspektiven aus der Ukraine mit Dr. Roman Fihas vom Institut für Ökumenische Studien der UCU Lemberg

In der Woche vom 23. bis 27. Januar 2023 besuchte Dr. Roman Fihas von der Ukrainischen Katholischen Universität Lemberg die Stiftungsprofessur für Theologie des Christlichen Ostens der KU Eichstätt-Ingolstadt im Rahmen einer Erasmus+ Teaching Mobility.

Fihas hielt zwei Doppelstunden im Rahmen einer regulären Lehrveranstaltung, veranstaltete einen internen Workshop mit Angehörigen der Fakultät und stand für einen öffentlichen Gesprächs- und Diskussionsabend über jüngste ökumenische Entwicklungen in der Ukraine angesichts des andauernden Krieges zur Verfügung.

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Kosmologie und Eschatologie in den Liturgien der Ostkirchen“ sprach Fihas am Montag und Dienstag zum Thema seiner Dissertation über Alexander Schmemanns theologisches Verständnis der eschatologischen Prägung byzantinischer Liturgie.

Alexander Schmemann, ein orthodoxer Theologe des 20. Jahrhunderts, gilt als einer der Begründer und ostkirchlicher Vorreiter einer neuen liturgischen Theologie, welche die enge Verbindung von gottesdienstlicher Praxis und kirchlicher Glaubensüberzeugung betont und Liturgie auf diese Verbindung hin untersucht. Schmemann dozierte seit den 40er-Jahren zunächst in Frankreich, ab den 50er-Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika an verschiedenen theologischen Seminaren und beobachtete auf Einladung des Sekretariats zur Förderung der Einheit der Christen als Gast das Zweite Vatikanische Konzil.

Angespornt von seiner Analyse der liturgischen und kirchlichen Krisen seiner Zeit, so Fihas, entwickelte Schmemann ein Liturgieverständnis, das – ausgehend von der engen Verbindung von lex credendi und lex orandi – die liturgischen Feiern in ihrem eschatologischen Sinngehalt zu verstehen sucht. Im Verständnis, dass die Eschatologie eine „führende Tonalität“ der byzantinischen liturgischen Feiern sei, lege er Liturgie daher als Offenbarung des Reiches Gottes aus. Schmemanns Vorschlag sei eine Rückbesinnung auf ein altkirchliches Symbolverständnis, welches sich nicht in kleinteiligen Entschlüsselungen von Hinweisen und Bezugnahmen verliere, sondern die enge Verbindung von Welt, Kirche und Sakramenten in ihrem jeweiligen eschatologischen Bezug verdeutliche.

Liturgie als gefeierte Eschatologie bedeute dabei einerseits, dass die Bedeutung und Botschaft einzelner Riten sich nur aus ihrem eschatologischen Gehalt heraus erschließen könne, andererseits sei Eschatologie in diesem Sinn keine intellektuell zu durchdringende, sondern eine aktiv zu feiernde und erwartende Dimension. In der Eucharistie sei unsere eschatologische Erwartung vorgezeichnet und vorgefeiert, Gottesdienst sei daher eine liturgische Einladung an alle Christen, bereits im Hier und Jetzt das Reich Gottes zu erfahren.

Mit seinen Überlegungen, so Fihas, habe Schmemann dabei nicht nur zu einem vertieften und erneuerten Verständnis des Sinngehalts von Liturgie beigetragen, sondern auch das Verhältnis von Episkopat, gesamtem Klerus und Laien in der gottesdienstlichen Versammlung, aber auch im kirchlichen Leben darüber hinaus neu bestimmt.

Dr. Roman Fihas koordiniert das Distance Learning Master’s Program in Ecumenical Studies (http://www.iesdistance.org.ua/) der Ukrainischen Katholischen Universität in Lemberg. Derzeit ist er zudem kommissarischer Direktor des Instituts für Ökumenische Studien der Universität. In einem Workshop am Mittwochnachmittag mit den Mitarbeitern der Stiftungsprofessur für Theologie des Christlichen Ostens berichtete Fihas über seine Erfahrungen mit dem Distance Learning Program, das bereits 2008 eingerichtet wurde. Von seiner diesbezüglichen Expertise kann der Aufbau des von der VolkswagenStiftung finanzierten Eastern Christian Studies ONLINE CAMPUS profitieren.

Am Abend fand dann in den Räumlichkeiten des Collegium Orientale eine öffentliche Gesprächs- und Diskussionsrunde über jüngste ökumenische Entwicklungen in der Ukraine angesichts des andauernden Krieges statt. Fihas rekapitulierte zunächst die Geschichte der ökumenischen Bewegung in der Ukraine seit der Unabhängigkeit 1991. In einem zweiten Schritt wies er auf, wie die Kirchen – freilich in unterschiedlicher Intensität – durch den Krieg eine Verpflichtung zum gegenseitigen Dialog wahrnehmen würden („doomed to dialogue“). Er betrachtete vor allem die Ukrainisch-orthodoxe Kirche, die sich im Mai 2022 vom Moskauer Patriarchat lossagte, die mit dem Tomos des Ökumenischen Patriarchen 2019 für autokephal erklärte Orthodoxe Kirche der Ukraine sowie die Ukrainische griechisch-katholische Kirche. Dabei ging er jeweils auf Stolpersteine, aber auch Kompetenzen ein, die die jeweiligen Kirchen in den ökumenischen Dialog einbringen würden. Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine angeregte Diskussion, die bei Pizza und Getränken in der „Bar Jona“ des Collegium Orientale in ungezwungener Atmosphäre fortgesetzt wurde.

Der Besuch von Dr. Roman Fihas hat die bereits engen Kontakte zwischen der Theologischen Fakultät der KU und der Ukrainischen Katholischen Universität nochmals vertieft. Es bleibt zu hoffen, dass bald ein Gegenbesuch möglich sein wird.

Veranstaltungsplakat (pdf)

Weiterlesen