Bewahrung des musikalischen Erbes der griechisch-katholischen Pfarrgemeinde St. Spyridon Cargèse

Titelbild_Cargese

Die Vielfalt ostkirchlicher Liturgie drückt sich oft im Kleinen aus, nämlich in den unterschiedlichen Gesangstraditionen einzelner Regionen und Gemeinden. Indem die Liturgie im byzantinischen Ritus in aller Regel nur a capella gesungen wird, oft nach Weisen, die nicht notiert, sondern nur mündlich überliefert werden, haben sich in manchen Gemeinden ganz eigene Gesangstraditionen entwickelt, deren Vielfalt zum Reichtum ostkirchlichen Erbes gehört.

Eine solche Gemeinde befindet sich an einem Ort, an dem man sie vielleicht gar nicht vermuten würde, in dem kleinen Ort Cargèse auf der französischen Insel Korsika. Die Geschichte der Gemeinde lässt sich so zusammenfassen: In der Mani, dem mittleren Finger der griechischen Peloponnes, herrschten immer schon raue Zeiten. Als im 17. Jahrhundert zu den lokalen Fehden eine massive äußere Bedrohung durch die Osmanen hinzutrat, entschloss sich damals der ganze Ort Itylo, die Flucht über das Mittelmeer anzutreten. Und so landeten am 14. März 1676 drei genuesische Galeeren mit 800 orthodoxen Flüchtlingen aus Itylo auf der Insel Korsika, die damals noch zu Genua gehörte. Damit begann einst die heute noch lebendige Geschichte der Pfarrei St. Spyridon in Paomia bzw. Cargèse. Mit ihrer Flucht in den Westen mussten sich die Manioten einst zwar der kirchlichen Hierarchie Roms unterstellen, doch bewahrten und bewahren sie ihr griechisch-byzantinisches Erbe bis auf den heutigen Tag in getreuem Andenken an ihre Herkunft.

Zu diesem Erbe gehört auch das mündlich tradierte Patrimonium eigener Gesänge für die Feier der byzantinischen Liturgie in griechischer Sprache. In einer Zeit, in der bedauerlicherweise aufgrund des Priestermangels und auch des kleiner gewordenen Kirchenchors viele Feiern nicht mehr in aller Regelmäßigkeit im Gemeindeleben praktiziert und so erhalten werden können, droht dieses musikalische Erbe zumindest teilweise dem Vergessen anheim zu fallen. Der Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens betreibt daher mit der Unterstützung des Pfarrers der Pfarrei, Archimandrit Antoine Forget, ein Forschungsprojekt, das gemeinsam mit dem großen französischen Hilfswerk für die Ostkirchen „L’Œuvre d’Orient“ realisiert und finanziert wird, welches aus einem Fond „Préservation du patrimoine d’Orient Chrétien“ dieses Projekt großzügig unterstützt. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Thomas Kremer, der seit vielen Jahren gottesdienstliche Vertretungsdienste in Cargèse übernimmt und daher bestens mit den Gesängen vertraut ist, sowie bei P. Jean-Marie Humeau, der als Bischofsvikar des „Ordinariat des catholiques des Églises orientales residant en France“ für die Pfarrgemeinde Verantwortung trägt. Überdies wird mit dem „Institut de musique liturgique“ der katholischen Kirche in Frankreich kooperiert.

Das Projekt beinhaltet verschiedene Elemente:

(1) Zunächst wird das musikalische Erbe in Tonaufzeichnungen erfasst und zusammengetragen. Dazu werden die in privaten Haushalten der Pfarrei auf alten Tonbändern und Musikkassetten vorhandenen historischen Tonaufnahmen aufgespürt und digitalisiert, digitale Tonaufnahmen der letzten Jahre kopiert und gesammelt sowie eigene Tonaufnahmen in Studioqualität erstellt, sofern dies noch möglich ist. Die ältesten Aufzeichnungen datieren in die 1970er-Jahre. Herr Rostyslav Myrosh realisiert diese Arbeiten an der "Forschungsstelle Christlicher Orient".

(2) Unter Heranziehung von Experten für byzantinische Kirchenmusik werden sodann die Tonaufzeichnungen in den Notensatz übertragen und in einer professionell gesetzten Partitur ediert. Hierfür tragen an der Professur für Theologie des Christlichen Ostens Herr Lic. theol. Ruslan Stetsyk sowie Herr Christopher Henk als Projektmitarbeiter die Verantwortung.

(3) Auf dieser Grundlage wird schließlich eine eingehende musikwissenschaftliche Untersuchung dieses Erbes möglich sein, bei der vor allem an eine Kooperation mit Experten von der Universität Palermo (Sizilien) gedacht ist, da hier insbesondere die Frage des Verhältnisses zur Musiktradition der italo-albanesischen Gemeinden Kalabriens und Siziliens zu eruieren ist, da diese vielmals die Pfarrer für Cargèse gestellt und so italo-albanesisches Kulturgut eingetragen haben. Außerdem werden Experten aus Athen für die lokalen Musiküberlieferungen Griechenlands zurate gezogen.

Neben der Bewahrung eines gefährdeten Kulturerbes verbindet sich mit dem Projekt jedoch vor allem der Wunsch, die erstellten Partituren mögen in Zukunft in der liturgischen Praxis genutzt werden, um dieses wertvolle Erbe sakraler Musik nicht nur in Büchern zu konservieren, sondern als lebendiges Erbe zu erhalten.

 

Foto_1_Liturgie
Liturgie in der Osternacht
Foto_2_Tonaufnahme
Studioaufnahme im Pfarrhaus von Cargèse
Foto_3_Logo
Logo des L'Oeuvre d' Orient

Deutsche Übersetzung des Katechismus der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche „Christus – unser Pascha“

Christus unser Pascha

Das literarische Genre des Katechismus bemüht sich darum, nicht nur die Glaubensinhalte dogmatisch korrekt darzulegen, sondern sowohl die Inhalte des Glaubens als auch ethisch-moralische Fragen sowie Aspekte des praktischen Glaubensvollzugs und der Spiritualität in einer jeweils zeitgemäßen Weise und nach Möglichkeit auch unter Anwendung einer für den normalen Gläubigen nachvollziehbaren Didaktik verständlich, aber auch verbindlich darzulegen. 1992 ist der derzeit gültige „Katechismus der Katholischen Kirche“ als Nachschlagewerk des römisch-katholischen Verständnisses des christlichen Glaubens von Papst Johannes Paul II. promulgiert worden.

Betrachtet man die unterschiedlichen Riten innerhalb der katholischen Kirche und vor allem die mit diesen Riten verbundenen eigenberechtigten Kirchen (Ecclesiae sui iuris) als Wirklichkeiten, welche sich durch ein vierfach eigenständiges Patrimonium auszeichnen, nämlich ein eigenes liturgisches, theologisches, spirituelles und disziplinäres Erbe (vgl. CCEO can. 28 § 1), so legt es sich nahe, dass auch die Darlegung des christlichen Glaubens in Form eines Katechismus notwendigerweise andere Akzente setzen und das Eigene der jeweiligen Tradition zum Ausdruck bringen wird.

Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche (UGKK) als zahlenmäßig größte katholische Ostkirche hat sich als erste der Herausforderung gestellt, in einem ambitionierten Projekt unter Mitwirkung zahlreicher Experten ein sowohl in Aufriss und Gesamtkonzeption als auch in den einzelnen Inhalten komplett eigenständiges Werk vorzulegen, welches nicht eine bloße Abwandlung des „Katechismus der Katholischen Kirche“ darstellt, sondern sich darum bemüht, eine genuin ostkirchliche Version eines Katechismus zu realisieren. So erschien im Jahr 2012 unter dem Titel „КАТЕХИЗМ Української Греко-Католицької Церкви ‹ХРИСТОС – НАША ПАСХА›“ („Katechismus der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche ‚Christus – unser Pascha‘“ erstmals in neuerer Zeit ein vollumfänglicher Katechismus einer katholischen Ostkirche. Dieser markiert einen Meilenstein in der Entwicklung einer eigenständigen Theologie der katholischen Ostkirchen.

Im Vorwort zur englischsprachigen Ausgabe, die 2016 erschienen ist, heißt es: „Die Besonderheit der theologischen Tradition der UGKK, die ostkirchlichen Ursprungs ist, macht die Notwendigkeit eines eigenen Katechismus für unsere Kirche deutlich. Der selige Johannes Paul II., Papst von Rom, hat auf diese theologische Besonderheit hingewiesen: ‚Beim Studium der Offenbarung haben der Osten und der Westen unterschiedliche Methoden angewandt … Diese verschiedenen theologischen Formulierungen sind oft als sich gegenseitig ergänzend und nicht als gegensätzlich zu betrachten.‘ (Orientale Lumen 5) Seine Seligkeit Ljubomyr [Huzar] brachte denselben Gedanken zum Ausdruck: ‚Die Lehre Christi ist ein und dieselbe für alle. Auch der Glaube an Christus ist für alle Katholiken derselbe, unabhängig davon, welchem Ritus oder welcher Teilkirche sie angehören. Allerdings kann das theologische Verständnis der göttlich geoffenbarten Wahrheiten in verschiedenen Kulturen unterschiedlich sein, so wie auch die liturgischen Riten unterschiedlich sind.‘“

Da die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche inzwischen nicht wenige Angehörige in deutschsprachigen Ländern zählt, wurde jüngst der Entschluss gefasst, den Katechismus auch in deutscher Übersetzung vorzulegen. Von der Patriarchalen Kommission der UGKK wurden Protosynkellos Yuriy Kolasa (Wien) und Rektor Dr. Oleksandr Petrynko (Eichstätt) damit beauftragt, diese Arbeit zu koordinieren. Auf der Grundlage einer Rohfassung der Übersetzung, welche Pfr. Stepan Sharko und Frau Mariia Sharko (Münster) angefertigt haben, übernimmt der Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens die eingehende Korrektur dieser Übersetzung, womit Kpl. Hennadiy Aronovych (Euskirchen) im Rahmen eines Werkvertrags beauftragt wurde. Anschließend soll Martin Bürger (U.S.A.) noch einmal den letzten sprachlichen Feinschliff übernehmen. Geplant ist die Veröffentlichung des Katechismus als Band 60 der Reihe „Koinonia–Oriens“.

Der Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens freut sich darauf, durch die Publikation der deutschen Übersetzung des „Katechismus der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche“ einen Beitrag sowohl zur wissenschaftlichen Erschließung dieses bedeutenden Dokuments für den deutschen Sprachraum als auch zur Glaubensvermittlung an die griechisch-katholischen Gläubigen leisten und dabei intensiv mit der UGKK kooperieren zu können.

Prof. Dr. Thomas Kremer

Russische Übersetzung der Summa theologica des Thomas von Aquin

T.v.Aquin
Ersteller: Sartorius Benedikt

Die Summa theologica des Thomas von Aquin († 1274) ist eine der einflussreichsten Schriften des Abendlandes; sie ist im 20. Jahrhundert in nahezu alle westeuropäische Sprachen übersetzt worden. Bis tief ins 18. Jahrhundert war sie selbst an evangelischen Fakultäten einer der Grundtexte des Theologiestudiums. Das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt weiterhin mit Nachdruck den „hl. Thomas als Lehrer“ in der Priesterausbildung, die Enzyklika Fides et ratio von Papst Johannes Paul II. und das geltende Kirchenrecht haben diese Empfehlung bestätigt. Auch viele Problemstellungen der neuzeitlichen westlichen Philosophie bleiben letztlich unverständlich, wenn man dieses Werk nicht kennt.

Da Russland mit der westeuropäischen Philosophie erst spät im 18. Jahrhundert in Berührung kam, blieb das Œuvre des Aquinaten dort selbst unter Philosophen nahezu unbekannt; in der Zeit des Kommunismus war es verpönt, sich mit ihm zu befassen. Zwar erschienen in den letzten drei Jahrzehnten Übersetzungen kleinerer Abschnitte, doch bis zu Beginn des Übersetzungsprojekts konnten russische Philosophen dieses Grundwerk abendländischen Denkens nur dann rezipieren, wenn sie Latein beherrschen – eine Sprache, die an russischen Gymnasien kaum gelehrt wird. So stellte und stellt eine vollständige russische Übersetzung des großen Werkes des Aquinaten ohne Zweifel ein veritables Desiderat dar. Die Schwierigkeit des Übersetzungsprojektes besteht u. a. darin, dass das Russische im Gegensatz zu westeuropäischen philosophischen Fachsprachen nur in geringem Umfang von der Terminologie der mittelalterlichen Scholastik beeinflusst worden ist und eine Übersetzung der Summa theologica deshalb oft neue, bisher unübliche Ausdrücke prägen muss.

Dieses großangelegte Übersetzungsprojekt zur Übertragung der rund 4.000 Druckseiten der Summa theologica wurde im Jahr 2004 durch das „Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien“ (ZIMOS) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt initiiert. Federführend war seinerzeit der damalige, überaus verdienstvolle Direktor des ZIMOS, Prof. Dr. Nikolaus Lobkowicz († 2019). Dieses von der Russischen Akademie der Wissenschaften als „Jahrhundertprojekt“ begrüßte Vorhaben wird seitdem von der italienischen Stiftung „Cassamarca“ mit einer Spende von rund 100.000 € gefördert. Prof. Lobkowicz hat persönlich eine Gruppe von Übersetzern unter den wenigen russischen Kennern der mittelalterlichen Philosophie und Theologie ausgewählt. Sie wird geleitet von Dr. Alexej Appolonov, der in Moskau schon eine Reihe von Übersetzungen mittelalterlicher Texte veröffentlicht hat. Der erste Band der Übersetzungen ist bereits im Jahre 2005 in einem Moskauer Verlag erschienen. Dazu fand am 14. Juni 2006 eine Buchvorstellung an der Philosophischen Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität (MGU) statt. Inzwischen konnten weitere vier Bände (bis Secunda Secundae, questiones 1–46) publiziert werden.

Dem Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens ist es eine Ehre, dass ihr dieses so erfolgreiche Projekt 2020 übertragen wurde und es unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Kremer und seinem Team nun zum Abschluss geführt werden kann. Bereits Prof. Lobkowicz hatte die Vorstellung, die Verwirklichung dieses Projektes könne zum Dialog der Russischen Orthodoxen Kirche mit den christlichen Kirchen des Westens beitragen, indem es die Einsicht bestärke, dass Vernunft und Glaube, wenn sie so wie bei Thomas verstanden werden, einander nicht widersprechen. Prof. Kremer zufolge ist der Zugang zu den authentischen Quellentexten für ein gegenseitiges Verständnis insofern heute wichtiger denn je, als sich Teile der modernen orthodoxen Theologie durch eine ausgeprägte anti-scholastische Ausrichtung kennzeichnen, dabei aber oft nur eine neoscholastisch-thomistisch gefärbte Sicht auf die von Thomas von Aquin geprägte westliche Theologie vor Augen haben und der philosophisch-theologischen Tiefe des Aquinaten nicht in Gänze gerecht werden können.

Das Team des Lehrstuhls kooperiert zur Umsetzung des Projekts mit Frau Chiara Savoldelli, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft I, die bereits für das ZIMOS die Projektbeauftragte war, sowie Herrn Dr. Appolonov und seinem Team, um die Publikation baldmöglichst zu einem Abschluss zu führen. Das Projekt soll mit einer Fachtagung zur Präsentation des gesamten Übersetzungswerkes beschlossen werden, zu der namhafte Forscher aus Osteuropa nach Eichstätt eingeladen werden sollen, welche die Bedeutung des Thomas von Aquin für die Kirchen des Ostens in den Blick nehmen werden.

Prof. Dr. Thomas Kremer

 

Sammelband mit Aufsätzen des rumänischen Theologen Dumitru Stăniloae

D. Staniloae
Bildquelle: https://manastirea.petru-voda.ro/2016/06/06/parintele-dumitru-staniloae-despre-un-viitor-sfint-si-mare-sinod-ii-iubirea-ca-scop-al-creatiei/

Projektbeschreibung folgt.