Verflechtungen von Sexualität, Geschlecht und Migration

Geflüchtete als Zielgruppe sexueller Bildungsarbeit aus der Perspektive von sexualpädagogisch Tätigen.

Projektbeschreibung

Colourbox

Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage:

Die Übernahme ‚westlicher‘ Gender- und Sexualitätsmuster wird häufig als essentielles Kriterium für gelungene Integration, insbesondere von Menschen mit Fluchterfahrung und/oder als muslimisch markierten Menschen, gefordert. Nicht erst seit der Kölner Silvesternacht von 2015 sind Diskurse um Migration und Integration besonders von vergeschlechtlichten und sexualisierten Stereotypisierungen durchzogen.

Dabei sind nicht nur Parteien, Medien und Gesetzgeber Akteure der Regulation von Sexualpolitiken, sondern auch Praktiker:innen in sexualpädagogischen Bildungskontexten. Sexuelle Bildungsarbeit im Kontext von Flucht ist, verstärkt seit dem sogenannten langen Sommer der Migration 2015, eingebettet in einen normativ und emotional aufgeladenen gesellschaftlichen Diskurs, der machtvolles Wissen über Geschlecht, Sexualität und Flucht produziert.

Mittels qualitativer Interviews untersucht das Projekt die Perspektive sexualpädagogisch Tätiger auf die ‚Zielgruppe‘ der Menschen mit Fluchterfahrung. Untersuchungsleitend waren unter anderem Fragen danach, was Geflüchtete aus Sicht der Praktiker:innen zu einer ‚besonderen‘ Zielgruppe sexueller Bildungsarbeit macht? Welche vergeschlechtlichten Vorstellungen konstruieren die Praktiker:innen und welche Rolle weisen sie sich selbst zu? Wie wird mit Spannungsverhältnissen umgegangen?

Unter Berücksichtigung feministisch-postkolonialer Ansätze erfolgt eine differenzierte Betrachtung der Verflechtungen von Migration, Sexualität und Geschlecht. Die Erkenntnisse der Analyse lassen sich demnach im Hinblick auf regulative, strukturierende und klassifizierende Mechanismen in Bezug auf Geschlechterverhältnisse und damit einhergehende othering-Prozesse betrachten.


Projektdesign und Methode:

Die Untersuchung basiert auf acht leitfadengestützten Expert:inneninterviews mit sexualpädagogisch Tätigen, die sexuelle Bildungsangebote für Menschen mit Fluchterfahrung durchgeführt und/oder initiiert haben. Zum Sample gehören Mitarbeitende von Wohlfahrtsverbänden und Bildungsträgern wie pro familia, AWO, Caritas, Aids-Hilfe und Kommunen.

Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, die Perspektive der befragten Expert:innen zu erfassen, um Deutungsmuster in Bezug auf Geflüchtete herauszuarbeiten. Im Fokus stehen die Verflechtungen mit den Kategorien Geschlecht und Sexualität. Die Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet und die Deutungsmuster mittels detaillierter Feinanalysen konkretisiert.

Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse wurden im Rahmen des Lehrforschungsprojekts „Sexualität, Geschlecht und Migration – Geflüchtete als Zielgruppe sexueller Bildungsarbeit“ im Wintersemester 2020/2021 mit Studierenden des Masters Flucht, Migration, Gesellschaft an der KU zwei weitere Erhebungen realisiert. Beforscht wurde erneut die Perspektive von Praktiker:innen im Feld sexueller Bildungsarbeit.

Konkret beleuchten die Studienprojekte, wie die Kategorien Race und Gender im Sprechen über Bildungsangebote im Kontext von Flucht wirksam werden. Ein weiterer Fokus liegt auf verschiedenen Wissensformen zu Geschlecht, Sexualität, Migration und Flucht aus Sicht der Praktiker:innen. Beleuchtet wird, welche Rolle Praktiker:innen diesen Wissensformen jeweils zuschreiben, wenn es um ihr eigenes Wissen, um jenes von Teilnehmenden sowie um gesellschaftlich virulentes Wissen geht. Die Auswertung erfolgte mit der Dokumentarischen Methode und wurde in Abschlussberichten präsentiert.


Veröffentlichungen:

Die Erkenntnisse aus den beiden Forschungsprojekten mündeten in einem Kooperationsprojekt mit Studierenden des Masterstudiengangs Flucht, Migration, Gesellschaft.

Der Blogbeitrag „Intersektionalität und sexuelle Bildungsarbeit in Deutschland – Herausforderungen, Diskurse, Perspektiven“ steht auf dem FluchtforschungsBlog des Netzwerks Fluchtforschung zur Verfügung: https://blog.fluchtforschung.net/intersektionalitat-und-sexuelle-bildungsarbeit-in-deutschland-herausforderungen-diskurse-perspektiven/


Laufzeit:

2019 – 2021