Transitzentrum oder: Über die (Un-)Durchlässigkeit von (Lager-)Grenzen

Projektbeschreibung

Container eines Ankerzentrums (ehem. Transitzentrum)
Wohncontainer eines Ankerzentrums (ehem. Transitzentrum); Foto: Gelardi

Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage:

Immer wieder rückt die Unterbringung von Geflüchteten in Lagern in den öffentlichen Diskurs. Zuletzt im Frühjahr 2020 hat sich deutlich gezeigt, dass Sammelunterkünfte die dort untergebrachten Menschen einem hohen Gesundheitsrisiko durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 aussetzen. 2018 wurde die Einrichtung von Ankerzentren als zentralisierte Sammelunterkünfte öffentlich diskutiert. Dabei geraten regelmäßig die Kontinuitäten und Brüche der Unterbringung von Geflüchteten aus dem Blick. Daher liegt der Fokus in diesem Projekt auf den bayerischen Transitzentren. Das Konzept der Transitzentren hatte nur kurz Bestand und erhielt nur wenig öffentliche sowie wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Gleichwohl wirft es einen erkenntnisreichen Blick auf Begründungszusammenhänge der 2018 eingeführten Ankerzentren: „[W]ir knüpfen an bestehende Einrichtungen und die erfolgreichen Konzepte unserer bayerischen Transitzentren an“ (Bayerische Staatskanzlei 2018: 3), verkündete die bayerische Staatsregierung und ließ damit implizit wissen, dass die Verkündung der Einführung von Ankerzentren im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2018 eine bayerische Handschrift trägt. Das Forschungsprojekt widmet sich v.a. Fragen des Zugangs im Kontext des Transitzentrums. Die leitenden Forschungsfragen lauteten: Auf welche Weise wird der Zutritt zur Einrichtung für bestimmte Personen (insbesondere bürgerschaftlich Engagierte) reguliert? Welche Rolle spielen hierbei auch materielle und symbolische Dinge und Artefakte? Inwiefern wird den Bewohner:innen räumliche und soziale Mobilität in Form von gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht oder verwehrt? Welche Rolle spielt der (Nicht-)Zugang zu Informationen v.a. für Mitarbeitende der dort tätigen Wohlfahrtsverbände und bürgerschaftlich Engagierte?


Methoden:

ethnografische Forschungsstrategie mit teilnehmenden Beobachtungen, Feldprotokollen und Interviews


Laufzeit:

2018 - 2020

Eingangstor zu einem Ankerzentrum (ehem. Transitzentrum)
Eingangstor zu einem Ankerzentrum (ehem. Transitzentrum), Foto: Gelardi

Projektdesign und zentrale Ergebnisse:

Das Forschungsprojekt greift auf 2018 empirisch erhobene Daten und Erkenntnisse einer Masterarbeit zurück und analysiert diverse Zugangspraktiken im Kontext des Transitzentrums. Mechanismen von Restriktion, Isolation, Exklusion und Regulierung manifestieren sich in Aspekten wie im generellen Zutrittsverbot für bestimmte Personen(gruppen) und in restriktiven Eingangskontrollen für bürgerschaftlich Engagierte. Aspekte des Festsetzens sowie spezifische Regularien und Vorschriften tragen zu Beschränkungen mit der Außenwelt und zur Immobilisierung der Bewohner*innen bei. Darüber hinaus führen Verteilungstechniken sowie Kategorisierungen wie die „geringe Bleibeperspektive“ und die Unterbringung in der spezifischen Einrichtung zu weiterer sozialer Distanz und Stigmatisierungen. Trotz einiger herausgearbeiteter Gemeinsamkeiten, unterscheidet sich das Transitzentrum aber von ‚totalen‘ Formen der Kasernierung bzw. des Lagers. Vor allem durch die beteiligten Akteure und deren fortlaufenden (politischen) Kämpfe und Aushandlungen ist die Durchlässigkeit der (Lager-)Grenzen auch im Falle des Transitzentrums zu betonen. Insbesondere durch die Wohlfahrtsverbände ergeben sich immer wieder Aushandlungen, die zu Veränderungen in der Einrichtung führen. Durch die Konzepte des Regimes und der Grenze können relationale und dynamische Prozesse, Aushandlungen und Kämpfe besser gefasst werden und somit einen wertvollen Beitrag zu leisten, um die Unterbringung von Geflüchteten in vermeintlich vollkommen abgeschotteten Lagern zu überdenken.

Kontakt:
Lea Gelardi
Lea Gelardi M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin ZFM – Bildung und Coaching
Gebäude Marktplatz 13  |  Raum: MP13-102