Sammelband: Praktiken der (Im-)Mobilisierung. Lager, Sammelunterkünfte, Ankerzentren

Projektbeschreibung

Cover Sammelband Immobilisierung

Die Unterbringung von Schutzsuchenden in Lagern wurde bislang wenig erforscht. In einer neuen Publikation beschäftigen sich das ZFM und weitere Autor:innen mit der Situation zentraler Unterkünfte und den Auswirkungen dieser Unterbringungsformen.

Seit den 1970er Jahren gehört die Unterbringung Geflüchteter in Sammellagern zum Repertoire asylpolitischer Maßnahmen der Bundesrepublik. Ihre seltene wissenschaftliche Aufarbeitung war stets von Kritik an den Lagern als nicht menschenrechtskonform geprägt. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2018 wurde die Einrichtung sogenannter AnkER-Zentren beschlossen und noch im selben Jahr in Bayern, dem Saarland und Sachsen umgesetzt. Der sogenannte lange Sommer der Migration bewog politische Akteure zu verschiedenen Anpassungen der Steuerung und Kontrolle von Flucht und Migration. ›Ankerzentren‹ in Deutschland oder die ›Hot Spots‹ an den EU-Außengrenzen sollen die Verwaltung und Kontrolle Schutzsuchender verbessern – mit schwerwiegenden Folgen für dort untergebrachte Menschen.

Die jüngste Aufmerksamkeit für Lager war Anlass für das ZFM, eigene Forschungsaktivitäten dazu anzustoßen und die Ergebnisse zusammen mit weiteren einschlägigen Forschungsarbeiten zu veröffentlichen. Die durch Lager forcierte Immobilisierung vormals mobiler Subjekte führt zu einem analytischen Spannungsverhältnis, dem sich alle Autor:innen des Bandes widmen.

Die Beiträge des Bandes analysieren die Unterbringung in Lagern aus mobilitätstheoretischen Perspektiven. Während räumliche und soziale Mobilität ein zentrales Moment der Flucht von Schutzsuchenden ist, stehen Lager paradigmatisch für Immobilisierung. In der Gleichzeitigkeit von Mobilität und Immobilisierung besteht ein Konfliktpotenzial, das Konsequenzen hat für Schutzsuchende, Verwaltungen, Öffentlichkeiten, Politiken und Gesellschaften.

Der Band schließt an aktuelle Forschungsdebatten der Fluchtforschung an und erweitert sie um zahlreiche, interdisziplinäre empirische und theoretische Erkenntnisse. Alle Autor:innen diskutieren die Unterbringungssituation geflüchteter Menschen, verhandeln diese in ihren Beiträgen jedoch in unterschiedlichen Kontexten, unter anderem vor dem Hintergrund der Rechtstheorie, sozialer Ungleichheit, Regierungs- und Kontrollpraktiken, Grenzziehungsprozessen, In- und Exklusion, Ausnahme, Familie, Widerständigkeit, Bildung, Sozialer Arbeit, Medien und Öffentlichkeit. Regionale Schwerpunkte sind neben Bayern und Deutschland auch Griechenland, Ungarn, Somalia und Kolumbien.

Entstanden ist eine Publikation, die neben 13 ausgewählten Beiträgen externer Autor:innen auch sieben am ZFM durchgeführten Forschungsprojekten zur Unterbringungssituation Geflüchteter in Bayern, Deutschland und international eine Plattform bietet.

Er steht seinen Leser:innen online open access als kostenloser Download  zur Verfügung.

Weitere Einblicke in die Forschungsprojekte im Kontext Lagerunterbringung von Geflüchteten finden sich hier:

Link zur Rezension: https://www.soziopolis.de/ausnahmezustand-oder-agency.html

 

Ansprechpartner
Tanja Evers
Dr. Tanja Evers
Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Leiterin Forschung ZFM
Gebäude Marktplatz 13  |  Raum: MP13-103