Erkenntnisinteresse und theoretische Rahmung der Habilitation
Das Projekt vereint verschiedene theoretische Überlegungen und empirische Untersuchungen zu medienethischen Fragen einer Migrationsgesellschaft. Die Forschungsperspektive der kumulativen Habilitation zu den (Des)Integrationspotentialen öffentlicher Kommunikation in einer pluralen Gesellschaft ist an der Schnittstelle von Kommunikationswissenschaft und Migrationsforschung angesiedelt. Es betrachtet die Rolle journalistischer und medialer Kommunikation in den öffentlichen Aushandlungsprozessen um Zugehörigkeit und Teilhabe in einer Einwanderungsgesellschaft. Digitalisierung einer- und Migration andererseits haben in den vergangenen Jahrzehnten den öffentlichen Diskurs nicht nur inhaltlich geprägt, sondern auch seine Rahmenbedingungen grundlegend verändert. In den hybriden Öffentlichkeiten des Internets vervielfachen sich Informationen, Kommunikator:innen und Deutungsangebote, Pluralisierungs- und Polarisierungstendenzen sind in dieser Gemengelage untrennbar miteinander verbunden. Als gesellschaftliches Schlüsselthema dient die Darstellung von Migration und die Repräsentation migrantischer Stimmen als Diagnosefolie für journalistische wie mediale Vielfalt und Teilhabechancen - wie unter einem Brennglas lassen sich hier sowohl die Chancen als auch die Fallstricke des Strukturwandels der Öffentlichkeit beobachten.
Unter dem Arbeitstitel "(Journalistische) Medien als Faktoren der (Des)Integration: Medienethische Betrachtungen zur digitalen Migrationsgesellschaft" verortet sich das Projekt im Kontext postmigrantischer Forschung mit Fokus auf die Reflexion empirischer Daten in der Tradition einer normativ inspirierten Medienethik. Die wissenschaftliche Analyse der kommunikativen Phänomene um Migration verharrt nicht allein in deskriptiver Beschreibung, sondern fragt nach der gesellschaftlichen Relevanz, dem Auftrag und der Gemeinwohlorientierung öffentlicher Aushandlungsprozesse um In- und Exklusionen in einer pluralen Gesellschaft. Mit Blick auf seinen öffentlichen Auftrag ist der Journalismus in besonderer Weise adressiert, Teilhabechancen zu eröffnen und sich den stets virulenten Fragen nach gesellschaftlichem Zusammenhalt zu stellen. Die sozialen Medien können und müssen in Abgrenzung dazu ihrerseits ebenfalls als Faktoren ge- bzw. misslingender gemeinwohlorientierter Kommunikation gelten. Im Unterschied zu journalistischen Medienorganisationen verfolgen Plattformunternehmen keine publizistischen Standards wie Objektivität oder Relevanz. Dennoch verfügen sie über das Potential, in digitalen Teilöffentlichkeiten neue identitätsstiftende Kommunikationsarenen zu schaffen, in denen Minderheiten einen stärkenden und geschützten Raum finden. Zum anderen bieten sie aber auch demokratietheoretisch problematischen Gruppierungen – beispielsweise aus politisch extremen Lagern – ein digitales ideologisches Zuhause.
Der Begriff der (Des)Integration ist dabei nicht nur ein politisch umkämpfter, er bietet auch vielfältige Anknüpfungspunkte an soziologische Konzepte. Er bewegt sich so stets im Spannungsfeld komplexer, fachlicher Auseinandersetzungen und seinen realpolitischen Adaptionen. Die Frage nun, welchen Beitrag (journalistische) Medien zu den Prozessen sozialer Integration leisten, eröffnet viel Raum für eine theoretische Auseinandersetzung mit den demokratischen Funktionen medialer Öffentlichkeiten und stellt zudem weitgehend ein Desiderat der Kommunikationswissenschaft dar. (Des)Integration nimmt begrifflich Bezug auf einen Kanon demokratischer Werte und verweist durch seine geklammerte Schreibweise auf das Spektrum spaltender und zusammenhaltsstiftender kommunikativer Phänomene, die in den Einzelbeiträgen behandelt werden.
Projektdesign und methodische Vielfalt
Empirisch wird die theoretische Rahmung ergänzt durch die Synopse zehn unterschiedlicher Einzelveröffentlichungen, die jede für sich einen bestimmten Aspekt medialer (Des)Integrationsprozesse betrachten. In der Zusammenschau der verschiedenen Beiträge werden Limitationen ebenso wie gewinnbringende Ansätze medialer Integration offenbar. Bestehende kommunikationswissenschaftliche Konzepte versuchen sich zwar durchaus darin, aktuelle soziologische Ansätze zum Integrationsbegriff zu adaptieren, allerdings wohnen ihnen weiterhin – zumindest aus der Perspektive einer kritischen Migrationsforschung – zu viele statische und assimilative Züge inne. Außerdem haben viele ihren Ursprung in den frühen 2000er Jahren, als sich mediale und journalistische Leistungen noch überwiegend für und aus einer analogen Medienlandschaft ergaben. In Anlehnung an das Konzept medialer Integration nach Geißler und Pöttker (2005) folgt das Analyseraster einer Eintelung auf drei Ebenen:
Die aufgeführten Fragen repräsentieren nur einen Teil der systematisch verbundenen Studien, die sich zudem je unterschiedlichen methodischen Zugängen verschrieben haben, Neben qualitativen und quantitativen Befragungen bilden Inhaltsanalysen einen Schwerpunkt.
Laufzeit:
11/2021 – laufend
Projektteam:
Dr. Tanja Evers