Das Projekt „Kleine Kommunen, große Wirkung“ erprobt einen neuartigen, transdisziplinären Ansatz, um das Transformationspotenzial von Kleinstädten im ländlichen Raum zu erforschen und eine nachhaltige Regionalentwicklung zu fördern. Dazu baut die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt in Zusammenarbeit mit der Stadt Eichstätt und dem Landkreis Eichstätt ein Reallabor mit künstlerischen Forschungselementen und einem Transformative Design Space auf.
Realisiert wird das Projekt durch die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit von vier Wissenschaftlerinnen aus der Sozial- und Organisationspsychologie, der Europäischen Ethnologie, der Kunstpädagogik und der Journalistik mit drei kommunalen Bauhöfen als exemplarischen „Change Agents“. Gefördert wird das Projekt von der Volkswagenstiftung. Im Fokus steht dabei die Transformation kommunaler Dienstleistungsstrukturen.
Bauhofmitarbeitende haben aufgrund ihres breiten Aufgabenspektrums und ihrer Nähe zur Bevölkerung eine weitreichende Wirkung auf die Öffentlichkeit, weshalb ihnen ein hohes Wirkungspotenzial und eine wichtige Funktion als Multiplikatoren zukommt. Im Rahmen eines Beteiligungsprozesses entwickeln und verwirklichen sie ko-kreativ mit Bürgerinnen und Bürgern konkrete Nachhaltigkeitsprojekte. Auf der Grundlage eines systemischen Ansatzes zielt das Projekt so auf Veränderungen in mehreren Handlungsfeldern.
Europäische Ethnologie als empirische Kulturwissenschaft richtet ihren Fokus auf Menschen sowohl in ihrer historisch-kulturellen Prägung als auch auf ihre Herstellung von Kultur.
Kultur lässt sich als eine Vielzahl von Wahrnehmungs- und Betrachtungsweisen von Welt begreifen. Sie umfasst die Praktiken und Prozesse durch die und in denen Menschen, Gruppen und Gesellschaften miteinander umgehen, sich verständigen oder missverstehen, sich organisieren und ihre Lebens- sowie Erfahrungsräume gestalten. Kultur kann als ein fortwährender Prozess, als ein „work in progress“ (Hannerz 1996), verstanden werden, das von Menschen aktiv geschaffen und geformt wird und sich unter den Bedingungen der Globalisierung deutlich sichtbar verändert.
Im Rahmen des VW- gestifteten Projektes „Kleine Kommunen, große Wirkung“ untersucht der Fachbereich Europäische Ethnologie die Rolle der Bauhöfe als treibende Kräfte für Nachhaltigkeits-Kultur (change agents) in Kleinstädten und ihrem Umland.
Bauhöfe und ihre Mitarbeitenden übernehmen zentrale Aufgaben in der Instandhaltung, Pflege und Gestaltung öffentlicher Räume und Infrastrukturen. Ihre Tätigkeitsfelder sind gegenwärtig in hohem Maße mit den (An)Forderungen nachhaltigen Handelns verbunden. Die dort aufflammenden Konflikte machen die Lücke zwischen Anspruch und Alltagspraxis nachhaltigen Handelns erfahrbar (Attitude-Behaviour-Gap).
Im Rahmen einer Feldforschung wird ergebnisoffen ethnografisch auf drei Kreis- und Stadtbauhöfen in Stadt und Landkreis Eichstätt zu Bauhöfen geforscht. Durch die Begleitung der hier Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag möchten wir ihr Erfahrungswissen, die materiellen und organisatorischen Strukturen, bestehende Konfliktfelder, den Umgang mit Ressourcen sowie ihre persönlichen Einstellungen untersuchen.
Ein wesentliches Anliegen des Projektes ist die Umsetzung eines partizipativen und trans/-interdisziplinären methodischen Ansatzes. Die Europäische Ethnologie orientiert sich dabei an einer „offenen, dialogischen und engagierten Ethnografie“ (vgl. Hamm 2013). Die Bauhofmitarbeitenden werden als Expert:innen ihrer Arbeitswelt anerkannt. Der Forschungsprozess wird so transparent wie möglich gestaltet und die Forschenden versuchen durch Mitarbeit auf den Bauhöfen, teilnehmende Beobachtungen und Gespräche die Perspektiven und das Erfahrungswissen der Akteur:innen von innen heraus kennenzulernen und zu verstehen. Partizipativ zu forschen, bedeutet für die Europäische Ethnologie zudem Verständigung auf Augenhöhe, asymmetrische Machtverhältnisse, Regulierungsinstrumente und Interessengeleitetheit aller Teilhabenden zu erkennen, kritisch anzumahnen und sich die eigene Involviertheit stets bewusst zu machen.
Trans/-interdisziplinär gesehen, werden die gewonnenen Erkenntnisse und Einblicke der Europäischen Ethnologie auf Grundlage eines Konzepts zur Anonymisierung und Pseudonymisierung an die beteiligten Fachdisziplinen – Psychologie, Journalistik und Kunstpädagogik – weitergegeben, um diese für die Lebens- und Arbeitswelt der Bauhöfe und die spezifischen alltagskulturellen Herausforderungen bei ihren Forschungen zu sensibilisieren.
Gemeinsam mit der Sozial- und Organisationspsychologie wenden wird einen Mixed-Methods-Ansatz (Heibges 2024) an, der Qualitative und Quantitative Methoden kombiniert, verstehende und erklärende Perspektiven verbindet und so differenziertere Ergebnisse sowie tiefere Erkenntnisse ermöglicht.
Über das Konzept des "künstlerischen Forschens" tauschen sich Europäische Ethnologie und Kunstpädagogik aus. Der Blick wird dabei auf die künstlerische Integration ethnografischer Methoden und Materialien sowie die Verarbeitung alltagsweltlicher Erfahrungen in Gestaltungsprozessen gerichtet. Die künstlerischen Praktiken werden von Kunstpädagogik und Europäischer Ethnologie nach ihren Potentialen befragt, neues Wissen für nachhaltiges Handeln zu gewinnen.
Die Mitwirkung von Wissenschaftler:innen an Gestaltungsaufgaben für einen nachhaltig orientierten, gesellschaftlichen Wandel erfordert kulturelle Selbstreflexion und Selbstkritik. Für die Europäische Ethnologie bedeutet dies eine praxisbezogene, kritische Begleitung bei der Entwicklung und Umsetzung von Handlungskonzepten, die in Form von Experimentierräumen erprobt werden soll.
Team: Prof. Dr. Angela Treiber, Dr. des. Petra Schmidt
Ansprechperson: Petra Schmidt [Petra.Schmidt@ku.de]
Als Teilbereich der Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich die Journalistik u.a. mit Fragen der Mediennutzung, z.B. welche Medien in welchen Situationen und zu welchen Zwecken genutzt werden, wie Medieninhalte bewertet werden und welche möglichen Auswirkungen die Interaktionen mit Medien auf den Alltag, die Beziehungen sowie die Meinungen, Emotionen und das Verhalten der Mediennutzerinnen und -nutzer haben.
Im Projekt „Kleine Kommunen, große Wirkung“ möchte die Journalistik besser verstehen, welche Informationsquellen für bestimmte Gruppen in der Region Eichstätt relevant sind und inwiefern diese ihre Einstellungen zur nachhaltigen Entwicklung der Region beeinflussen. Darüber hinaus wollen wir Kommunikationsprozesse mit unterschiedlichen Gruppen der regionalen Bevölkerung initiieren, um deren Ideen, Bedürfnisse und Visionen für ein besseres Leben in Eichstätt in konkrete Nachhaltigkeitsprojekte einzubinden und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern umzusetzen. Schließlich möchte die Journalistik einen Beitrag dazu leisten, dass kommunale Organisationen, die für die Nachhaltigkeitstransformation eine besonders wichtige Rolle spielen, sichtbarer werden.
Team: Prof. Dr. Liane Rothenberger, Dr. Priscila Berger
Ansprechperson: Dr. Priscila Berger [priscila.berger@ku.de]
Kunstpädagogik und Kunstdidaktik stellen kunstbezogene Bildungs- und Vermittlungswissenschaften mit multimedialen, bildnerisch-praktischen und wissenschaftlich-theoretischen Anteilen dar.
Im Projekt „Kleine Kommunen, große Wirkung“ setzt die Kunstpädagogik die Künstlerische Forschung als interdisziplinäre Methode und Forschungsinstrument ein, um damit gesellschaftliche Fragestellungen, Herausforderungen und Entwicklungsaufgaben zu analysieren und zu evaluieren. Im Fokus stehen Kunstprojekte im öffentlichen Raum, die mit partizipativen Ansätzen durch die Einbindung der Bevölkerung neue Perspektiven auf Themen wie ästhetische Gestaltung der Umwelt, gesellschaftliches Zusammenleben, Transformation und Nachhaltigkeit eröffnen. Im Weiteren wird der Transformative Design Space (TDS) als flexibler, mobiler und digital unterstützter Raum entwickelt, der kreative Ideenfindung und partizipative Gestaltungs- und Entwicklungsprozesse fördert und umsetzt. Ziel ist es, durch die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nachhaltige und zukunftsweisende Lösungen für gesellschaftliche Entwicklungen zu initiieren und umzusetzen. Kunstpädagogik und Kunstdidaktik setzen die Künstlerische Forschung ein, um multimodale ästhetische Erfahrungen und deren Reflexion zu ermöglichen. Hieraus resultiert ein Dialog über mögliche Innovationen und gesellschaftlichen Wandel.
Ausführliche Informationen zu den Projekten finden Sie auf der Website der Professur für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik hier.
Team: AkadDin Petia Knebel, wissenschaftliche Mitarbeiterin Kerstin Muhr
Als Psycholog:innen steht für uns menschliches Erleben und Verhalten im Fokus unseres Interesses. In unserem Fachbereich, der Sozial- und Organisationspsychologie, untersuchen wir, wie die Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen von Menschen durch Interaktionen mit anderen beeinflusst werden und legen dabei einen Schwerpunkt auf den Menschen in Organisationen. Diese Erkenntnisse nutzen wir, um positive Veränderungen in Gesellschaften zu fördern und Menschen dabei zu unterstützen, ihre Umwelt aktiv mitzugestalten.
Im Rahmen des Projekts „Kleine Kommunen, große Wirkung“ werden dieses Wissen und die entsprechenden wissenschaftlichen Methoden dazu eingesetzt, um die ökologische Nachhaltigkeit der Bauhofmitarbeitenden zu erfassen und zu verstehen. Darauf aufbauend sollen konkrete Empfehlungen für weitere Arbeitsprozesse abgeleitet werden, die der Nachhaltigkeit dienen. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Bauhöfen geplant, denn die Bauhofmitarbeitenden sind entscheidende Akteure mit enormen Einflussmöglichkeiten: Sie haben direkten Einfluss auf ihre Gemeinden und können als Multiplikatoren und Change Agents wirken.
Um dieses Potenzial auszuschöpfen, untersuchen wir u.a. Einstellungen, Herausforderungen und Bedürfnisse der Bauhofmitarbeitenden. Durch diesen Dialog, bei dem für uns die Zusammenarbeit auf Augenhöhe Voraussetzung ist, werden wir gemeinsam Strategien entwickeln, um nachhaltiges Handeln zu fördern und dabei gleichzeitig Rücksicht auf die praktischen Anforderungen des Arbeitsalltags nehmen.
Wir erhoffen uns von diesem Projekt, das Bewusstsein für nachhaltige Praktiken auf lokaler Ebene zu steigern und konkrete Veränderungen anzustoßen. Ziel ist es, einen nachhaltigen sozialen Impact zu erreichen, indem das Empowerment der Bauhofmitarbeitenden und ihre Rolle als Gestalter ihrer Umwelt gestärkt werden.
Team: Prof. Dr. Elisabeth Kals, Dr. Patricia Zieris, Christopher Esch
Ansprechperson: Dr. Patricia Zieris [Patricia.Zieris@ku.de]