Als Mitglieder des ZRKG trauern wir um unseren hochgeschätzten Kollegen Michael Zimmermann, der mit 66 Jahren viel zu früh aus diesem Leben geschieden ist. Er war Gründungsmitglied des ZRKG und hat schon zuvor seinen Aufbau wohlwollend begleitet und aktiv mitgestaltet. Als Professor der Kunstgeschichte war er Mitglied in Forschungsfeld III, wo er unsere Arbeit mit seinen vielfältigen Interessen, seiner umfassenden Bildung und seiner Leidenschaft für freundschaftlich-kritischen Dialog bereichert hat. Wir werden ihn schmerzlich vermissen.
Da bereits Nachrufe auf der Homepage der KU und des Fachbereichs Kunstgeschichte erschienen sind, die Michael Zimmermann in seiner akademischen Tätigkeit und als Persönlichkeit eingehend würdigen, möchte ich als Direktor des ZRKG an dieser Stelle einige persönliche Erinnerungen ergänzen, die nicht nur seinem Engagement am ZRKG, sondern zugleich unserer Freundschaft gelten, welche die gemeinsame Arbeit immer begleitet und getragen hat.
In meinen drei ersten Begegnungen mit ihm kündigte sich bereits an, was unsere Zusammenarbeit am ZRKG prägte. Ich bereitete 2015/16 meinen Wechsel an die KU vor, was bereits mit dem Prozess verbunden war, der später zum Aufbau des ZRKG führen sollte. Bei einem Treffen von Wissenschaftlern der KU, die außerhalb der Theologie „religionsbezogen“ arbeiten, wurde mir Michael Zimmermann als ein vielseitig gebildeter und interessierter Denker vorgestellt, der an einer kritischen und theorieintensiven Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit, von Kultur, Gesellschaft und Religion interessiert ist. Das hat sich in der Folge bestätigt und zu vielfältigen Formen der Zusammenarbeit geführt. Er hat dabei Perspektiven seines Faches in vielfältiger Weise eingebracht: Von der Auslegung von Kunstwerken über bildtheoretische Überlegungen und Reflexionen zu Filmen und sozialen Kunstwerken bis hin zu einer „Performance“, die er als Beitrag bei der zweiten ZRKG-Tagung geliefert und die tiefen Eindruck hinterlassen hat. Dabei hat er über die Grenzen seines Faches hinaus, mit großer Sensibilität für die Fragen der Zeit und mit seinen umfangreichen Kenntnissen der kulturwissenschaftlichen Debatten die philosophische Auseinandersetzung mit den „religiösen Subtexten der Gegenwart“ gesucht, die er in unsere Diskurse eingebracht hat. Exemplarisch nennen möchte ich seine kenntnisreiche Auseinandersetzung mit der Subjektphilosophie von Giorgio Agamben nennen, die er in unserem Forschungsseminar mit Vorlesungen von Foucault ins Gespräch gebracht hat, die er 1981/82 selbst noch bei ihm am Collège de France gehört hatte: https://www.nomos-elibrary.de/de/10.5771/9783896658623-57.pdf
Meine zweite Begegnung mit Michael Zimmermann anlässlich meiner Probevorlesung mag paradigmatisch dafür stehen, wie Michael Zimmermann als erfahrener Wissenschaftler jüngere Kollegen (wie mich) wohlwollend unterstützt, gefördert und im besten Sinn dazu ermutigt hat, den eigenen Weg zu gehen. In später folgenden gemeinsamen Lehrveranstaltungen, in Exkursionen nach München, bei einem Treffen in Palermo, vor allem aber bei der gemeinsamen Fahrt mit Studierenden zur Biennale in Venedig hat er in wunderbarer Weise an die Kunstgeschichte und an das Erleben zeitgenössischer Kunst herangeführt. So bestand meine eigene Aufgabe als Dozent vor allem, ihn in der Fülle seines Wissens zu bremsen, den Studierenden Raum zu öffnen und einige theologische und philosophische Reflexionen beizusteuern. Ansonsten konnte ich mich ganz seiner Führung anvertrauen und viel von ihm lernen. Gerade auf solchen Reisen wurde deutlich, wie groß sein Herz war, wie begeistert er bei der Sache, mit welcher Liebe und Freude er bei den Menschen, bei den Kunstwerken, bei den Landschaften und besuchten Städten sein konnte, sodass aus Lehre ein gemeinsames Erkunden von Neuem wurde…
Die dritte Begegnung war eine von Michael Zimmermann ausgerichtete Tagung in Eichstätt, die (für ihn geradezu programmatisch) „Dialogical Imaginations“ zum Thema hatte. Dialogisches Denken, streitbarer und freundschaftlicher Dialog wie allgemein das Interesse an „Dialogkulturen“ (so der Titel des Forschungskollegs, das er zuletzt an der KU leitete) sind ein Grundmotiv von Michael Zimmermann. Indem ich dies im Präsens formuliere, vertraue ich darauf, dass der Dialog mit ihm durch den Tod nicht abreißt, sondern in anderer Form weitergeht. Dabei zeichnen sich seine „dialogischen Imaginationen“ zunächst und vor allem durch die herzliche Freundschaft aus, mit der er sich anderen Menschen in echtem Interesse zuwendet und dazu ermutigt, die eigenen Positionen und Überlegungen auch dort einzubringen, wo sie unfertig und angreifbar sind (und wann wären sie das nicht?). Dialog meint nicht nur Austausch von Worten und Sichtweisen, auch nicht nur hinhören, sondern vor allem, den Anderen als Menschen anzunehmen und ihm Mut zu machen, sein Wort und seine Überzeugungen überhaupt erst zu äußern – und dies aus echtem Interesse, mit menschlicher Sympathie, in der gemeinsamen Suche nach Worten und Ausdrucksformen. Das habe ich bei Michael Zimmermann immer wieder erlebt: Er hat als Mensch mit tiefer Sensibilität um all das gerungen, was er erforscht, gelehrt, theoretisch durchdacht, neu entdeckt und mit anderen geteilt hat.
Ich werde ihn als Forscher und Kollege, vor allem aber als Mensch schmerzlich vermissen – und zugleich dankbar mit ihm verbunden bleiben.
Martin Kirschner
Eine Gedenkandacht für † Prof. Dr. Michael F. Zimmermann findet am 7. Mai 2025, 11 Uhr, in der Schutzengelkirche statt.